So hatte sich Walter Kunz (63) seinen Amtsantritt als Ombudsman der Schweizer Reisebranche wohl nicht vorgestellt: Der vormalige Geschäftsführer des Schweizer Reise-Verbands (SRV) übernahm am Montag, 3. Juni, formell das Amt von seinem Vorgänger Franco Muff (66) – am selben Tag meldete Reiseveranstalter FTI Insolvenz an.
«Ich habe in dieser Woche extrem viele Telefonate geführt», gesteht Kunz gegenüber Blick. Als Ombudsman berät er neutral Konsumenten, die in einem Streitfall mit der Schweizer Reisebranche im weitesten Sinne stehen. Gerade in Konkursfällen ist der Ombudsman gefragt.
Zum Hörer griffen Dutzende verzweifelte FTI-Kunden: «Leute riefen mich aus Malta oder Spanien an, weil sie vor Ort Leistungen nachzahlen mussten», berichtet Kunz. Dazu gesellten sich viele Anrufe aus der Schweiz von jenen, deren Ferien kurz bevorstanden.
Absurde Situationen
Da kommt es gelegentlich zu seltsamen Vorkommnissen. Wie bei dieser Frau, die bei FTI Mallorca-Ferien bucht. Sie sollte nach der Konkurs-Ankündigung abreisen. Geht sie nicht, ist die ganze Reise futsch. Geht sie, muss sie zwar das Hotel neu bezahlen – doch das wird ihr erstattet. Denn der Schweizer Ableger von FTI ist Mitglied im Garantiefonds. Dieser sichert die Einzahlungen und die Rückreise von Pauschalreisekunden von schweizerischen Reiseveranstaltern und Reisebüros.
Der Ombudsman der Schweizer Reisebranche hat seinen Sitz in Zürich. Das Büro berät Konsumenten, die auf einer Reise zu schaden gekommen sind. Der Ombudsman agiert dabei neutral, also als eine Art Friedensrichter, der weder Partei für den Konsumenten noch für das Reiseunternehmen einnimmt. Ziel der Vermittlung ist eine einvernehmliche, aussergerichtliche Lösung. Gelingt dies nicht, bleibt nur der Gang vor Gericht. Der Ombudsman hat keine Weisungsbefugnis, sondern erarbeitet Empfehlungen und Erklärungen.
Der Ombudsman der Schweizer Reisebranche hat seinen Sitz in Zürich. Das Büro berät Konsumenten, die auf einer Reise zu schaden gekommen sind. Der Ombudsman agiert dabei neutral, also als eine Art Friedensrichter, der weder Partei für den Konsumenten noch für das Reiseunternehmen einnimmt. Ziel der Vermittlung ist eine einvernehmliche, aussergerichtliche Lösung. Gelingt dies nicht, bleibt nur der Gang vor Gericht. Der Ombudsman hat keine Weisungsbefugnis, sondern erarbeitet Empfehlungen und Erklärungen.
«Also ist die Frau abgeflogen», berichtet Kunz. Er weiss, dass nicht alle Kunden vor Ort Leistungen einfach nochmals bezahlen können. «Bislang habe ich aber von keinen grösseren Problemen oder gar von gestrandeten Personen gehört», meldet Kunz.
Trotzdem findet er die Haltung der Hoteliers empörend: «Die Hotels haben Verträge mit dem Reiseveranstalter und machen es sich gar einfach, wenn sie nun einfach die Konsumenten zur Kasse beten», so Kunz.
Pauschalreisen sind sicher
Denn die Hoteliers schieben das Ausfallrisiko einfach an die Ferienreisenden ab. Wegen einer Praxis, die sie selber zugelassen haben. «FTI zahlte, wie teils andere Reiseveranstalter auch, die Hotelrechnungen oft 60 bis 90 Tage nach Rückkehr der Reisenden», so Kunz.
Fluggesellschaften ziehen das Geld ihrerseits immer sofort ein. Dadurch sind immerhin die Heimflüge gesichert, da schon bezahlt. Die Hotels dagegen gehen auf Nummer sicher und bitten Kunden sofort zur Kasse, unter Androhung eines Rauswurfs. Das ist fragwürdig. Genauso wie auf Seiten der Reiseveranstalter und der Airlines der Umgang mit Geldern, die bereits einbezahlt wurden.
Mehr zur FTI-Pleite
Immerhin: Wer eine Pauschalreise gebucht hat, ist sicher. Wer die Leistungen einzeln gebucht hat, geht leer aus. Immerhin: Alle Reisepakete von FTI bis und mit Abreise am 4. Juli 2024 können kostenlos annulliert werden. Was danach kommt, ist noch unklar.
Deutschland oder Schweiz?
Manche Anrufer wimmelt Kunz übrigens gleich wieder ab: «Ich frage immer zuerst, wer der Rechnungssteller ist», erklärt er. Ist dies FTI Deutschland, ist der Schweizer Ombudsman nicht zuständig. Nur wer bei der FTI Touristik AG mit Sitz in Allschwil BL gebucht hat – wobei dies in den allermeisten Fällen via ein Reisebüro oder online erfolgt – kann sich im Problemfall an den Schweizer Ombudsman wenden.
Die von Blick befragten FTI-Kunden haben über FTI Deutschland gebucht, selbst wenn die Reise über ein Portal mit CH-Domain vermittelt wurde. Sie haben in den Reiseunterlagen einen Sicherungsschein des DRSF (Deutscher Reisepreis-Sicherungsfonds) erhalten. Das ist eine Versicherung für den einbezahlten Betrag im Falle eines Reiseveranstalter-Konkurses – analog dem Garantiefonds in der Schweiz.
«Dieser Sicherungsschein ist gültig, aber der Reisende muss die Rückvergütung in Deutschland anfordern», so Kunz. Die Rückforderung von Geld ist oft ein Spiessrutenlauf.
In der Schweiz zeigt sich der Garantiefonds derweil kulant. Eigentlich greift er nur, wenn ein Konkurs vorliegt. Nun ist aber der Schweizer FTI-Ableger formell noch gar nicht Konkurs, wie Dutzende andere FTI-Tochtergesellschaften auch. Weil der Konkurs praktisch unausweichlich ist, sichert der Garantiefonds dennoch alle Anträge, «als ob der Konkurs der FTI Touristik AG bereits am 3. Juni eingetreten wäre». Wer also in einem Reisebüro bzw. pauschal gebucht hat, kommt nicht zu Schaden.
Massiver Arbeitsplatzverlust
Das klingt auf den ersten Blick erfreulich. Doch FTI ist kein «kleiner Fisch». Insgesamt dürften laut Schätzung von SRV-Präsident Martin Wittwer (63) allein in der Schweiz 10'000 Kunden von der Pleite betroffen sein. In Deutschland wohl das Zehnfache. Das wird für Garantiefonds und DRSF schwierig zu bewältigen sein.
Dazu sind in Deutschland rund 8500 Arbeitsplätze betroffen. In der Schweiz beschäftigt FTI Schweiz rund 100 Arbeitnehmende: Rund 80 in Dietlikon ZH, wo Reisen für das Mutterhaus eingekauft und produziert werden, sowie rund 20 in Allschwil, wo die Schweizer Vertriebsorganisation ist. Für diese sieht es düster aus. Es steht wohl eine Massenentlassung an.
Arbeitgeber-Wechsel werden schwierig sein: Hotelplan steht selber zum Verkauf, bei Kuoni oder TUI wird nicht übermässig eingestellt.