Ralph Hamers (54) ist gekommen, um die UBS umzubauen. Nicht von heute auf morgen, dazu ist die Bank, die ihm Sergio Ermotti (60) hinterlässt, zu gut aufgestellt. Aber von heute auf übermorgen, denn die UBS ist immer noch ein behäbiger, grosser Dampfer. Die Zukunft allerdings verlangt nach agilen Schnellbooten, die rasch auf Veränderungen – und neue Konkurrenten wie Smartphone-Banken – reagieren können.
Seit Anfang September ist der Holländer bei der UBS, ist als Schatten-CEO schon mal bei wichtigen Meetings mit dabei. Zum Beispiel, wenn der scheidende CEO Ermotti den einen oder anderen wichtigen Kunden trifft.
Ab November im Rampenlicht
Das Geschäft mit den Superreichen ist bis jetzt eher weniger Hamers' Ding. Er kommt aus dem Massengeschäft, gilt als grosser Digitalisierer. Hat aus der Grossbank ING eine Techfirma mit angehängtem Bankgeschäft gemacht.
Allerdings: Ob sich auch die Superreichen einfach über einen Algorithmus bedienen lassen, darf bezweifelt werden. Immerhin: Es gibt auch eine ganz Menge Reicher, die gerne schnell, günstig und effizient ihre Bankgeschäfte erledigen.
Nun also tritt Hamers aus dem Schatten ins Rampenlicht, steht ab dem 1. November bei der UBS als Konzernchef auf der Kommandobrücke. In den ersten paar Wochen in der Schweiz tat Hamers das, was er gemäss vielen, die ihn näher kennen, besonders gut kann: zuhören. Um dann die richtigen Fragen zu stellen. Solche, die wehtun können, solche, die gleich zu Beginn seiner Amtszeit die Dinge am neuen Arbeitsort hinterfragen.
Emotionaler Abschied
Fragen wie: Wieso leistet sich die UBS ein viel dichteres Filialnetz als die Konkurrentin Credit Suisse? Oder: Wieso sind die Kosten bei der UBS höher als bei seiner alten Arbeitgeberin ING? Oder: Wieso ist die UBS immer noch als schwerfällige hierarchische Pyramide organisiert?
Auf die Fragen müssen bald Antworten folgen, Entscheide gefällt werden. Die Schonfrist wird schnell vorbei sein. Für den neuen CEO genauso wie für die Mitarbeiter. Hamers ist ein Teamplayer, der Macht und Verantwortung delegieren kann. Gleichzeitig stellt er hohe Ansprüche: an sich selbst sowieso, aber auch an andere.
Das kann auch mal in Überforderung enden: In einem sehr emotionalen Abschiedsvideo erinnert der ehemalige Chef von ING in Belgien Hamers an eine strapaziöse Flandern-Rundfahrt, die den künftigen UBS-Chef «mehr tot als lebendig» zurückliess. Hamers lacht – und bekommt wenig später feuchte Augen, als auch seine Frau Patricia ins Studio kommt. Die beiden haben sich in der Bank kennengelernt. Sie wird ihren Mann in die Schweiz begleiten. Die 20-jährigen Zwillinge wohl kaum: Die Tochter studiert in Amsterdam, der Sohn in den USA.
Hamers kann Deutsch – und CEO
Unter dem Niederländer wird es in der steifen UBS bald etwas lockerer zu- und hergehen. Zwar trug Hamers bei seiner Vorstellung im Februar als neuer Chef einer Schweizer Grossbank standesgemäss eine Krawatte. Doch gilt er auch als Turnschuhbanker, setzt auf offenen Hemdkragen und Einstecktuch als modisches Accessoire.
Der neue UBS-Chef habe sich gut eingelebt, heisst es aus der Bank. An den traditionellen Strategietagen im bankeigenen Tagungszentrum Wolfsberg hat er sich auf Deutsch mit seiner Führungscrew ausgetauscht. Hamers ist im Süden der Niederlande nahe der Grenze zu Deutschland aufgewachsen.
Wer daran zweifelt, ob Hamers zum UBS-Chef taugt, dem wird schon mal ein energisches «Ralph kann CEO» entgegengeschleudert. Vielmehr geht es ihm jetzt darum, die zwei Monate als Schatten-CEO zu nutzen, um die UBS kennenzulernen.
Virtuose des Handy-Videos
Dazu hat sich Hamers auf eine Tour de Suisse begeben, Filialen in den Regionen besucht, das Gespräch mit den Mitarbeitenden gesucht. Er wolle ein «CEO zum Anfassen» sein. Das ist in Zeiten von Corona nicht immer ganz einfach.
Zumal sich der Kalender immer mehr füllt, wichtige Kunden wollen einen Termin, wollen wissen, wie es mit der Bank weitergeht. Der neue UBS-Chef ist ein Virtuose des Handy-Videos. Mit «Hi, this is Ralph» wird er sich ab November an die 70'000 Mitarbeitenden und die Kunden der UBS wenden.