Der Anblick ist ungeheuer: hoch über dem kleinen Dorf Sins im Kanton Aargau stehen zehn Eigenheime – allesamt Neubauten – seit zwei Jahren leer. Der Bau wurde im Spätsommer 2021 abgeschlossen. Baumängel lagen keine vor. Alles Perfekt! Oder doch nicht?
Schon auf den ersten Blick wird klar: Etwas stimmt hier nicht. Keine Autos auf den Parkplätzen, keine Möbel auf den Terrassen. Nichts, das auf Leben hinweisen würde. Keine Anwohner, die die Sicht auf die Berge und die grünen Felder rundherum geniessen können. Dafür umso mehr Unkraut. Die Vorgärten sind verwachsen. Hier war noch nie ein Gärtner, das ist offensichtlich. Es ist eine regelrechte Geistersiedlung, wie die Bilder von Blick zeigen.
Der Bauherr ist untergetaucht
Warum stehen die Neubauten der Überbauung Tschampani leer?
Dieser Frage gehen sowohl die «Aargauer Zeitung» (AZ) als auch die Gemeinde Sins seit einiger Zeit nach. Viel konnten sie bisher nicht herausfinden.
Denn der Bauherr, dessen Name Blick bekannt ist, ist untergetaucht. Weder Blick noch die Regionalzeitung konnten ihn erreichen. Seit der Fertigstellung der Neubauten fehlt vom Bauherr mit Sitz in Zug jede Spur, wie Blick weiss. Telefonate und Mails laufen ins Leere. Dorfbewohner spekulieren, er habe kein Interesse daran, die Häuser zu verkaufen.
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So falsch können sie damit nicht liegen. Denn keins der Eigenheime wurde je zum Kauf ausgeschrieben. Auch eine Verkaufstafel direkt bei der Siedlung hat der Bauherr nie aufgestellt.
Keine Verkaufstafel, keine Inserate
Das Vorgehen ist aussergewöhnlich. In Normalfall schreiben Bauherren ihre Objekte schon aus, bevor der Bau losgeht. Nicht selten sind bei solchen Überbauungen bereits einige Häuser verkauft, bevor sie gebaut werden. Das hat den Vorteil, dass die Eigentümer beim Innenausbau – etwa bei Bodenbelägen oder Küchenausbau – mitreden können.
Doch davon wollte der Bauherr gleich von Beginn nichts wissen, wie Insider sagen. Blick konnte mit mehreren Beteiligten des Baus sprechen. Alle sind sich einig: Dass die Neubauten nun seit zwei Jahren leer stehen, ist eine Schande.
Gemeinde ist machtlos
«Wir finden es sehr schade, dass die Häuser bisher nicht verkauft wurden», sagt Uschi Ulrich, Leiterin Bau und Planung der Gemeinde Sins. An Interessenten mangelt es laut Ulrich nicht: «Wir erhalten immer wieder Anfragen für die Neubauten», sagt sie zu Blick.
Ulrich sähe es gerne, dass endlich Leben in die Überbauung einziehen würde. Die Eigenheime eignen sich gut für Familien. Wohnraum, der im ausgetrockneten Schweiz Eigenheimmarkt dringend gebraucht wird.
Gerüchte im Dorf
Ein Anwohner will laut der «AZ» gehört haben, dass die Überbauung als Gesamtpaket verkauft werden soll. Laut Gerüchten soll der Kaufpreis für alle zehn Häuser bei 18 Millionen Franken liegen.
Gebaut wurde die Siedlung im Januar 2020. Gekostet hat der Auftrag 14,75 Millionen Franken, wie auf der Website der Bauleitung steht.
Gefahr: gefrorene Wasserleitungen
Sind die Häuser überhaupt noch bewohnbar? Damit die Wasserleitungen nicht einfrieren, wäre es gut, wenn die Häuser beheizt werden. Ansonsten gebe es laut Architekt Patrick Hagenbuch aber keine Bedenken. Wichtig sei einfach, dass die Häuser mängelfrei erstellt wurden. Ein Problem wäre es beispielsweise, wenn Wasser eindringe.
Blick berichtete in den vergangenen Jahren immer wieder über Geistersiedlungen. Seit März 2023 steht in den ehemaligen Geistersiedlungen der Kantone Aargau und Bern aber kaum eine Wohnung mehr leer.
Der Grund ist einfach: die Wohnungsnot. Immer mehr sind deshalb bereit, aufs Land zu ziehen. Nach gähnender Leere gibt es jetzt vollbesetzte Parkplätze und Kinderstimmen hallen durch die Betonblöcke. Das Beispiel aus Sins zeigt nun aber, dass das nicht für alle Geistersiedlungen zählt.