Putins Armee mit Grossoffensive auf Sjewjerodonezk – letzte Schweizer Firma im Donbass mittendrin
Baselbieter Clariant weiss nicht mal, ob ihre Fabrik noch steht

130 Schweizer Unternehmen waren vor dem Krieg in der Ukraine tätig. Clariant war die letzte Schweizer Firma, die nach der Annexion der Krim 2014 im Donbass blieb. Jetzt läuft gerade eine Grossoffensive auf Sjewjerodonezk – mittendrin das Werk der Basler.
Publiziert: 31.05.2022 um 00:59 Uhr
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Grosse Zerstörung bei der ukrainischen Stadt Sjewjerodonezk.
Foto: keystone-sda.ch
Nicola Imfeld

Russland kontrolliert grosse Teile der Ostukraine. Jetzt konzentrieren sich die Kämpfe auf Sjewjerodonezk. Die Grossstadt gilt als letzter Punkt auf der Landkarte, den das ukrainische Militär in der Region Luhansk noch kontrolliert.

«90 Prozent der Häuser sind beschädigt. Mehr als zwei Drittel des Wohnbestands der Stadt sind komplett zerstört», sagte Wolodimir Selenski (44) in einer Videobotschaft am Sonntagabend. Ständig werde die Stadt angegriffen. Moskau wolle seine Fahne auf dem Verwaltungsgebäude von Sjewjerodonezk hissen, das am dortigen Boulevard der Völkerfreundschaft stehe. «Wie bitter dieser Name jetzt klingt.»

Mittendrin im Schlachtfeld ist die Basler Clariant. Sie ist die letzte Schweizer Firma, die im umkämpften Donbass-Gebiet – auch nach der Eskalation 2014 und der Annexion der Krim – ihre Fabrik weiter betrieb.

Zwei Tage vor der russischen Invasion schloss der Konzern mit Sitz in Muttenz BL vorausschauend das Werk. Rund 150 Mitarbeitende wurden nach Hause geschickt. Clariant betreibt in Sjewjerodonezk seit Jahren einen Produktionsstandort für Katalysatoren. Das Gelände ist Teil eines grossen Industrieparks.

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«Keine Informationen über exakten Zustand der Anlage»

Der Standort in Sjewjerodonezk sei weiterhin geschlossen, teilt Clariant auf Blick-Anfrage mit. «Derzeit lässt sich noch keine Aussage treffen, ob die Produktion vor Ort wieder aufgenommen werden kann. Dies hängt von den weiteren Entwicklungen ab.»

Ob das Werk aber überhaupt noch steht, weiss der weltweit führender Hersteller für Fein- und Spezialitätenchemikalien nicht. «Da Clariant ihre Anlage in Sjewjerodonezk bereits am 22. Februar heruntergefahren hat und die Mitarbeitenden zu ihrer Sicherheit den Standort verlassen haben, liegen uns derzeit keine Informationen über den exakten Zustand der Anlage vor», heisst es aus Basel.

Wenn die Angaben Selenskis stimmen, dass «90 Prozent der Häuser» beschädigt oder zerstört worden sind, dann dürfte es für Clariant schlecht aussehen. Immerhin: Obwohl man keine Ahnung hat, wie es um das Werk in der Ostukraine steht, ist man mit den Mitarbeitenden in Kontakt. «Clariant unterstützt die Mitarbeitenden, wo es geht. Die meisten haben den Osten des Landes verlassen.»

Einige Mitarbeitende können weiterarbeiten

Nicht alle Clariant-Angestellten aus der Ukraine können derzeit ihren Job ausüben. Teilweise sei dies aber möglich, sagt Clariant-Sprecherin Anne Maier: «Sofern die Aufgaben ortsunabhängig erfüllt werden können und es der Aufenthaltsort erlaubt, gehen die ukrainischen Mitarbeitenden ihrer Arbeit nach.»

Die Angestellten und Clariant stehen vor einer ungewissen Zukunft. Militärexperten gehen davon aus, dass Sjewjerodonezk und damit ganz Luhansk bald in die Hände Putins fallen dürften. Ob unter diesen Umständen dereinst überhaupt über eine Wiederaufnahme des Werks diskutiert werden kann, ist fraglich.

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