Jährlich grüsst die Prämienerhöhung bei der Krankenkasse. Am Dienstag hat der Bundesrat ein Plus von durchschnittlich 6,6 Prozent bekannt gegeben. Überraschend kam die Ankündigung nicht, steigen die Kosten im Gesundheitswesen doch seit Jahren. Es gibt diverse politische Vorstösse, die Kosten zu senken und die Auswirkungen auf die Haushalte abzufedern. Etwa indem die Prämienverbilligung ausgebaut wird. Doch das ist reine Symptombekämpfung.
Der Kostenanstieg im Gesundheitswesen wäre allerdings vermeidbar, so Experten. Und das, obwohl wir immer älter werden! Ein Mensch verursacht im letzten Lebensjahr zwar die höchsten Gesundheitskosten. Aber nur weil wir älter werden, sind wir nicht automatisch länger chronisch krank und liegen damit dem Gesundheitswesen auf der Tasche. Vielmehr setzen die Krankheiten einfach später ein, darauf deuten Studien hin.
Blick zeigt, wie Kostenersparnisse im Gesundheitswesen möglich wären.
1. Prävention
«Wenn die Leute sich mehr bewegen, gesünder essen und weniger rauchen, verursachen sie auch weniger Gesundheitskosten», sagt Beatrix Eugster (39), Wirtschaftsprofessorin an der HSG, Gesundheitsökonomin und im Vorstand der Swiss Society of Health Economics (SGGÖ).
2. Zum Hausarzt statt ins Spital
Wer mit einem Husten in die Notaufnahme rennt, kommt das Gesundheitswesen teuer zu stehen. Immer mehr Spitäler holen sich Hausärzte ins Boot, um Bagatellfälle abzuhandeln. Noch besser wäre es, die Leute würden gar nicht erst ins Krankenhaus kommen. Die Instrumente dafür gibt es schon: Wer bei der Krankenkasse das Hausarzt- oder Telemedizin-Modell wählt, muss weniger Prämien bezahlen – erhält aber auch nur Leistungen zurückerstattet, bei denen er sich zuerst an Hausarzt oder Telemedizin gewendet hat.
3. Kostentransparenz soll Patienten hemmen
Untersuchungen zeigen, dass Patienten mehr Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen, wenn diese von der Krankenkasse getragen werden. Eugster fordert eine grössere Transparenz: «Die Leute sollen wissen, wie viele Kosten sie verursachen.» Dabei hilft auch, wenn die Patienten einen Teil der Kosten selber tragen müssen – was heute bereits über Franchise und Selbstbehalt gewährleistet ist.
4. Fixlöhne für Ärzte und elektronisches Patientendossier
Laut einer Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) ist fast ein Fünftel der Kosten im Gesundheitswesen auf ineffiziente Leistungen zurückzuführen. Etwa für unnötige Diagnostik. «Studien zeigen: Wenn ein Arzt sich einmal ein MRI-Gerät angeschafft hat, brauchen plötzlich mehr seiner Patienten einen MRI-Scan», kritisiert Eugster. Das Problem: Der Arzt verdient an jedem MRI-Scan. Ähnlich auch bei Kaiserschnitten, die einträglicher sind als natürliche Geburten. «Das könnte man ändern, indem Ärzte einen Fixlohn erhalten statt pro Behandlung und Leistung abgegolten werden», regt Eugster an. In grösseren Praxisverbänden ist das teils heute schon der Fall – und zeige Wirkung, so die Expertin.
Kommt hinzu, dass viele Leistungen doppelt erbracht werden: Der Patient wird beim Hausarzt geröntgt, wenige Wochen später erneut beim Spezialisten. «Das elektronische Patientendossier würde Abhilfe schaffen», so Eugster. Doch die Schweiz knorzt seit 15 Jahren an der Einführung herum. Bis heute ist sie nicht abgeschlossen.
5. Medikamente: Ärzte vs. Apotheken
Je nach Kanton und Gemeinde dürfen Arztpraxen in der Schweiz selber Medikamente verkaufen – oder müssen die Patienten dafür an die Apotheke verweisen. «Wenn die Ärzte Medikamente herausgeben, verdienen sie mit und verschreiben tendenziell mehr», sagt Beatrix Eugster. Ärzte würden auch häufiger Originalpräparate herausgeben statt günstigere Generika.
6. Spitalstandorte überprüfen
«Ein Spital muss eine kritische Grösse erreichen, um effizient betrieben werden zu können», sagt Eugster. Spitalschliessungen fordert sie allerdings nicht – weil es vordergründig ein politischer Entscheid ist, wie viele Spitäler sich ein Kanton leistet. Neben den Kosten spielt auch der Komfort für die Bevölkerung sowie der Erhalt von Arbeitsplätzen eine Rolle.