Polizei und Justiz pfuschen in der Affäre Khan
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CS-Beschattungsskandal:Polizei und Justiz pfuschen in der Affäre Khan

Pleiten, Pech und Pannen im CS-Beschattungsskandal
Polizei und Justiz pfuschen in der Affäre Khan

Unveröffentlichte Gerichtsurteile zeigen: Polizisten beschlagnahmten illegal Mobiltelefone, Richter hörten Privatdetektive nicht an. Nun droht eine Untersuchung wegen Amtsmissbrauch.
Publiziert: 12.07.2020 um 00:51 Uhr
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Aktualisiert: 02.09.2020 um 08:11 Uhr
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Vergangenen Herbst erschütterte die Beschattungsaffäre den Zürcher Paradeplatz, das Herz des Finanzplatz Schweiz.
Foto: Keystone
Thomas Schlittler

Dienstag, 17. September 2019: Iqbal Khan (44) bemerkt, dass er beschattet wird. Der Credit-Suisse-Banker, der Tage zuvor seinen Wechsel zur Konkurrentin UBS bekanntgegeben hat, gerät in Angst. Mitten in der Zürcher Innenstadt stellt er Privatdetektiv D.* (55) zur Rede, macht Fotos vom Auto des Verfolgers und erstattet – nach einem Essen im Edelrestaurant Storchen – Strafanzeige gegen unbekannt wegen «schwerer Drohung» und «Nötigung».

Die Kantonspolizei lässt wegen der Anzeige alles stehen und liegen: Tags darauf, um 6Uhr morgens, werden der Beschatter Khans und die beiden Inhaber der Privatdetektei an ihren Wohnorten abgeführt – von ­jeweils drei bis vier Beamten. Alle Verdächtigen müssen eine DNA-Probe abgeben, zeitweise sogar Handschellen tragen. Bei der Festnahme nehmen die ­Polizisten zudem die Handys der Privatdetektive mit – ohne jeden Durchsuchungsbefehl.

Das hat Folgen, wie Recherchen von SonntagsBlick zeigen: Mitte Februar verfügte das Bezirksgericht Meilen, dass das Handy von Privatdetektiv D. nicht ausgewertet werden darf. Der Grund: Es sei von der Polizei «rechtswidrig erlangt» worden. Dieses Urteil ist rechtskräftig.

Telefone und Computer noch versiegelt

Offen hingegen bleibt, was mit den beschlagnahmten Telefonen der Detektei-Inhaber S.* (47) und C.* (44) geschieht. Auch die Computer von Mittelsmann T.* (†52), der sich nach Auffliegen des Skandals das Leben nahm, sind noch versiegelt.

Das Zürcher Zwangsmassnahmengericht wollte der zuständigen Staats­anwältin den Zugriff auf diese Ge­räte zwar erlauben, das Bundesgericht hob diesen Entscheid ­jedoch am 27. Mai auf. Begründung: Das Zwangsmassnahmengericht habe die beschuldigten Privatdetektive nicht angemessen angehört und deren «Recht auf Replik» verletzt. Das Gericht muss den Fall neu auf­rollen.

Doch damit nicht genug: Sechs Zürcher Kantonspolizisten droht gar eine Untersuchung wegen Sachentziehung und Amtsmissbrauch. Im Dezember 2019 hatten die Privatdetektive D. und C. eine entsprechende Strafanzeige eingereicht. Zwar lehnte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ab, da «kein deliktsrelevanter Verdacht» vorliege.

Das Obergericht des Kantons Zürich sah das jedoch anders. In einem Beschluss vom 30.Juni 2020 hält die oberste kantonale Instanz fest: «Der Staatsanwaltschaft wird die Ermächtigung zur Strafverfolgung (...) betreffend Amtsmissbrauch/Sachentziehung erteilt.» Die Sach- und Rechtslage sei nicht von vornherein klar, so die Begründung.

Beschwerde noch möglich

Das letzte Wort in dieser Sache ist noch nicht gesprochen: Die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat kann bis Ende Juli beim Bundesgericht Beschwerde gegen den Entscheid einreichen.

Doch nicht nur die Kantonspolizei agiert in der Affäre Khan aussergewöhnlich umtriebig. Auch die zuständige Staats­anwältin ist auffällig aktiv. Sie setzt wirklich alles daran, Einblick in die versiegelten Daten zu erhalten.

Um ihre Chancen zu erhöhen, ging sie sogar so weit, den Anwalt von Khan zu ermuntern, den Strafantrag gegen die Privat­detektive auf die Antragsdelikte «Abhören und Aufnehmen fremder Gespräche», «Unbefugtes Aufnehmen von Gesprächen» ­sowie «Verletzung des Geheim- oder Privat­bereichs durch Aufnahmegeräte» auszuweiten. Ursprünglich hatte der Topbanker nur wegen «schwerer Drohung» und «Nötigung» geklagt.

Strafantrag gestellt

Khans Anwalt kam der Bitte der Staatsanwältin gerne nach. Am 30. September 2019 schrieb er ihr in einem Brief: «Wie Sie bereits früher schon erwähnt haben, stellt sich die Frage, ob einer der Tatbestände (...) von den ­Beschuldigten erfüllt worden ist. (...) Hiermit stelle ich namens von Herrn Khan und Frau Khan bezüglich dieser Delikte Straf­antrag.»

Mit der Ausweitung des Strafantrags erhofft sich die Staats­anwältin offenbar bessere Chancen auf eine Entsiegelung der ­beschlagnahmten Computer, Laptops und Mobiltelefone.

Die Frage ist aber: Was soll das bringen? Wie die Beschattung ­abgelaufen ist und dass sie – über den Mittelsmann T. – von Credit Suisse in Auftrag gegeben wurde, ist längst klar. Unklar bleibt nur, wer in der Bank von der ­Beschattung wusste: Waren­ ­tatsächlich nur Ex-Sicherheitschef Remo Boccali (49) und Ex-Chief-Operting-Officer Pierre-Olivier Bouée (48) involviert? Oder gibt es vielleicht Belege, dass der ehemalige CEO Tidjane Thiam (57) ent­gegen offizieller Credit-Suisse-Statements doch davon wusste?

Noch andere Aufgaben?

Eine Entsiegelung sämtlicher Geräte würde zudem sogenannte Zufallsfunde ermöglichen. T. arbeitete jahrelang unter Ein­haltung höchster Diskretion für die CS. Welche Aufgaben hat er sonst noch übernommen? Wurde immer im legalen Bereich operiert?

Wenn die Staatsanwältin Hinweise finden würde, dass dem nicht so war, könnte sie ihre Ermittlungen ausweiten. Dann würde plötzlich die Credit Suisse wieder in den Fokus rücken – jene Bank, die den Skandal durch die Überwachung ihres ehemaligen Mitarbeiters Iqbal Khan ausgelöst hat.

*Namen der Redaktion bekannt

Die wichtigsten Ereignisse in der CS-Beschattungsaffäre

29. August 2019: Es wird bekannt, dass Khan zur UBS wechseln wird. Gemäss Bericht der Kanzlei Homburger gab Pierre-Olivier Bouée, operativer Leiter bei der CS, seinem Sicherheitschef am gleichen Tag den Auftrag, Khan zu überwachen.

4. September 2019: Die Beschattung Khans beginnt. Er wird an seinem Wohnort in Herrliberg ZH von Privatdetektiven überwacht. Die CS wollte damit angeblich verhindern, dass Khan Mitarbeitende oder Kunden der CS abwirbt.

17. September 2019: Khan bemerkt, dass er verfolgt wird. An der Ecke Fraumünster- und Börsenstrasse in Zürich fliegen die von der CS angeheuerten Privatdetektive auf. Khan reicht Strafanzeige ein.

20. September 2019: Der Blog «Inside Paradeplatz» macht die Beschattung Khans und die Verhaftung der Detektive publik. Danach werden immer mehr Details bekannt. Die zentrale Frage ist: Wusste Tidjane Thiam von der Beschattung?

24. September 2019: Der Sicherheitsmann, der zwischen CS und Detektei vermittelte, nimmt sich das Leben. Sein Name soll via CS an einen Journalisten gelangt sein.

1. Oktober 2019: CS-Präsident Rohner gibt Ergebnisse einer Untersuchung bekannt: Beschattung sei ein Einzelfall gewesen, CEO Thiam habe nichts gewusst – Sicherheitschef und operativer Leiter müssen gehen.

17. Dezember 2019: Die «Neue Zürcher Zeitung» macht publik, dass die Beschattung Khans doch kein Einzelfall war. Die Zeitung präsentiert Beweise, dass im Februar bereits Peter Goerke, oberster CS-Personalchef, beschattet worden war.

29. August 2019: Es wird bekannt, dass Khan zur UBS wechseln wird. Gemäss Bericht der Kanzlei Homburger gab Pierre-Olivier Bouée, operativer Leiter bei der CS, seinem Sicherheitschef am gleichen Tag den Auftrag, Khan zu überwachen.

4. September 2019: Die Beschattung Khans beginnt. Er wird an seinem Wohnort in Herrliberg ZH von Privatdetektiven überwacht. Die CS wollte damit angeblich verhindern, dass Khan Mitarbeitende oder Kunden der CS abwirbt.

17. September 2019: Khan bemerkt, dass er verfolgt wird. An der Ecke Fraumünster- und Börsenstrasse in Zürich fliegen die von der CS angeheuerten Privatdetektive auf. Khan reicht Strafanzeige ein.

20. September 2019: Der Blog «Inside Paradeplatz» macht die Beschattung Khans und die Verhaftung der Detektive publik. Danach werden immer mehr Details bekannt. Die zentrale Frage ist: Wusste Tidjane Thiam von der Beschattung?

24. September 2019: Der Sicherheitsmann, der zwischen CS und Detektei vermittelte, nimmt sich das Leben. Sein Name soll via CS an einen Journalisten gelangt sein.

1. Oktober 2019: CS-Präsident Rohner gibt Ergebnisse einer Untersuchung bekannt: Beschattung sei ein Einzelfall gewesen, CEO Thiam habe nichts gewusst – Sicherheitschef und operativer Leiter müssen gehen.

17. Dezember 2019: Die «Neue Zürcher Zeitung» macht publik, dass die Beschattung Khans doch kein Einzelfall war. Die Zeitung präsentiert Beweise, dass im Februar bereits Peter Goerke, oberster CS-Personalchef, beschattet worden war.

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