Ovo greift für Freeski-Star Andri Ragettli tief in die Tasche
Darum wollen Schweizer Firmen auf Tiktok viral gehen

Die Videoplattform Tiktok hat die Konkurrenz abgehängt: Eine Milliarde Nutzer sind jeden Monat auf der App aktiv. Auch Schweizer Firmen investieren vermehrt in den Tiktok-Auftritt.
Publiziert: 02.04.2022 um 18:16 Uhr
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Namhafte Schweizer Firmen investieren immer mehr in ihren Tiktok-Auftritt.
Foto: AFP
Kilian Marti

Der Tiktok-Zug ist durch die Welt gerast und hat auch in der Schweiz Halt gemacht. Zwischen 1,5 und 2 Millionen Nutzer sind landesweit jeden Monat auf der Videoplattform aktiv, wie Blick von einem Tiktok-Schweiz-Insider erfahren hat. Weltweit nutzen gar 1 Milliarde Menschen die App monatlich.

Explodiert sind seit der Pandemie vor allem die Nutzerzahlen, aber auch die Firmenprofile nehmen seit kurzem stark zu. Im Februar fanden knapp 100 neue Schweizer Firmen ihren Weg auf Tiktok, wie eine Auswertung der Digital-Marketingagentur Mike Schwede zeigt. Sie wollen sich die junge, potenzielle Kundschaft, die sie auf der Video-Clip-Plattform erreichen können, nicht durch die Lappen gehen lassen.

Doch wer davon profitieren will, sollte sich beeilen. «Das Fenster geht bald zu. Irgendwann haben die Nutzer ihre Lieblingskanäle gefunden. Dann wird es schwierig zu wachsen», sagt Mike Schwede (44), Inhaber der gleichnamigen Marketingagentur.

Populäre Videos nachahmen

Als eine der ersten Firmen in der Schweiz hat die Swisscom bereits im April 2020 mit Tiktok angefangen. Für den Telekom-Anbieter ist die Videoplattform «unumgänglich» für die junge Zielgruppe, sagt Sprecherin Annina Merk.

Bei der Umsetzung darf der Swisscom-Nachwuchs gleich mithelfen. «Zum Team gehören Lernende, die Trends aufspüren, Ideen vorschlagen und Videos produzieren», wie die Swisscom-Sprecherin sagt. Die Strategie ist einfach: Bereits populäre Videos nachzuahmen und auf die Community zu reagieren.

Ähnlich macht es die Migros. Mit «unterhaltsamen Beiträgen, die nicht nach Werbung aussehen», hat der Detailhändler schon Dutzende Millionen Video-Ansichten erzielt. Sprecherin Cristina Maurer sagt: «Mit Tiktok hoffen wir, neue Migros-Kinder zu schaffen.» Sollten die Videos weiterhin so gut ankommen, werde man einen Ausbau der Tiktok-Präsenz prüfen.

Erster Vollzeit-Tiktoker

Viel weiter geht die Kleidermarke Nikin. Als erstes Schweizer Unternehmen hat sie einen Vollzeit-Tiktoker eingestellt. «Alleine mit diesen Videos konnten wir über 1,4 Millionen Likes generieren und 62'300 Follower aufbauen. Auf keinem anderen Social Media-Kanal sind wir bisher so schnell gewachsen wie auf Tiktok», sagt Nikin-Sprecherin Nora Willi.

Zurückhaltender engagiert sich Ovomaltine. Der beliebte Markenhersteller befinde sich in einer Test-Phase, wie Ovo-Sprecherin Michèle Ernst erklärt. Einer der beliebtesten Beiträge bisher war ein Video mit Freeski-Star Andri Ragettli (23). Dafür hat Ovomaltine tief in die Tasche gegriffen: Für den Beitrag wurde die «Top-View» Option gebucht.

«Virales Potenzial ist riesig»

Mit «Top-View» sieht jeder Tiktok-Nutzer, der an diesem Tag die App öffnet, exklusiv das Video von Ovomaltine. Kostenpunkt: über 15’000 Franken – zuzüglich der Gage für Andri Ragettli und dem Honorar der Marketingagentur. Gelohnt hat sich die Investition aber. Laut der Marketingagentur Jung von Matt, welche mit Ovomaltine den Clip umgesetzt hat, wurden bis zu 2 Millionen Video-Ansichten generiert.

Auf keiner anderen Plattform kann man so viele Menschen so leicht erreichen. «Das virale Potenzial von Tiktok ist riesig», sagt Johanna Gollnhofer (34), Professorin für Marketing an der Universität St. Gallen (HSG).

Im Vergleich zu Facebook oder Youtube könnten auch unbekannte Marken eine viel grössere Reichweite aufbauen. «Tiktok ist interessant für Produkteinführungen, sich als attraktiver Arbeitgeber darzustellen und um generell die junge Zielgruppe zu erreichen», sagt Gollnhofer.

«Kein Weg führt an Tiktok vorbei»

Genau um die Aufmerksamkeit dieser Kunden buhlen die Firmen schweizweit. Unterdessen ist Tiktok dabei, die Werbewelt zu verändern. Aus diesem Grund wird das Thema bereits an der Universität St. Gallen behandelt. Professorin Gollnhofer sagt: «Neben Grundlagen gehen wir auch auf die neuesten Entwicklungen wie Tiktok ein.» Mithilfe von Fallbeispielen lernen man die Studierenden mehr über das Thema.

Denn auch die HSG nimmt wahr, dass immer mehr Unternehmen ihren Weg auf Tiktok finden. Die Marketingexpertin ist überzeugt: «Wenn die definierte Zielgruppe eines Unternehmens auf Tiktok ist, dann führt wohl kein Weg daran vorbei».

Auf der Videoplattform sind bereits rund ein Fünftel aller Schweizer aktiv – jedoch nur etwas über 200 Firmen. Die meisten Schweizer Unternehmen werden den fahrenden Tiktok-Zug verpassen, wenn sie noch länger am Bahnhof warten.

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