Olga Feldmeier ist zurück. Nicht in einem grauen Meeting-Room in der Schweizer Provinz, sondern auf der grossen Bühne. Und zwar im Floating Island Convention Center, einem Glaspalast am Han River im Herzen von Seoul. Dort vereinigt sie am AI Crypto Summit 2024 Anfang September zwei Trendthemen – Artificial Intelligence und Bitcoin.
Feldmeier ist nicht nur Organisatorin des Anlasses, sondern agiert auch als Master of Ceremony und führt durchs zweitägige Programm. Das Line-up ist beeindruckend, es beinhaltet über 150 Speaker, darunter die Gründer von Kryptowährungen wie Ethereum, Cardano oder Ledger. Gegen 4000 Gäste hofft Feldmeier am Kryptotreff im Kryptoland Südkorea begrüssen zu dürfen; die Tickets kosten zwischen 299 und 2700 Dollar.
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Es ist Feldmeiers erster Auftritt seit einem halben Jahr. Vorher, da stand sie wöchentlich vor Publikum und hatte fast täglich Medienleute am Draht. Wenn immer der Kurs von Bitcoin oder Ethereum nervös zuckte, war «Olga», wie sie alle nennen, gefragt. Und sie wusste Rat, dank Fachwissen, Eloquenz und Charme.
Seit zehn Jahren war sie ein Aushängeschild einer jungen Branche, die aufs Durchstarten bei der Bankkundschaft hofft. Einer der jährlichen Mutmacher waren die von ihr ins Leben gerufenen Crypto Summits in Zürich, Zug und Davos. Olga, das war wie Krypto – volatil zwar, aber gut gelaunt.
«Olga von der Wolga»
Ein Treffen mit Olga Feldmeier, vor ihrer Abreise nach Südkorea. Sie hat Verspätung, ein Verkehrsstau zwischen München und Zug hat sie schon frühmorgens gebremst. Nun flitzt sie im Audi 6 in die Tiefgarage und stürmt Sekunden später an den Tisch, im wehenden Sommerkleid, rote Blume im Haar, Dolce-&-Gabbana-Schmuck und Gucci-Tasche. Sie redet sich ins Feuer, die Tomatensuppe lässt sie stehen. Sie hat viel zu erzählen und viel zu lachen.
Nichts deutet darauf hin, dass die «Crypto Queen», wie sie das US-Magazin «Forbes» 2018 nannte, eher bittersüsse Monate hinter sich hat. Besonders schlimm war es diesen Februar, als der Aktienkurs ihrer Kryptobörse Smart Valor ins Bodenlose stürzte und sie zur Dekotierung zwang.
Es war ein Abgang mit langer Ansage: Nach dem fulminanten Börsenstart Anfang 2022 hielt der Honeymoon bloss ein paar Tage, dann tauchte die Aktie steil südwärts – von 8 Dollar auf 10 Cents. Die Medien reagierten nach ihrem Börsenrückzug wenig zimperlich: «Das Scheitern der selbst ernannten Krypto-Queen» stand da. In den Finanzforen hiess es: «Olga von der Wolga – da muss man immer aufpassen.» Klar hätten sie die Schlagzeilen getroffen, sagt sie. Doch sie will ihre Zeit nicht mit Lügen oder Lamentieren verschwenden.
«From hero to zero»
Heute kann sie auch über die giftigsten Beleidigungen lachen. Nun habe sie immerhin erlebt, was die Angelsachsen unter dem Spruch «From hero to zero» verstehen. Aufgeben ist freilich keine Option, eher das Gegenteil. Sie ist erst recht entschlossen, Smart Valor, die erste regulierte Kryptofirma der Schweiz, doch noch in die Gänge zu bringen. «Während andere Startups längst verschwunden sind, haben wir drei Kryptowinter durchgestanden.» Das war wohl nur möglich, weil Feldmeier seit 2013 in Kryptowährungen investierte und ein Millionenvermögen erschuf.
Im Vordergrund stehen bei Smart Valor die Steigerung der Trades und des abgewickelten Volumens. Ein langer Weg, denn in den Krypto-Rankings läuft ihre Plattform in der Kategorie «No data available». Die Umsätze ziehen zwar an, die Kosten hat sie rigoros gekappt, das Personal auf 35 Köpfe ausgedünnt. Mittlerweile dürfte die Firma zumindest operativ profitabel sein. Mit neuen Features, neuen Angeboten und einer präziseren Ausrichtung auf Firmenkunden will sie punkten.
Mit Putzen von Hotelzimmern verdiente sie ihr erstes Geld
Mut macht, dass ihre Investoren trotz Rückschlägen an Bord geblieben sind. Feldmeier ist überzeugt: Wenn der Wert von Bitcoin über 80’000 Dollar steigen wird – aktuell steht er bei 50’000 Dollar –, wird die Handelstätigkeit wieder belebt und Smart Valor, an der sie immer noch zwei Drittel hält, abheben. Es gibt freilich in der Bitcoin-Welt auch andere Stimmen, die einen Restart der Firma für wenig realistisch halten.
So what! Als Tochter einer alleinerziehenden Pianistin wuchs sie in Iwano-Frankiwsk, einer Provinzstadt in der heutigen Westukraine, auf. Mit Putzen von Hotelzimmern und mit Modeln verdiente sie ihr erstes Geld. Als Jugendliche büffelte sie in der Freizeit Englisch und schrieb auf die Weltkarte über ihrem Pult in fetten Grossbuchstaben: «Through hardship to the stars.»
Später erkämpfte sich die Spitzenschülerin ein begehrtes Stipendium für ein Betriebswirtschaftsstudium in Deutschland. Nach dem Abschluss in München heuerte sie als Beraterin bei Boston Consulting an, leitete internationale Bankprojekte. Dann wechselte sie in die Finanzbranche, zuerst ins Investmentbanking bei Barclays, dann ins Wealth-Management bei der UBS. Bei beiden Banken gabs einen wenig eleganten Abgang, denn die ehemalige Beraterin war eine Spur zu direkt, ungeduldig – und sie foutierte sich um interne Machtverhältnisse und persönliche Empfindlichkeiten.
Bei Barclays und UBS geschasst
So kam es nicht besonders gut an, als sie für einen UBS-Regionenleiter kritische Qualifikationen für alle seine Mitarbeitenden abgab und daran festhielt, als sich das Personal über die wenig schmeichelhaften Noten empörte. Nach dem Rausschmiss bei der Grossbank bewarb sie sich – auf Empfehlung von Daniel Gutenberg, einem erfolgreichen Venture Capitalist – für einen Job bei der amerikanischen Kryptobank Xapo. Die suchten einen Statthalter in der Schweiz, Feldmeier packte zu und war bald die Xapo-Vertreterin in ganz Europa.
In jener Zeit gelang es ihr dank ihrem eisernen Willen, eine liberale Bitcoin-Regulierung anzustossen. Mit ihrem Verbündeten, dem FDP-Nationalrat Peter Noser, nervte sie mit Anträgen die Finma – bis schliesslich Finma-Chef Mark Branson realisierte, dass eine frühe Regulierung der Branche ein Wettbewerbsvorteil für die Schweiz wäre. Seither gab es für Feldmeier ein Credo, das sie tausendmal wiederholte: «Die Schweiz gehört zu den drei wichtigsten Krypto-Hubs der Welt.»
Eine steile Ansage zweifellos, die nicht bei allen Fintechies gut ankommt. Die setzen auf solide Jahrespläne, die sie einhalten möchten, nicht unbedingt auf Weltrekorde. «Ich weiss, ich habe viele Neider», sagt Feldmeier. Doch wenn sie sich ein Ziel setze, gelte für sie: «Ich gebe nie auf.» Mittlerweile ist die Branche gespalten; die einen bewundern ihr Draufgängertum in einer von Männern dominierten Branche, die anderen halten sie für ein Showtalent, die mit ihren gelegentlich halsbrecherischen Prognosen mehr schadet als nützt. Niemanden lässt Olga Feldmeier kühl. Aktuell nervt alte Weggefährten, dass sie nun auch noch auf den AI-Trend aufspringt. Sie nimmts mit einem Lächeln – und treibt ihre Pläne mit noch mehr Passion weiter.
Diverse Projekte am Start
Mittlerweile hat sie diverse Projekte in der Pipeline. Eines heisst Elonn.ai. Der Firmenname widerspiegelt ihrer Bewunderung für Tesla-Gründer Elon Musk. Und wie Musk greift Feldmeier stets nach den Sternen: Mit der Firma Elonn.ai will sie eine neue Ära im Digital Assetmanagement begründet. Dank künstlicher Intelligenz soll das Leben der User im Umgang mit digitalen Vermögenswerten vereinfacht werden, indem Risikomanagement, Kundenberaterinnen und Investmentmanager durch eine smarte AI-Software ersetzt werden. Die ehemalige Bankberaterin, die nun im Hightech für Action sorgt, ist in ihrem Element.
So sehr, dass sie schon fast aufatmet, wenn ihre beiden Kinder bei der Schwiegermutter in den Ferien sind. Dann kann sie – mit ihrem Mann – ungestört 13 Stunden pro Tag, 7 Tage die Woche durcharbeiten. Und wenn Olga die Bühne im Floating Island Conference Center in Seoul besteigt, werden es noch ein paar Stunden mehr sein.