Fabrice Zumbrunnen (52) hat die Messlatte extrem hoch gehängt. Die Fallhöhe für den Migros-Chef ist daher umso grösser. Steckt hinter der für heute angekündigten Lancierung der «grössten Produkte-Innovation der Firmengeschichte» tatsächlich ein neues Kaffeesystem? Es soll ohne Kapsel, dafür mit einer kompostierbaren Kaffeekugel auskommen. Dann muss die Erfindung wirklich bahnbrechend sein.
Denn kompostierbare Kaffeekapseln als Alternative zu Plastik oder Aluminium sind in den letzten Jahren zuhauf auf den Markt gekommen. Und sind teilweise auch wieder vom Markt verschwunden. Berühmtestes Beispiel: Die Genfer Firma Ethical Coffee Company, deren Chef Jean-Paul Gaillard (67) der Nestlé-Tochter den Marsch mit «Bio-Kapseln» für Nespresso-Maschinen blasen wollte – aber 2018 in Konkurs ging.
Zahlreiche Anbieter mischen mit
Auch Discounter wie Aldi und Lidl sind auf den Kapsel-Zug aufgesprungen und haben kompostierbare Eigenmarken für Nespresso-Maschinen ins Sortiment aufgenommen. Auf dem Markt mischen zudem zahlreiche Schweizer Anbieter mit. So verkaufen Ricklis Kaffeerösterei aus Uznach SG, Illycafé aus Thalwil ZH oder Caffè Ferrari aus Dietikon ZH eigene, kompostierbare Kapseln für Nespresso-Maschinen.
Die Schweizer Marke Beanarella aus Widnau SG verkauft gar eine eigene Kaffeemaschine mit Bio-Kapseln, die zu «100 Prozent biologisch abbaubar» sind.
Die Migros ist mit der Kaffee-Tochter Delica – diese ging mit Nespresso eine Recycling-Allianz für Alu-Kapseln ein – bereits vor Jahren selbst ins lukrative Kapselgeschäft eingestiegen. Auch für deren System Delizio verkaufen Anbieter wie die Kaffeerösterei Onesto ZH kompostierbare Kapsel-Varianten.
Zersetzung der Kapseln kann Monate dauern
Kompostierbare Kapseln stehen aber auch regelmässig in der Kritik. Sie sollen nicht ganz so abbaubar sein, wie deklariert, moniert beispielsweise das NGO Foodwatch. Im kleinen Heimkompost seien die Temperaturen zu gering, und die Zersetzung könne Monate und Jahre dauern.
Der Bioplastik, der beispielsweise auf Maisstärke basiert, kann aber auch in grossen Industrieanlagen zum Problem werden. So sind die Kapseln für Abfall verarbeitende Firmen nicht von herkömmlichen Kapseln unterscheidbar. In Zürich dürfen Produkte aus Bioplastik deswegen nicht in die Bioabfall-Container geworfen werden.