Hier ändern Preise jeden Tag
Nicht nur Skigebiete setzen auf dynamische Preise

Wer sein Skiticket am Schalter kauft, dem droht bei dynamischen Preisen ein Schreckmoment. Dass die Preise mit der Nachfrage oder dem Kaufzeitpunkt variieren, ist aber auch in anderen Branchen verbreitet. Eine Übersicht.
Publiziert: 24.01.2023 um 17:42 Uhr
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Aktualisiert: 25.01.2023 um 17:49 Uhr
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Immer mehr Skigebiete setzen auf dynamische Preismodelle.
Foto: Keystone

Familie B.* ist im Skigebiet Sörenberg LU Stammgast und erlebte am Sonntag ihr blaues Wunder. Die Bergbahnen haben am Wochenende dynamische Preise eingeführt. Die Familie zahlte deshalb deutlich mehr als im letzten Winter. «Das ist aus unserer Sicht eine absolute Frechheit!», sagte Hans B.* zu Blick.

Das Skigebiet Sörenberg ist mit der Einführung einem seit Jahren anhaltenden Trend in der Schweizer Bergbahnbranche gefolgt. Immer mehr Bahnen setzen auf variierende Preise, die sie anhand von mehreren Faktoren berechnen. In Sörenberg fliessen hierfür Daten aus der Vergangenheit, die Nachfrage für den besagten Tag, die kurzfristige Wetterprognose und der Kaufzeitpunkt mit ein. Je früher ein Gast bucht, desto günstiger ist der Skipass.

Auch andere Branchen kennen dynamische Preise, die auf dem mikroökonomischen Prinzip der Nachfrage und Angebot beruhen. Vereinfacht: Je grösser die Nachfrage, desto höher die Preise. Blick zeigt, in welchen Branchen dynamische Preise auch noch vorkommen.

Hotels

Wer übers Wochenende nach London fliegt und eine Unterkunft für Samstag auf Sonntag sucht, der bezahlt auf Onlineplattformen wie Booking.com mehr als an einem Montag. Auch an Feiertagen ist die Nachfrage nach einem Hotelzimmer grösser – dementsprechend teurer ist die Übernachtung. Einige Plattformen achten sogar darauf, ob ein Besucher die Website schon öfter besucht hat. Bei jedem Ansehen steigt der Preis leicht.

Gastronomie

Zwei Drinks zum Preis für einen: Was in Partydestinationen wie Mallorca (Spanien) üblich ist, gibt es auch in der Schweiz. Bars locken ihre Gäste mit einer Happy Hour früher an die Tische. Oder aber sie verkaufen die Getränke am Wochenende ab dem späten Abend teurer. Bei den Mahlzeiten setzen viele Gastronomen hingegen auf eine weniger offensichtliche Taktik. Über Mittag bieten sie verhältnismässig günstige Menüs an. Am Abend, wenn die Kunden bereit sind, mehr zu bezahlen, können die Gäste mancherorts nur noch teurere Mehrgänger bestellen. Dass dieselbe Mahlzeit am Freitag- oder Samstagabend, wenn die Nachfrage in vielen Lokalen am höchsten ist, mehr kostet, hat sich in der Schweizer Gastrobranche jedoch bis anhin nicht etabliert.

Airlines

Die Airlinebranche gehört zu den Vorreitern des dynamischen Preismodells. Je nach Zeitpunkt und Nachfrage ändern sich die Preise für Flüge. Wenn ein Flug von Zürich nach Miami (USA) wenige Tage vor dem Abflug kaum ausgelastet ist, winken plötzlich Schnäppchen. Werden Flüge aber bereits Monate vorher gut gebucht, steigen die Preise rapide an.

Detailhandel

Ein Steak oder ein Sack Rüebli kostet am Abend nur noch halb so viel? Im Detailhandel sind dynamische Preise noch wenig verbreitet. Die Firmen befürchten, dass es um die Akzeptanz bei den Kunden eher schwierig steht. Trotzdem gibt es bei den grossen Detailhändlern wie Migros oder Coop am Abend Rabatte, die Kunden anlocken, die auf Schnäppchenjagd sind. Oder aber der Kuchen geht vor dem Wochenende vergünstigt weg. Da denkt sich manch eine Kundin spontan, warum eigentlich nicht etwas Süsses für den sonntäglichen Kaffeekranz? Die Migros setzt zudem seit Jahren auf individuelle Rabattaktionen. So erhalten Besitzerinnen und Besitzer einer Cumulus-Punktekarte beispielsweise Vergünstigungen auf teurere Alternativen von Produkten, die sie gern kaufen.

Uber

Wer an Silvester eine Fahrt mit Uber bestellt, bezahlt für dieselbe Strecke das Drei- oder Vierfache. Fahrzeugdienstvermittler wie Uber nennen das Modell «Surge Pricing». Bedeutet: Die Preise werden je nach Situation und Nachfrage mit unterschiedlich hohen Faktoren multipliziert. Dieser wird den Kunden – anders als beispielsweise bei Hotel- oder Flugbuchungen – transparent angezeigt.

SBB

Bei dynamischen Preisen sind die SBB noch nicht angelangt. Egal ob zu Stosszeiten oder um 22 Uhr – der Fahrpreis von Basel nach Bern ist derselbe. Aber die SBB lassen Fahrgäste ab 9 Uhr günstiger fahren, wenn die Stosszeit der Pendler vorbei ist. Und sie kennen seit einigen Jahren sogenannte Sparbillette. Diese sind ab 60 Tagen vor der Reise verfügbar. Wer früh genug bucht, kommt in den Genuss einer Vergünstigung. Ist die Nachfrage an einem bestimmten Tag für eine Strecke besonders hoch, kann es aber sein, dass die Sparbillette ausverkauft sind.

Onlinehandel

Eine Hose, die zu einem bestimmten Zeitpunkt das Doppelte kostet? Das ist bei Onlineshops wie dem Kleiderversandhandel Zalando inzwischen Alltag. Auch beim Elektronikhändler Digitec Galaxus fliessen in die automatisierten Preisanpassungen Daten wie der Lagerbestand oder die Konkurrenzpreise mit ein. Von «dynamischen Preisen» könne hierbei jedoch nicht die Rede sein, sagt das Unternehmen**. Die Händler verfügen über riesige Mengen an Kundendaten und passen ihre Preise der aktuellen Nachfrage nach einem bestimmten Produkt an. Das kann innerhalb von Stunden, Tagen oder Wochen erfolgen. Kauft ein Kunde einen Laptop, steigen im Onlinehandel gern auch die angezeigten Preise für Zusatzprodukte wie Laptoptaschen oder mobile Ladegeräte.

Parkplätze

Wer in die Ferien fliegt und am Flughafen Zürich sein Auto stehen lässt, der sollte sein Parkticket Tage im Voraus buchen. Der Flughafen Zürich hat im Jahr 2020 dynamische Preise für seine Parkhäuser eingeführt, damit diese besser ausgelastet werden. Auch eine Rolle spielt dabei die Entfernung des Parkplatzes zum Terminal: Je grösser die Distanz, desto höher die Preisanreize respektive die Vergünstigungen.

Wer profitiert?

Dynamische Preismodelle sind heute allgegenwärtig. Entsprechend könnte man davon ausgehen, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung über die Jahre gestiegen ist. Hans Peter Wehrli, emeritierter Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Zürich, bezweifelt dies jedoch. «Hier kann kaum von einer freiwilligen Akzeptanz die Rede sein. Die Kunden müssen bei diesen dynamischen Preisen viel eher gezwungenermassen mitmachen.»

Auch wenn hie und da Schnäppchen möglich sind: Solche Modelle hätten für Kunden den Nachteil, dass sie sehr intransparent sind, so Wehrli. Der Konsument könne oft nicht nachvollziehen, wie die Preise wann zustande kommen und so auch schwer voraussagen, wann der günstigste Zeitpunkt für einen Kauf ist.

Dass dynamische Preismodelle bei Anbietern derart an Popularität gewonnen haben, hat einen einfachen Grund: «Sie können damit ihre Auslastung optimieren und die maximale Zahlungsbereitschaft ihrer Konsumenten abschöpfen», sagt Wehrli.

Er geht deshalb davon aus, dass sich dynamische Preise mit den wachsenden Informationsmengen über die Kundschaft künftig noch in weiteren Branchen etablieren werden. «Bei allen Gütern, bei denen Engpässe bestehen und die Nachfrage variiert, besteht ein Anreiz für dynamische Preise.» Das Modell ist inzwischen auch bei den Anbietern für Konzerttickets weit verbreitet. Den Ticketverkäufern wird daher oft eine Abzockermentalität vorgeworfen.

* Name geändert

** In einer ersten Version stand, dass auch Digitec Galaxus ebenfalls auf dynamische Preise setzt. Der Konzern legt Wert darauf, dass dem nicht so ist. Trotzdem variieren die Preise des Elektronikhändlers über die Zeit basierend auf Daten wie dem Lagerbestand eines Produkts oder den Konkurrenzpreisen.

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