Die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS, vom Staat orchestriert, ist weltweit Gegenstand von Analysen und Interpretationen. Das «Wall Street Journal» schrieb gestern, die Krise bedrohe die nationale Identität der Schweizerinnen und Schweizer, die sich darauf stütze, den Reichtum der Welt zu sichern. Auch der «Tages-Anzeiger» befand angesichts des CS-Debakels: «Die Schweizer Identität wankt.»
Was in diesen Beurteilungen zu kurz kommt: Die Schweiz besteht nicht nur aus (Gross-)Banken. Zwar hat die Finanzindustrie fraglos zum Wohlstand des Landes beigetragen, die Bedeutung für die hiesige Volkswirtschaft aber wird gemeinhin massiv überschätzt.
2021 trugen Finanzdienstleistungen laut Staatssekretariat für Wirtschaft 36,4 Milliarden Franken zum Bruttoinlandprodukt (BIP) bei – das sind gerade einmal 4,9 Prozent des gesamtschweizerischen BIP. Stark rückläufig ist auch die Zahl der Beschäftigten: 2011 zählte der Bereich «Finanzdienstleistungen» gemäss Bundesamt für Statistik 124'558 Vollzeitstellen. 2021 waren es noch 105'992 – ein Rückgang um 15 Prozent.
Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze werden längst in anderen Branchen geschaffen. Zugpferd ist vor allem die Pharmabranche, die heute für mehr als die Hälfte der Schweizer Exporte verantwortlich ist. Aber auch Industriebetriebe, die durch Innovation und Spezialisierung in vielen Bereichen an der Weltspitze rangieren, sind für die Beschäftigung in diesem Land deutlich wichtiger als der Paradeplatz. Allein die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie zählt 325'000 Angestellte – dreimal mehr als die gesamte Finanzbranche.