Einst gab es in der Schweiz acht Grossbanken. Eine ging während der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre in Konkurs, zwei strichen nach dem Zweiten Weltkrieg die Segel. Zwei weitere – erst die Bank Leu, später die Schweizerische Volksbank – wurden in den 1990er-Jahren vom Konzern der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) geschluckt. Gerne hätte sich die SKA, die seit 1997 Credit Suisse hiess, auch die Schweizerische Bankgesellschaft unter den Nagel gerissen. Die aber fusionierte stattdessen mit dem Schweizerischen Bankverein zur UBS. Diese UBS ist es nun, die sich ihrerseits die Credit Suisse einverleibt.
Das Beben vom vergangenen Wochenende war lediglich der vorhersehbare Schlussakkord einer jahrzehntelangen Entwicklung. Je internationaler sich die Banken ausrichteten, desto offensichtlicher wurde, was hier gespielt wird: Monopoly. Und wie jedes Kind weiss, kann es auf «Zürich Paradeplatz» nur einen geben.
Der Gewinner dieser epochalen Ausmarchung und derzeit mächtigster Mann im Land ist Colm Kelleher. Der UBS-Verwaltungsratspräsident ist eine vielseitig interessierte, mithin interessante Persönlichkeit. Der 65-Jährige stammt aus Irland, hat in Oxford Geschichte studiert, gilt als Liebhaber des alten Byzanz und nicht ganz so alter Whiskeys. Selbstverständlich freut er sich aber auch darüber, dass ihm mit der CS-Tochter Credit Suisse Schweiz AG eine Bank in den Schoss gefallen ist, die mit der Hälfte der hier ansässigen Firmen eine Geschäftsbeziehung unterhält. Dementsprechend schwierig dürfte es werden, ihm dieses Juwel wieder zu entwinden.
Kellehers wahres Interesse jedoch liegt anderswo, schliesslich war er vor seinem Wechsel nach Zürich drei Jahrzehnte lang für das New Yorker Geldhaus Morgan Stanley tätig. Aus seiner Sicht steht die UBS in einem knallharten Wettbewerb mit den US-Grossbanken. Den grossen Wachstumsmarkt ortet er in Asien, beispielsweise bei den reichen Kunden aus China.
Mit der neuen UBS spielt Kelleher jetzt Monopoly auf dem nächsthöheren Level.
Wo bleibt da die Schweiz? Sie dient als Markenzeichen und Alleinstellungsmerkmal im Vergleich mit der Konkurrenz. Für Kelleher ist die UBS eine amerikanische Bank helvetischer Herkunft, die Asien erobern will.
Das könnte jene ins Grübeln bringen, die an die Milliardengarantien denken, die der Bund der UBS vor einer Woche zusagte. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ja, Bundesrat und Nationalbank durften das globale Finanzsystem nicht weiter verunsichern und hatten keine andere Wahl, als rasch zu handeln. Viel zu viel stand für die Wirtschaft unseres Landes wie auf der ganzen Welt auf dem Spiel. Mit Blick auf die Märkte war die Intervention in der Tat ein Erfolg, wenngleich die Gefahr einer Finanzkrise leider noch nicht gebannt ist.
Die eigentliche Arbeit beginnt für Politik und Behörden allerdings erst jetzt. Sie müssen einen völlig neuen Umgang mit der UBS finden und dazu als Erstes die Rolle als Wasserträgerin ablegen, in der sie sich bislang immer wohlfühlten – und die am letzten Sonntag in der Aussage von Finanzministerin Karin Keller-Sutter gipfelte: «Wir sind der UBS dankbar. Auch der CS sind wir dankbar.»
Die Schweiz hat das Weltbankensystem fürs Erste gerettet. Gut so! Daraus könnte sie jetzt ein neues Selbstbewusstsein schöpfen, um für die neue Monopol-Grossbank strikte Vorschriften bei Eigenkapital und Geschäftsmodell, bei Vergütungen und Gebühren zu erlassen. Im Zentrum steht die Frage: Wie kann der Staat verhindern, dass er bei der nächsten Krise wieder gezwungen ist, öffentliche Mittel zu sprechen und sich dafür sogar dankbar zeigen zu müssen?
Obwohl die UBS in der Schweiz gutes Geld verdient, hat sie sich lange vor Colm Kellehers Amtsantritt buchstäblich von der Schweiz verabschiedet. Bis zur Fusion mit dem Bankverein im Jahr 1997 hiess die Schweizerische Bankgesellschaft auf Französisch «Union de Banques Suisses». Danach sollte UBS für «United Bank of Switzerland» stehen; im letzten Moment stellten die Verwaltungsräte freilich fest, dass in Zürich bereits eine United Bank existierte (der Ableger eines pakistanischen Kreditinstituts). Sie kamen überein, den Namen UBS zwar beizubehalten, bloss handelt es sich dabei nicht mehr um eine Abkürzung. Das U, das B und das S bedeuten vielmehr – nichts.
Schon damals hatte eben alles sehr schnell zu gehen und für sorgfältige Vorabklärungen blieb keine Zeit.