Nicht einmal die Hälfte arbeitet bis 65
Banker gehen früher in Pension als alle anderen

Die Arbeitgeber befürworten ein höheres Rentenalter. Derweil gehen Gutverdienende schon heute oft frühzeitig in den Ruhestand.
Publiziert: 28.01.2024 um 15:28 Uhr
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Aktualisiert: 28.01.2024 um 20:12 Uhr
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Die Renten-Initiative der Jungfreisinnigen fordert eine Erhöhung des Rentenalters.
Foto: Keystone
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Die Renten-Initiative der Jungfreisinnigen will das Rentenalter bis 2033 auf 66 Jahre erhöhen. Danach soll es automatisch weiter steigen, sofern auch die Lebenserwartung weiter zunimmt. Gestern fassten die SVP-Delegierten überraschend die Ja-Parole zu der Vorlage. Heute liegt das offizielle Rentenalter bei 65 Jahren. Was aber nicht bedeutet, dass tatsächlich alle Arbeitnehmer so lange schuften.

Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) zeigen zwar, dass die Schweizerinnen und Schweizer den Arbeitsmarkt im Schnitt mit 65,5 Jahren verlassen – inklusive Selbständigerwerbende, die oft sehr lang berufstätig bleiben.

Doch zwischen den verschiedenen Wirtschaftsbereichen gibt es grosse Unterschiede: «Erwerbstätige in der Land- und Forstwirtschaft bleiben überdurchschnittlich lange auf dem Arbeitsmarkt aktiv», schreibt das BFS. Demgegenüber kehren Beschäftigte aus den Wirtschaftsabschnitten «Kredit- und Versicherungsgewerbe» dem Arbeitsmarkt deutlich früher den Rücken.

Unfreiwillig in Frühpension

Konkret: In der Finanzbranche setzen sich Erwerbstätige im Schnitt mit 62,8 Jahren zur Ruhe – nicht einmal die Hälfte arbeitet bis zum 65. Lebensjahr.

Die Gründe für die vielen Frühpensionierungen bei Banken und Versicherungen hat das BFS nicht im Detail untersucht. Natalia Ferrara (41), Geschäftsleiterin des Bankpersonalverbands, weist aber darauf hin, dass es in ihrer Branche in den vergangenen Jahren sehr viele Umstrukturierungen gegeben habe: «Diesen fielen oft langjährige Mitarbeiter zum Opfer, die wenige Jahre vor der Pensionierung standen – und bei denen eine berufliche Neuorientierung sehr schwierig gewesen wäre.»

Den Betroffenen sei dann anstelle eines Sozialplans oft eine Frühpensionierung angeboten worden. Die hohe Zahl der Frühpensionierungen sei also nicht ganz freiwillig zustande gekommen, so Ferrara. Die Tessinerin räumt aber auch ein: «Die hohen Löhne in unserer Branche tragen sicher dazu bei, dass sich viele Banker frühpensionieren lassen.»

Frage der Privilegien

Eine brisante Aussage: Wenn sich viele Gutverdiener schon heute überdurchschnittlich früh pensionieren lassen, wie würde das erst nach einer Erhöhung des Rentenalters aussehen? Die naheliegende Schlussfolgerung: Eine automatische Erhöhung des Rentenalters würde vor allem Geringverdiener treffen.

Die Verantwortlichen der Renten-Initiative wollen darauf nicht näher eingehen: «Die Gründe für eine Frühpensionierung sind vielfach», sagt Geschäftsführer Marcel Schuler. Auch die künstliche Verteuerung älterer Beschäftigter, Druck auf dem Arbeitsmarkt oder die Gesundheit könnten den Ausschlag geben.

Präsident Patrick Eugster weicht der Frage zur Frühpensionierung der Gutverdienenden ebenfalls aus. Stattdessen hält er fest: «Wir sitzen alle im gleichen Boot.» Es werde doppelt so lange eine Rente bezogen wie noch 1948, als die AHV eingeführt wurde. «Wir alle müssen deshalb einen Teil dazu beitragen, dass die AHV nicht bankrottgeht.»

Frühpensionierte mit hohen PK-Renten

Unterstützung erhalten die Initianten von Severin Moser, dem Präsidenten des Arbeitgeberverbands. Vergangene Woche erklärte er im Gespräch mit Blick: «Wir müssen dafür sorgen, dass die Leute länger arbeiten, nicht nur wegen der AHV, sondern auch wegen des Arbeitskräftemangels.»

Moser bestreitet nicht, dass der finanzielle Aspekt wichtig ist, wenn es um eine Frühpensionierung geht. Er hält dies aber für gerechtfertigt: «Wer früher in Pension geht, leistet auch einen Beitrag an die AHV, weil sie oder er eine deutlich tiefere Rente bekommt als bei einer ordentlichen Pensionierung.»

Gabriela Medici (38), Sozialversicherungsexpertin des Gewerkschaftsbundes, sieht es anders. Sie stört sich unter anderem daran, dass die Frühpensionierungsquote gerade bei Banken und Versicherungen am höchsten ist: «Damit ziehen sich ausgerechnet Beschäftigte jener Branchen, die mit unseren Pensionskassenvermögen Geld verdienen, überdurchschnittlich früh aus dem aktiven Erwerbsleben zurück.»

Wer bei einer Bank oder Versicherung arbeite, sei in der Regel nicht auf die AHV angewiesen, so Medici weiter. Das zeige ein Blick auf die PK-Renten der Frühpensionierten. Diese seien viel höher als die Renten derjenigen, die bis zum regulären Rentenalter arbeiten müssten.

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