Bis vor Kurzem herrschte Hochbetrieb auf dem Schweizer Immobilienmarkt. Vor allem Pensionskassen und Versicherer investierten auf der Jagd nach Rendite Milliarden von Franken in Mehrfamilienhäuser. Die Wohnungen lieferten ihnen beständig Mieteinnahmen und werteten sich Jahr für Jahr auf. Entsprechend blähten die Institutionen ihre Bilanzen mit Immobilien auf.
Tempi passati. Die Mieteinnahmen fliessen immer noch, sie erhöhen sich gar, weil der Referenzzins am Steigen ist. Aber die Wertzunahme ist nicht mehr garantiert, und die Finanzierung ist kein Kinderspiel mehr: Die Ära der Negativzinsen ist vorbei.
Auf dem zuvor so belebten Immobilienmarkt ist es deshalb ruhig geworden. Die Preise für Renditeimmobilien sind zwar noch nicht stark gefallen. Zumindest lässt sich aus den Daten kein starker Rückgang herauslesen. Dies erklärt sich aber auch damit, dass so wenig gehandelt wird. Die Preisdaten sind also mit Vorsicht zu betrachten.
Die anderen Daten sprechen eine deutliche Sprache. Im ersten Halbjahr wechselten nur rund halb so viele Renditeliegenschaften die Hand wie ein Jahr zuvor. Das zeigen Zahlen des Immobiliendienstleisters CBRE Switzerland. Zahlen des Datenanbieters MSCI Real Data weisen sogar eine deutlich ausgeprägtere Flaute aus.
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Die professionellen Akteure – allen voran die Pensionskassen – haben ihr Engagement zurückgefahren. Dafür treten jetzt Privatleute in Aktion. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres haben sie erstmals per saldo mehr Immobilien gekauft. In den Jahren davor waren sie häufiger auf der Verkäuferseite, sie fuhren ihre Immobilieninvestitionen also zurück. Dies geht aus einer Auswertung des Datenanbieters MSCI Real Data hervor. Sie umfasst zwar auch Deutschland und Österreich, sie ist aber aussagekräftig für die Schweiz.
Andreas Loepfe, Dozent für Immobilienökonomie an der Universität Zürich, nennt es eine Sensation: «Jetzt ist die Stunde der Privatinvestoren gekommen, sie bieten bei vielen Transaktionen mit. Zuvor spielten Privatleute nur eine Nebenrolle im Markt.»
Die Inflation zwingt zum Investieren
«Jetzt erhalten die Privatleute ihre Chance. Zuvor zogen sie bei den Verkäufen häufig den Kürzeren, weil so viele kapitalkräftige professionelle Investoren auf der Suche nach Anlageobjekten waren», sagt auch Florian Kuprecht, Geschäftsleiter von CBRE Switzerland, einem Immobiliendienstleister. Was das für Privatinvestoren sind – darüber lässt sich nur mutmassen. Es müssen Leute sein, die über ein gewisses Vermögen verfügen und mit einem Budget von zwischen 5 bis 15 Millionen Franken kalkulieren können. Für diesen Betrag erhält man beispielsweise einen Wohnblock in einer Gemeinde im Mittelland wie Oensingen.
Wieso geben die Laien Gas, während die Profis auf die Bremse treten? Privatleute sind unter Druck, ihr Geld zu investieren, damit ihr Kapital nicht auf dem Konto schmilzt. Die Inflation trifft sie mit voller Wucht. Und als Anlagemöglichkeit bieten sich weiterhin Liegenschaften an. Die Preise sind zwar immer noch hoch, aber Aktien – die andere attraktive Anlagemöglichkeit – sind ebenfalls hoch bewertet. Immobilien punkten überdies mit den üblichen Qualitäten, sie gelten als sicheres Investment und versprechen Mieteinnahmen.
Obligationen rechnen sich wieder
Für Pensionskassen ist die Inflation das kleinere Problem, die Teuerung entlastet sie gar von einem – kleinen – Teil ihrer Verpflichtungen, denn die PK-Renten verringern sich, weil diese nicht an die Preisspirale angepasst werden. Und mit den Obligationen, die neu wieder Zins abwerfen, haben sie eine Alternative zu Immobilienkäufen bekommen. Auch könnten manche Pensionskassen in den Konflikt mit der Aufsicht geraten, falls sie ihren Gebäudebesitz aufstocken möchten. In ihren Bilanzen dürfen Immobilien nicht zu viel Gewicht erhalten im Verhältnis zu den anderen Anlagen: Für Pensionskassen gilt eine Obergrenze für Immobilieninvestitionen.
Nicht nur den Pensionskassen ist die Kauflust vergangen. Andere professionelle Investoren – Fonds beispielsweise – halten sich zurück, weil ihre Finanzierungskosten gestiegen sind.
Der Boom ist vorbei
«Für Objekte ab 50 Millionen Franken gibt es derzeit deutlich weniger Käufer», sagt Florian Kuprecht. Ähnlich äussert sich Dominik Matter, Partner beim Immobiliendienstleister Fahrländer Partner. «Die institutionellen Investoren sind am Rosinenpicken. Liegenschaften an peripheren Lagen werden jetzt nicht mehr gekauft. Bis vor Kurzem liessen sich auch für schlecht erschlossene Gebäude mühelos Käufer finden.»
Die Zurückhaltung am Markt ist auch mit der grossen Unsicherheit zu erklären, die über die weitere Entwicklung der Inflation und der Zinsen besteht.
Ab wann auf dem Immobilienmarkt wieder mehr Leben einkehrt, hängt vom weiteren Verlauf der Zinsen ab. Falls die Zinsen nicht mehr weiter steigen oder gar sinken, wird der Handel wieder an Schwung gewinnen. Noch ist es nicht so weit: Weitere Zinserhöhungen sind laut der Schweizerischen Nationalbank nicht auszuschliessen. Der fast dreissigjährige Boom am Immobilienmarkt ist bis auf Weiteres gestoppt.