An dieser Uferstelle liegen die Schadstoffe
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Zuschütten oder entfernen?An dieser Uferstelle liegen die giftigen Schadstoffe

Neubau auf radioaktivem Gebiet
Radium im Zürichsee – und das Amt will nichts wissen

Eine Chemiefabrik in Uetikon am See hantierte rund 200 Jahre lang mit radioaktiven Stoffen. Nun soll das Gelände überbaut werden. Ein Fachmann warnt vor Radium – und findet bei Zürcher Amt kein Gehör.
Publiziert: 11:49 Uhr
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Aktualisiert: 16:30 Uhr
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Hat jahrzehntelang Arsen, Blei und Radium freigesetzt: die ehemalige Chemiefabrik in Uetikon ZH.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

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Thomas Angeli
Beobachter

Es könnte gerade besser laufen an der Zürcher Goldküste. «Chance Uetikon» heisst das Grossprojekt auf dem Gelände der ehemaligen Chemiefabrik mit direktem Seeanstoss. Doch im Moment geht praktisch nichts. Geplant sind eine neue Kantonsschule, ein Seepark, Luxuswohnungen – und eine umfassende Sanierung des Uferbereichs. Denn die auf Säure und Dünger spezialisierte «Chemische» hatte ihre Abwässer jahrzehntelang in den Zürichsee gepumpt. Und damit unter anderem Arsen, Blei und weitere Schwermetalle. Genau diese Altlasten verzögern im Moment die Neugestaltung des attraktiven Areals.

Die Methode «Kies drüber»

Zwar sind 80 Prozent der Fläche mittlerweile saniert. Doch in Ufernähe kamen immer grössere Mengen problematischer Altlasten zum Vorschein. Die Zürcher Baudirektion beschloss deshalb, bloss die obersten eineinhalb Meter des verseuchten Materials abzutragen und den Rest mit rund 60’000 Tonnen Kies zu bedecken.

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Diese sogenannte Überschüttung rief jedoch die «Lobby für Uetikon» auf den Plan, eine Gruppe von Einheimischen, die eine nachhaltige Sanierung des Seegrunds fordert. Die «Lobby» zog den Fall vor das kantonale Baurekursgericht und konnte im Oktober 2024 einen ersten Erfolg verbuchen: Das Gericht entschied, dass es für das Vorhaben der Baudirektion weitere Abklärungen braucht.

Weiter untersuchen, fordert der Strahlenfachmann

Die «Lobby für Uetikon» jubelte – nur einer nicht: Marco Bähler. Der diplomierte Strahlenfachmann kritisiert, dass der Kanton keine weiteren radiologischen Untersuchungen durchführen will.

Zwar lagen bei den bisherigen Sondierbohrungen im See alle Strahlungswerte unter der sogenannten NORM-Befreiungsgrenze für natürlich vorkommende Radionuklide (Naturally Occurring Radioactive Material, NORM). Doch solange man keine weiteren Untersuchungen durchführt, wisse man auch nicht, wo genau sich welche – unter Umständen gefährlichen – Mengen Radium im See vor Uetikon anreicherten, kritisiert Bähler. Denn der radioaktive Stoff kommt im Phosphatmineral vor, das für die einst in Uetikon produzierten Düngemittel als Ausgangsstoff diente.

Messgeräte zeigen hohe Radon-Werte

Auch an Land nahm man Proben, und auch deren Strahlungswerte lagen unter dem Grenzwert. Bähler kritisiert jedoch, man habe diese Messresultate bewusst «verdünnt», indem man für die zwei Meter langen Bohrkerne jeweils nur einen Mittelwert angegeben habe: «Wenn in einer Schicht von zum Beispiel 50 Zentimetern Dicke viel radioaktives Material vorliegt, in den anderen eineinhalb Metern aber nicht, dann kann man mit dieser Beprobungsmethode erreichen, dass die Messwerte unter den Grenzwerten bleiben.»

Strahlenfachmann Bähler vermutet deshalb auch radioaktive Hotspots an Land. In einem Bohrloch in einer Halle am Westende des Geländes haben seine Radon-Messgeräte vor einigen Monaten bis zu 3000 Becquerel pro Kubikmeter angezeigt – zehnmal so hoch wie der in der Strahlenschutzverordnung festgelegte Referenzwert. Radon ist ein gasförmiges Zerfallsprodukt von Radium. Anders ausgedrückt: Wo man Radon findet, muss Radium vorhanden sein. 

Radioaktives Material im offenen Container entsorgt

Und Bähler hat noch mehr entdeckt: radioaktive Bohrkerne, die in einem offenen Container auf dem ehemaligen Fabrikgelände entsorgt worden sind. Zwei dieser Bohrkerne liess er extern untersuchen. Das Resultat, das dem Beobachter vorliegt: In einem Bohrkern zeigte die Messung 1270 Becquerel pro Kilogramm, was deutlich über der NORM-Befreiungsgrenze liegt.

Im momentanen Zustand sei das Radium im Boden kein akutes Problem, räumt Bähler ein: «Auf dem Gelände wohnt aktuell niemand über den Radon ausgasenden Schichten. In Zukunft sollen dort aber Menschen wohnen und zur Schule gehen. Und im See könnten die unstabilen giftigen und radioaktiven Schichten beim nächsten Erdbeben abrutschen und ins Trinkwasser verwirbelt werden.»

Mit seinen eigenmächtigen Nachforschungen schafft sich Bähler keine Freunde beim zuständigen Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Awel) des Kantons Zürich. Unter anderem kritisiert er, das Awel sei nicht bereit, alle entsprechenden Berichte herauszurücken. 

Bauherrschaft für Radon-sichere Bauten verantwortlich

Das Amt widerspricht: Man habe Bähler zu den Sanierungsarbeiten in Uetikon «die Resultate sämtlicher radiologischer Messungen» zugänglich gemacht, erklärt eine Sprecherin. Eine spezialisierte Firma habe «in rund 60 Bohrungen auf dem gesamten Areal die radioaktive Belastung im Untergrund gemessen». Dabei sei der Grenzwert nie überschritten worden. 

Zu Bählers eigenen Messungen will sich die Awel-Sprecherin nicht äussern: Man habe keine Kenntnis davon. «Das Awel bezieht in seine Bewertung nur Messwerte von akkreditierten Labors ein, zu denen Herr Bähler nicht gehört.»

Selbst das Awel räumt aber ein, dass durch das Radium im Boden krebserregendes Radon in die geplanten Bauten eindringen könnte. Die Gefahr sei «erkannt und auf dem Radar des Awel wie auch der Eigentümerschaften». Das Amt mache in den Baubewilligungen entsprechende Hinweise an die Bauherrschaften.

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