Es gibt zwei Dinge in meiner Wohnung, die ich niemals putze: Fenster und die Grümpelschublade. Bei den Fenstern bin ich pragmatisch. Solange ich raussehe, ist alles gut. Bei der Schublade ist die Sache komplizierter. Über die Jahre ist sie zum Sammelbecken für «Gnuusch» geworden, das a) keine Bleibe fand, b) untertauchen musste, als spontan Besuch kam, c) griffbereit bleiben sollte. Sprich: Zündhölzli, Schleckzeug, USB-Sticks, Haargummis, Panadol und Papierkram.
Weihnachten war dann zu viel des Guten: Neuer Grümpel wollte einziehen, die Schublade liess sich kaum noch ausziehen. Am Entrümpeln führte kein Weg vorbei. Zu meiner Schande fand ich dabei zwei Nicht-mehr-Gutscheine: 10 Franken für Cupcakes (2013 ausgestellt), 100 Franken für ein Kosmetikstudio (2017 ausgestellt). Beide Betriebe wurden inzwischen aufgelöst.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
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Als ich im Büro das selbstverschuldete Leid klagte, stellte sich heraus: Wir alle haben unübersichtliche Schubladen oder Schränke. Wir horten so viel Gerümpel, dass Geschenke schon einmal vergessen gehen. Ein paar Tage später liegt ein trauriger Haufen abgelaufener Gutscheine vor uns. Auf einigen kleben noch Schleifen, auf anderen prangen Wünsche. «Für Iwan zum Dreissigsten!» etwa – Iwan ist inzwischen 42.
Wann laufen Gutscheine ab?
«Gutscheine können gar nicht verfallen, oder?», versucht es ein Kollege. Zaghaftes Nicken. «Aber was sollen dann die aufgedruckten Ablaufdaten?» Schulterzucken. Wir Beobachter-Journalisten tun, was wir bei Halbwissen immer tun: rüber ins Beratungszentrum gehen.
Da klärt uns Rechtsexpertin Julia Gubler auf: «Manche Anbieter machen Rabattaktionen oder verteilen Gratiscoupons. Solche dürfen mit einem beliebigen Ablaufdatum versehen werden, das verbindlich ist.» Ob das auch für Gutscheine gilt, die gekauft wurden, ist nicht eindeutig geklärt. «Ein Bundesgerichtsurteil existiert nicht, da sich eine Klage bei so kleinen Beträgen nicht wirklich lohnt», so Gubler.
Die meisten Juristen sind sich aber einig, dass die Verjährungsfristen gemäss Obligationenrecht (OR) gelten. Sprich: Gutscheine für kleinere Waren bleiben fünf Jahre gültig, solche für grössere Dienstleistungen zehn Jahre (siehe Box). 2020 bestätigte ein Gericht im Kanton Solothurn, dass kürzere Fristen nicht zulässig sind: Zwei Gutscheine für eine Heissluftballonfahrt wurden für zehn Jahre gültig erklärt.
Fünf Jahre
- Essen im Restaurant
- Massagen
- Kleinere Waren (Spielsachen, Bücher, Kleider)
Zehn Jahre
- Veranstaltungen (Theater, Kino, Konzerte)
- Thermalbad-Eintritte
- Übernachtungen im Hotel
- Ballonfahrten
- Reisen
Unsere Tipps
- Frage höflich nach, die meisten Aussteller sind kulant.
- Falls nicht: Argumentiere mit den Verjährungsbestimmungen gemäss Art. 129 OR (Obligationenrecht).
- Vermerkte Hinweise («Nicht kumulierbar») oder zeitliche Einschränkungen («Abendvorstellung») müssen beachtet werden.
- Wenn der Gutschein für eine bestimmte Dienstleistung ausgestellt wurde, darf der Anbieter während der Gültigkeitsdauer keinen Aufpreis verlangen.
- Wenn die Dienstleistung nicht mehr angeboten wird, darfst du das Geld zurückverlangen.
Fünf Jahre
- Essen im Restaurant
- Massagen
- Kleinere Waren (Spielsachen, Bücher, Kleider)
Zehn Jahre
- Veranstaltungen (Theater, Kino, Konzerte)
- Thermalbad-Eintritte
- Übernachtungen im Hotel
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- Reisen
Unsere Tipps
- Frage höflich nach, die meisten Aussteller sind kulant.
- Falls nicht: Argumentiere mit den Verjährungsbestimmungen gemäss Art. 129 OR (Obligationenrecht).
- Vermerkte Hinweise («Nicht kumulierbar») oder zeitliche Einschränkungen («Abendvorstellung») müssen beachtet werden.
- Wenn der Gutschein für eine bestimmte Dienstleistung ausgestellt wurde, darf der Anbieter während der Gültigkeitsdauer keinen Aufpreis verlangen.
- Wenn die Dienstleistung nicht mehr angeboten wird, darfst du das Geld zurückverlangen.
Respekt für den Menschen, der mit einem abgelaufenen Gutschein bis vors Kantonsgericht gezogen ist. Den meisten von uns graut schon bei der Vorstellung, dafür ein Telefon in die Hand zu nehmen. Aber genau das tun wir nun – und fragen bei den Firmen nach, ob unsere Nicht-mehr-Gutscheine noch akzeptiert werden. Sie sehen: Investigativjournalismus wird beim Beobachter grossgeschrieben.
Abgelaufene Gutscheine einlösen – ein Selbstversuch
Wir beginnen mit denjenigen, die laut OR fünf Jahre einlösbar sind. Aufgedruckt ist bei beiden eine kürzere Frist.
- 100 Franken bei einer Restaurantkette, Ausstelldatum nicht vermerkt, 2023 abgelaufen. → Der Gutschein bleibt gültig, ein Hinweis bei der Reservation wird aber empfohlen.
- 1 Massage, 2018 ausgestellt, 2020 abgelaufen. → Der Gutschein lässt sich am Telefon verlängern.
Natürlich rufen wir als Privatpersonen an, das Experiment soll ja authentisch sein. Weiter geht es mit Gutscheinen, die gemäss OR zehn Jahre einlösbar sind.
- 1 Kinoticket, Ausstelldatum unbekannt, 2018 abgelaufen. → Der Gutschein kann problemlos umgetauscht werden.
- 1 Eintritt in den Hammam, 2017 ausgestellt, 2022 abgelaufen. → Am Telefon heisst es, solche Gutscheine seien zehn Jahre gültig, der Aufdruck ein Fehler.
- Gipfelbesteigung mit Bergführer, 2012 ausgestellt, 2015 abgelaufen. → Herzhaftes Lachen, eine konstruktive Lösung: Der Gutschein sei noch einlösbar, es müsse aber ein Aufpreis gezahlt werden, weil das Angebot inzwischen teurer ist.
Je länger das Ausstelldatum zurückliegt, desto grösser die Scham beim Anruf. Die Pandemie, ein Baby, die verstorbene Katze – keine Ausrede ist uns zu blöd. Die Angerufenen reagieren verständnisvoll, belustigt, verdutzt: «Abgelaufene Gutscheine landen in der Regel im Müll. Die Beschenkten kommen gar nicht auf die Idee, mal bei uns nachzufragen», heisst es bei einer Firma.
Etwas überrascht sind wir doch: Alle Nicht-mehr-Gutscheine wurden zu Doch-noch-Gutscheinen. «Vielen Gutscheinausstellern sind die gesetzlichen Fristen gar nicht bewusst. Deshalb reagieren sie in der Regel kulant, wenn man sie darauf aufmerksam macht», weiss Rechtsexpertin Julia Gubler.
Gültigkeit bei Besitzerwechsel oder Geschäftsaufgabe
Aber wie sieht es aus, wenn ein neuer Besitzer übernimmt? «Wenn er die Firma mit sämtlichen bestehenden Forderungen und Schulden übernommen hat, bleiben auch die Gutscheine gültig», so Gubler. Andernfalls könne das Geld beim früheren Besitzer eingefordert werden. In der Praxis ist das aber oft aussichtslos, weil er nicht mehr auffindbar ist.
Bei einem Konkurs oder einer Firmenauflösung verfallen Gutscheine – das Cupcakecafé und das Kosmetikstudio kann ich also endgültig vergessen. Die einzige Ausnahme sind Einzelunternehmen: Da bleibt der Inhaber bis zum Ablauf der Fristen persönlich haftbar. Welche Form ein Unternehmen hat, lässt sich über die Website Zefix.ch heraussuchen.
Wir haben einmal Glück und einmal Pech:
- 1 Tennis-Privatstunde, 2012 ausgestellt, kein Ablaufdatum aufgedruckt. → Die Tennisschule besteht nicht mehr, das Center hat einen neuen Besitzer. Der freut sich aber und bietet eine Stunde Spielzeit für vier Personen.
- Übernachtung und Spa in einem Freiburger Hotel, 2014 ausgestellt, 2015 abgelaufen. → Nicht mehr einlösbar. Man habe keinen Zugriff auf Gutscheine vor dem Besitzerwechsel.
Eine Niederlage ist zu verkraften. Zufrieden geloben wir Besserung und tragen unsere Gutscheine zurück nach Hause. Wo sie da landen, verraten wir nicht.