Nach 45 Jahren ist Schluss mit dem Gratis-Angebot
Neue Postfach-Gebühr verärgert Stammkunde Peter Scheidegger

Fast fünf Jahrzehnte erhielt Peter Scheidegger die Briefe ins Postfach. Jetzt zieht der Rentner einen Schlussstrich. Die neue Gebühr von 120 Franken im Jahr will er nicht zahlen.
Publiziert: 20.10.2021 um 01:27 Uhr
|
Aktualisiert: 20.10.2021 um 18:56 Uhr
1/6
Peter Scheidegger hat noch ein Postfach, aber Ende Jahr ist Schluss.
Foto: zVg
Marc Iseli

Peter Scheidegger (82) gefällt das Leben hier. Die 70er-Jahre spülten den Berner nach Küssnacht am Rigi SZ. Hier liess er sich nieder, hier wohnt er in leicht erhöhter Lage, zehn Minuten vom Vierwaldstättersee entfernt, den Golfplatz im Rücken.

Die Post lässt sich Scheidegger seit jeher in sein Postfach liefern. Nummer 438. Mehrmals die Woche geht er zum Postfach. Zuweilen trifft er Bekannte, hält einen Schwatz, grüsst die Angestellten. «Vorbildlich-charmant» seien die Pöstler in seiner Filiale, sagt Scheidegger. «Kompetent.» «Seit Jahren.»

Aber jetzt, nach rund 45 Jahren, fällt der Gang zum Postfach weg. Scheidegger hat es gekündigt. «Die drei Schlüssel zum Postfach werde ich zum Jahreswechsel der Filiale Küssnacht am Rigi zustellen», so der 82-Jährige.

Von 0 auf 120 Franken

Der Hintergrund seiner Kündigung ist eine Erhöhung der Jahresgebühr. Die Post verrechnet ab dem 1. Januar 2022 stolze 120 Franken im Jahr. Bislang war der Dienst für Scheidegger kostenlos. Für ihn ist deshalb klar: «120 Franken sind zu viel.»

Die Post hat den einstigen Journalisten mit einem Brief über die Erhöhung der Jahresgebühr informiert. Darin ist die Rede von einer «Optimierung» des Angebots. Alle Inhaber eines Postfachs haben diesen Brief Anfang Oktober erhalten. Wer sich nicht explizit gegen die neue Gebühr ausspricht, akzeptiert das Angebot stillschweigend. Ein alter Marketing-Trick.

Hier hat die Post schon Leistungen abgebaut
1:09
Vor erhöhten Briefpreisen:Hier hat die Post schon Leistungen abgebaut

Scheidegger hat sich dagegen ausgesprochen. Er antwortet mit einem Brief an die Post und schickt ihn direkt an die Konzernzentrale in Bern-Wankdorf. Es ist ein Schreiben, das mit spitzer Feder formuliert ist, voller sarkastischer Statements, mit fehlerloser Rechtschreibung, die Botschaft ist unverkennbar. Scheidegger mag schon länger pensioniert sein, schreiben kann er immer noch.

Absurde Gebühren-Logik

«Wir holten unsere Postsendungen täglich selbst aus dem Postfach», schreibt Scheidegger. «Meist auch die Pakete, die per roter ‹Abholungsaufforderung› via Postfach angekündigt wurden. So haben wir während Jahrzehnten der Post die wöchentlich sechsmalige Zustellung abgenommen.»

«Diese Dienstleistung ‹verdankt› uns die Post künftig nun ganz ‹ungeniert› mit einer recht abenteuerlich begründeten Gebühr von 120 Franken pro Jahr», heisst es weiter.

Er rechnet nach. Will Scheidegger das Postfach behalten und die Post selber abholen, muss er künftig 33 Rappen pro Tag bezahlen. Eine Gebühren-Logik, der er nicht folgen kann – und auch nicht folgen will.

«Goldiges Schlitzohr»

«Damit benötigen wir ab dem 1. Januar 2022 unser Postfach in der Filiale Küssnacht am Rigi nicht mehr», schliesst Scheidegger. «Denn ab diesem Zeitpunkt werden wir – wie alle Privathaushalte, die kein Postfach besitzen – mit der täglichen Zustell-Dienstleistung durch die Post bedient.»

Damit endet eine Beziehung, die Jahrzehnte überlebt hat. Es ist auch ein Zeichen für den Niedergang des Postfachs. Einst war es begehrt, aber mittlerweile sind die Nutzerzahlen überschaubar. «Von den heute 274'200 Postfächern sind rund 153'200 mangels Nachfrage ungenutzt», sagt Post-Sprecher Erich Goetschi.

Er bestätigt die neue Postfachgebühr, äussert sich aber nicht weiter zum Einzelfall. Goetschi ergänzt aber, dass gewisse Kunden bislang 240 Franken im Jahr zahlten – wegen zu geringer Briefmenge. Neu zahlen alle für ihr Postfach die Hälfte – egal wie viele Briefe jemand erhält.

Immerhin: «Postfächer, die die Post selbst verlangt hat, bleiben auch inskünftig kostenlos», sagt Goetschi. «Zum Beispiel in sehr bergigen Dörfern, wo die Hauszustellung aufgrund zu steiler Wege zu gefährlich ist.»

Scheideggers Haus über dem Vierwaldstättersee erfüllt diese Kriterien aber nicht. Den morgendlichen Gang zum Postfach ersetzt er nun durch einen ausgedehnten Spaziergang mit dem Hund. Eine italienische Mischung. «Ein goldiges Schlitzohr», sagt Scheidegger.

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.