Die Lufthansa streicht wegen des Verdi-Warnstreiks am Mittwoch nahezu das gesamte Programm an ihren deutschen Drehkreuzen Frankfurt und München. Betroffen sind 678 Flüge in Frankfurt und 345 in München mit 144'000 betroffenen Passagieren. Längst nicht alle von ihnen können umgebucht werden, weil die Flüge an den Folgetagen ferienbedingt voll sind.
Schon am Dienstag sind mindestens 47 Lufthansa-Flüge gestrichen worden. Auch am Donnerstag und Freitag wird der Streik noch Auswirkungen haben – obwohl er nur 24 Stunden dauert. Die Gewerkschaft Verdi hat die rund 20 000 Bodenbeschäftigten zu flächendeckenden Arbeitsniederlegungen aufgerufen, um Druck in den laufenden Gehaltsverhandlungen aufzubauen.
Swiss stützt sich auch auf Lufthansa-Personal
Auch die Lufthansa-Tochter Swiss muss ein Dutzend Flüge streichen. Konkret habe die Swiss die Flüge von Genf nach Frankfurt (drei Hin- und Rückflüge) und Zürich nach Düsseldorf (drei Hin- und Rückflüge) annulliert. Der Grund für die Flugstreichungen: Der Bodendienstleister der Lufthansa ist auch für die Swiss-Flüge in Deutschland zuständig. Und das Personal da streikt morgen Mittwoch.
«Auch die Flüge ab Zürich nach Frankfurt und München, welche aktuell von Lufthansa ausgeführt werden, sind von den Annullationen aufgrund des Streiks betroffen», schreibt Sprecher Michael Pelzer auf Anfrage von Blick. Des Weiteren werde der Swiss Flug nach Düsseldorf am 28. Juli mit einem grösseren Flugzeug durchgeführt, um mehr Fluggäste an ihr Ziel zu befördern. Von den Streichungen der Swiss-Flüge seien rund 1000 Fluggäste betroffen.
Möglichst nicht an die Flughäfen kommen
Lufthansa-Personalvorstand Michael Niggemann kritisierte das Vorgehen: «Die frühe Eskalation nach nur zwei Verhandlungstagen in einer bislang konstruktiv verlaufenden Tarifrunde richtet enorme Schäden an. Das betrifft vor allem unsere Fluggäste in der Hauptreisezeit. Und es belastet unsere Mitarbeitenden in einer ohnehin schwierigen Phase des Luftverkehrs zusätzlich stark.»
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Betroffen sind laut der Nachrichtenagentur SDA neben den Drehkreuzen Frankfurt und München auch Düsseldorf, Hamburg, Berlin, Bremen, Hannover, Stuttgart und Köln. Der Lufthansa-Konzern unterhält dort meist kleinere Einheiten, die ihre Dienstleistungen auch anderen Airlines anbieten. In Bayern ist am Freitag der letzte Schultag vor den Sommerferien.
Passagiere ohne Umbuchungen sollten nicht zu den Flughäfen kommen, weil dort «nur wenige oder gar keine» Serviceschalter geöffnet sein werden, warnte das Unternehmen.
Fast alle Arbeiten am Boden betroffen
Im Netz beschwerten sich Passagiere über kurzfristige Absagen von Interkontinentalflügen in die USA oder nach Hongkong. Das sind in aller Regel die letzten Flüge, die Lufthansa im Streikfall streicht. Lufthansa warnte Umsteiger davor, ohne Anschlussflug an die deutschen Drehkreuze zu fliegen. Es bestehe die Gefahr, dass die Gäste dort für mehrere Stunden oder Tage nicht weiterreisen könnten.
Der ganztägige Ausstand soll am Mittwochmorgen um 03.45 Uhr beginnen, wie Verdi bekanntgegeben hat. Aufgerufen sind ganz unterschiedliche Beschäftigtengruppen wie das Schalterpersonal, Flugzeugtechniker oder die Fahrer der riesigen Schlepper, die Flugzeuge am Flughafen auf die richtigen Positionen schieben. Ohne diese Dienstleistungen können die Jets ebenso wenig abheben wie ohne Piloten oder Kabinenpersonal.
Lufthansa-Chef stellt Nutzen des Streiks in Frage
Der erste Streik bei Lufthansa nach dem Corona-Schock kommt vor dem Hintergrund eines teilweise chaotisch verlaufenen Neustarts der Branche. Personalengpässe und eine starke Urlaubsnachfrage haben schon ohne Streiks zu erheblichen Abfertigungsproblemen in diesem Sommer geführt. Verdi macht dafür vor allem Missmanagement bei Flughäfen und Airlines verantwortlich. Der Lufthansa-Airline-Chef Jens Ritter sieht hingegen die erreichten Fortschritte durch die Streikankündigung in Frage gestellt. Der Ausstand werde Kunden und Personal über den Streiktag hinaus belasten, sagte Ritter auf der Plattform LinkedIn.
Lufthansa hat nach eigenen Angaben bei einer Laufzeit von 18 Monaten eine zweistufige pauschale Gehaltserhöhung um zusammen 250 Euro angeboten, zu der ab Juli kommenden Jahres noch eine gewinnabhängige Steigerung um 2 Prozent käme. Bei einem monatlichen Grundgehalt von 3000 Euro ergäbe sich daraus eine Steigerung von 9 bis 11 Prozent, rechnete das Unternehmen vor. Verdi-Verhandlungsführerin Christine Behle bezeichnete das Beispiel als «schöngerechnet».
Für andere Gehaltsbereiche betrage die Steigerung nur rund vier Prozent und bringe damit für die Beschäftigten Reallohnverluste, sagte sie «Stuttgarter Zeitung» und «Stuttgarter Nachrichten». Die Gewerkschaft fordert bei 12 Monaten Laufzeit 9,5 Prozent mehr Geld in den Lohntabellen, mindestens aber 350 Euro.