Monströser Immo-Crash in China und seine Folgen
Müssen nun auch Schweizer Hausbesitzer zittern?

Der chinesische Immobilien-Konzern Evergrande sorgt für ein Beben an den Börsen. Auch in der Schweiz fragt man sich: Schwappt die chinesische Immo-Krise zu uns über? Und ist mein Erspartes noch sicher?
Publiziert: 21.09.2021 um 17:27 Uhr
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Aktualisiert: 21.09.2021 um 18:26 Uhr
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Einer der Gebäudekomplexe des zweitgrössten Immobilienentwicklers Chinas in der Hafenstadt Guangzhou.
Foto: AFP
Dorothea Vollenweider und Patrik Berger

Das Schreckgespenst einer neuen Finanzkrise geht um. Es heisst Evergrande. Ein Börsen-Gigant mit 200'000 Angestellten und von dem 3,8 Millionen Jobs in China abhängen. Der zweitgrösste Immo-Entwickler der Volksrepublik hat 300 Milliarden US-Dollar Schulden aufgetürmt. Käufer, Investoren und Banken zittern seit Wochen. Evergrande steht vor dem Abgrund, obwohl Hui Ka Yuan (62), Gründer und Chef von Evergrande, beschwört, dass das Unternehmen «seine dunkelste Stunde» hinter sich lassen werde.

Schwappt der Immo-Schock in die Schweiz über? Zu Wochenbeginn verloren die Anleger die Nerven, die Kurse rutschten weltweit in den Keller. Auch bei uns. Lassen sich die Geschehnisse mit der Pleite von Lehman Brothers im Jahr 2008 vergleichen? Bricht bald eine neue Finanzkrise aus? Blick hat Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was bedeutet der Immobilienschock in China für den Schweizer Häusermarkt?
«Das Problem ist hausgemacht und zeigt in erster Linie die Schwächen des chinesischen Immobilienmarkts auf», sagt Fredy Hasenmaile (54), Immobilienexperte der Credit Suisse. Der hiesige Immobilienmarkt ist zwar abhängig vom Weltgeschehen. Doch was im chinesischen Immobilienmarkt derzeit passiert, wird sich in der Schweiz nicht wiederholen. Und ist auch nicht mit der Subprime-Krise in den USA vergleichbar.

Was ist passiert?
Evergrande – für immer gross? Der Name allein fordert das Schicksal heraus. Gut möglich, dass sich Evergrande überschätzt hat. Der Immo-Gigant verkaufte dem chinesischen Volk Wohnungen in Liegenschaften, deren Bau erst Jahre später beginnen sollte. So häufte sich der Konzern einen Schuldenberg von 300 Milliarden US-Dollar an. Die Zahl ist gigantisch, weil der chinesische Markt gigantisch ist. «Vergleicht man das mit dem Schweizer Immobilienmarkt, wäre das der Wert von rund 1000 Einfamilienhäuser im Kanton Aargau», sagt Donato Scognamiglio (51), Chef der Immobilienfirma Iazi.

Kann so was bei uns auch passieren?
Nein. Schicksalhaft für Evergrande war, dass Chinas Präsident Xi Jinping (68) beschloss, in das Geschehen einzugreifen. Er will auch dem Mittelstand den Kauf einer Wohnung ermöglichen. Denn der chinesische Immobilienmarkt ist überhitzt. In Peking kostet eine mittelgrosse Wohnung laut Scognamiglio das Zwanzigfache eines jährlichen Durchschnittslohns. Xi Jinping beschloss, die Kreditvergabe einzuschränken, um den Markt abzukühlen.

Steigen die Risiken am Schweizer Immobilienmarkt?
Nein, sagen die Immobilienexperten. Der Schweizer Häusermarkt stehe auf einem stabilen Fundament. Das zeigte zuletzt die Pandemie: Nicht einmal Corona konnte den Häusermarkt ins Wanken bringen. «Dass weniger Wohnungen leer stehen, ist ein klares Zeichen dafür, dass der Markt funktioniert», sagt Hasenmaile.

Schwappt die chinesische Immo-Krise in die Schweiz über?
«Nein, dafür gibt es bis jetzt keine Anzeichen», sagt Thomas Stucki, Anlagechef der St. Galler Kantonalbank. Der Schweizer Markt und der chinesische haben schlicht keine Berührungspunkte.

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Sollten Immobilienanleger ihre Aktien und Anleihen verkaufen?
Wer mit Wertpapieren aktuell eine Rendite erzielen will, kommt an Immobilienanlagen fast nicht vorbei. Verkaufen würde Hasenmaile Schweizer Immobilien-Aktien oder -Anleihen deshalb nicht. Zwar könne es zu Korrekturen kommen. «Ich sehe jedoch kein fundamentales Risiko», sagt er.

Soll ich meine UBS- oder CS-Aktien verkaufen?
«Nach so grossen Kursverlusten müsste man eher wieder zukaufen», so Stucki. Die Stimmung rund um die Bankenaktien sei aber nicht die beste. «Ich würde nicht überstürzt einsteigen.»

Was bedeutet der Fall Evergrande für Schweizer Kleinanleger?
Sofern man nicht direkt investiert ist, hat die Affäre um Evergrande für Kleinanleger keine relevante Bedeutung – jedenfalls keine direkte. Indirekt steigt die Unsicherheit an den Aktienmärkten. Kursschwankungen sind die Folge. «Es kommen holprigere Zeiten auf uns zu», sagt Stucki.

Steht die nächste Finanzkrise ins Haus?
Nein. 2008 waren die Banken weltweit mit eigenem Geld in den Subprime-Papieren investiert. «Das ist diesmal nicht der Fall», so Stucki. Schweizer Banken sind höchstens über Obligationenfonds investiert. Wenn die gut verwaltet wurden, sind die Verluste relativ gering. «Die Banken sind weltweit viel besser kapitalisiert als vor der Finanzkrise», sagt auch Manuel Ferreira, Chefstratege der Zürcher Kantonalbank.

Werden weitere Konkurse folgen?
Bei uns nicht. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass es in China zu weiteren Problemen kommt. Die sind aber auf den chinesischen Markt beschränkt. «Die Regierung wird aber alles daran setzen, um einen Dominoeffekt im Immobilien- und im Bankensektor zu verhindern. Die Mittel sowie die nötige Schlagkraft dazu hat sie», sagt Ferreira.

Muss ich nun Angst haben um mein Erspartes?
«Nein, Schweizer Banken sind nicht betroffen», beruhigt Stucki.

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