2020 verkaufte die Schweizer Firma Emix der Zürcher Jungunternehmer Jascha R.* und Luca S.* Corona-Schutzmaterial für fast 700 Millionen Euro an die deutschen Bundesländer Bayern, Nordrhein-Westfalen und an das Deutsche Gesundheitsministerium. Dabei sollen sie zwischen 100 und 200 Millionen Euro Gewinn gemacht haben, berichtet die «Süddeutsche Zeitung» – indem sie die Masken mit hohen Margen weiterverkauften und die Abnehmer unter Druck setzten, wird im Artikel geschrieben, der sich auf verschiedene Dokumente bezieht.
So habe das bayerische Gesundheitsministerium am 3. März 2020 – zu Beginn der Epidemie – einen Anruf der PR-Unternehmerin Andrea Tandler erhalten, dass eine Schweizer Firma innert einer Woche eine Million FFP2-Schutzmasken liefern könne. Allerdings nur, wenn das Angebot rasch angenommen und die Hälfte des Kaufpreises vorausbezahlt werde. Stückpreis: 8.90 Euro.
Preise bis 9.90 Euro seien Wucher
Am selben Tag erhielt das Gesundheitsministerium von Nordrhein-Westfalen eine Email von Andrea Tandler. Man könne eine Million Masken liefern, falls die Hälfte des Kaufpreises vorausbezahlt werde. Stückpreis: 9.90 Euro. Das Angebot sei bis zum nächsten Tag gültig.
Die Zeitung behauptet, die Herstellung der Masken hätte nur Centbeträge gekostet. Die Deutsche Firma MyDental lässt sich zitieren, man habe im März 2020 10'000 FFP2-Masken für 2.13 Euro pro Stück aus Hongkong besorgt. Preise bis zu 9.90 Euro seien Wucher gewesen, schreibt der Iserlohner Firmenchef Klaus Köhler. Emix sagt, auf möglichen Wucher angesprochen: Man habe sich bei den Masken «stets innerhalb des aktuellen Marktpreises» bewegt und «fair kalkuliert».
Kontakt zu Strauss-Tochter
Die Zeitung zeigt auf, wie es den Schweizer Jungunternehmern gelang, den Behörden ihre Masken zu verkaufen. In den Verwaltungen habe Panik geherrscht, weil Schutzmasken, Schutzkittel und Desinfektionsmittel zu Beginn der Pandemie in viel zu kleinen Mengen vorhanden waren. Die beiden Zürcher aber erkannten das – offenbar dank des Tipps eines Geschäftspartners aus China, wie die «NZZ» berichtete – schon zu Beginn des Jahres und begannen, Masken einzukaufen.
Als die Schweizer via Tandler dann das Angebot an die Behörden überbrachten, sei diesen in ihrer Notlage nichts anderes übrig geblieben, als es anzunehmen, schreibt die «Süddeutsche». Um überhaupt an die Kontakte heranzukommen, sollen Jascha R. und Luca S. die Kontakte von Andrea Tandler zu deutschen Politikern genutzt haben. Diese sei besonders mit der Europaabgeordneten Monika Hohlmeier, Tochter des ehemaligen CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauss (1915–1988) gut befreundet gewesen.
Weniger geliefert als versprochen
Doch bei den Lieferungen lief einiges schief. Unter anderem kam es mehrmals zu Verspätungen, Bayern stufte 500'000 Masken als «nicht verkehrsfähig» ein, und es kam zu Konfusionen um Zwischenhändler.
Emix beschwichtigte die skeptisch werdenden deutschen Behörden. Emix-Geschäftsführer S. beteuerte in einer E-Mail an die Behörden in Nordrhein-Westfalen: «Wir sind so gut aufgestellt wie kein anderes Unternehmen in dieser Krisenlage und geben 24/7 unser Allerbestes. Wir arbeiten aktuell mit Herzblut ausschliesslich für Sie». Man werde die Masken liefern, «da gibt es nach wie vor keine Zweifel». Am Ende habe Emix nach Nordrhein-Westfalen 527'200 statt der versprochenen Million Masken geliefert, soll aus den Dokumenten hervorgehen.
Anzeige in der Schweiz
Die «Süddeutsche Zeitung» spricht dazu von «übelstem Kapitalismus in der Corona-Notlage». Die Beteiligten hätten die «Notlage genutzt, um Kasse zu machen. Es sei «höchste Zeit aufzuklären, wo das viele Geld geblieben ist, das der deutsche Staat für die Emix-Masken bezahlt hat».
Laut WDR soll Andrea Tandler für ihre Vermittlung zusammen mit ihrem Partner eine Provision zwischen 34 und 51 Millionen Euro erhalten haben. Wie viel Geld Jascha R. und Luca S. insgesamt mit ihren Maskendeals verdient haben, ist nicht bekannt.
Emix verkaufte die Atemschutzmasken auch in der Schweiz zu einem Höchstpreis von bis zu 9.90 Franken pro Stück. Die Zürcher Staatsanwaltschaft ermittelt nach einer Anzeige wegen Verdachts auf Wucher.
* Namen bekannt
* Berichtigung: In einer ersten Version des Artikels stand, Nordrhein-Westfalen zahlte 9.90 Euro für eine Maske, die Emix fünf Tage zuvor für 1.15 Euro das Stück eingekauft hatte. Weiter stand geschrieben, dass Masken, die Emix für ein paar Cent gekauft habe, in Bayern für 8.90 Euro das Stück verkauft worden seien. Emix sagt, die Margen seien handelsüblich gewesen, und der implizierte Vorwurf, Emix habe überrissene Margen erzielt, werde in aller Form zurückgewiesen. Die Einkaufspreise können durch die vorliegenden Quellen nicht belegt werden. Blick hat die Passagen deshalb angepasst.