«Hallo Süsser! Ich verwöhne Dich stundenlang». So oder ähnlich lautet das übliche Versprechen auf vielen Telefonsex-Nummern.
In den 90er-Jahren wählten über 100'000 Schweizer täglich eine kostenpflichtige 156er-Nummer. Die PTT, Vorgängerin der heutigen Swisscom, hatte am 1. Oktober 1991 ihren «Telefonkiosk» lanciert. Damit gehörte auch schon bald kostenpflichtige Erotik zum PTT-Angebot.
Ein Bombengeschäft für alle
Der kürzlich pensionierte Erotik-Unternehmer Patrik Stöckli (65) witterte ein «Bombengeschäft» und nahm 14 Tage nach Einführung des Telefonkiosks die ersten Telefonsex-Linien in Betrieb. «Das war nicht nur für mich ein gutes Geschäft, sondern auch für die PTT oder den Blick», hält Stöckli im Gespräch mit Blick fest.
Die Zeitung Blick nahm allein mit Telefonsex-Inseraten damals gegen 500'000 Franken pro Monat ein. Die PTT verdiente an den Leitungen und an einer Art «Kommission» für das Inkasso. Stöckli rechnet gegenüber Blick vor: «Ich verlangte meist 2 Franken pro Minute. Die PTT kassierte das Geld bei den Telefonie-Kunden ein und überwies mir 70 bis 75 Prozent des Betrags, der mir als Anbieter der 156er-Nummer zustand.» Wie viel es genau war, weiss Stöckli nicht mehr.
Trotz der Dienstleistungsabzüge und den Leitungskosten blieb viel Geld übrig. «Zur Spitzenzeit waren 50 Frauen bei mir angestellt, die insgesamt 124 Telefonlinien betreuten», so Stöckli.
Das grosse Stöhnen in Wollerau
Allein im eigenen Firmengebäude in Wollerau SZ verfügte Stöckli über elf Einzelbüros. In diesen wachte jeweils eine Angestellte über 10 Telefonlinien. «Wir boten sogenannte Plauderboxen zu bestimmten Sex-Themen an», sagt Stöckli. Eine Frau konnte so eine ganze Gruppe gleichzeitig betreuen.
Stöckli bestätigt das Klischee, wonach die Frauen strickten oder Hefte lasen, während sie lasziv in den Telefonhörer stöhnten. Selbst wenn es früh hierzu Schilderungen gab: Das verlieh der Fantasie der Anrufer keinen Dämpfer.
Bescheidene Anfänge
Stöckli war schon auf die Idee von Telefonsex gekommen, bevor die PTT den Telekiosk lancierte. Er nahm zunächst erotische Inhalte auf Band auf und spielte diese auf privaten Nummern ab, wenn jemand anrief.
«Das war wie die Märchenstunde für Erwachsene, das hat von Beginn weg eingeschlagen, auch wenn das alles ‹handglismet› war», lacht Stöckli. Probleme gab es dadurch, dass er Rechnungen verschicken musste. Welche die Anrufer oft nicht bezahlten. «Sie behaupteten, nicht angerufen zu haben», sagt Stöckli.
Dieses Problem entfiel bei den 156er-Nummern, die innerhalb des Telekiosks rasch zur «Telefonsex-Vorwahl» wurden. Die PTT trieben die Telefonschulden sehr wohl ein. Sexsüchtige und gelegentliche Anrufer verprassten Tausende Franken, manchmal auf Kosten von Arbeitgebern oder Bekannten.
Stöckli erkannte das Potenzial aufgrund eines Artikels im Blick und startete gleich mit 24 Linien. Das Geschäft florierte sofort.
Die Behörden-Dämpfer
Probleme bereiteten nur die Behörden. Schon Ende 1993 wollte der Bundesrat zum Schutz von Kindern und Jugendlichen die Anbieter von erotischen Angeboten verpflichten. Ohne grosse Wirkung: «Ich musste nie mit Passwort arbeiten», erklärt Stöckli.
Grössere Probleme machte ihm nur der damalige Zürcher Staatsanwalt, der hohe Bussgelder einforderte, weil das Geschäft illegal sei. Stöckli musste tatsächlich eine saftige Busse bezahlen und stellte anschliessend den Telefonsex-Betrieb ein. Das war ihm zufolge «rund fünf Jahre» nach Aufnahme des Telefonsex-Betriebs. «Das Telefonsex-Geschäft ging fast so schnell wieder, wie es gekommen war», führt er aus.
1997 wurden die 156-Nummern aus dem Verkehr gezogen – und durch solche ersetzt, die mit 0906 beginnen. Trotz der Fülle von Pornografie gibt es bis heute noch Telefonsex-Angebote. Damit verdient heute aber niemand mehr Millionen.
Stöckli hatte die Zeichen der Zeit erkannt. Ende der 90er-Jahre verdiente er sein Geld schon längst mit dem Erotik Markt.