Es geht Schlag auf Schlag. Die Migros informiert über erste Entlassungen. Der grösste Stellenabbau der fast 100-jährigen Firmengeschichte läuft seit Dienstagvormittag. Kurz vor dem Pfingstwochenende sickerte an die Öffentlichkeit, dass Supermarkt-Chef Peter Diethelm (59) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Dienstag an den Hauptsitz am Limmatplatz in Zürich bestellt hat. Wer nicht vor Ort ist, erhielt per Videostream in Echtzeit Details über die neusten Entwicklungen.
Betroffen ist vorerst die Supermarkt AG, die Anfang Jahr den Betrieb aufgenommen hat. Diese zentrale, strategische Einheit übernimmt alle Aufgaben, die sich standardisieren lassen und wo Grössenvorteile für die regionalen Genossenschaften ausgenutzt werden können. Einkauf und Sortimentsplanung gehören ebenfalls dazu. «Wir wollen einfacher und schneller werden, darauf haben wir die neue Organisation ausgerichtet», sagt Diethelm. Zentralisierung heisst aber auch, dass es gewisse Stellen im Marketing, Logistik und Informatik nicht mehr zigfach braucht. Das Verkaufspersonal in den Supermärkten, für das die regionalen Genossenschaften verantwortlich sind, hat nichts zu fürchten. Dafür die Fachleute aus den genannten Bereichen, die vom Migros-Genossenschaftsbund vor Monaten unter das Dach der Supermarkt AG verschoben wurden.
Betroffene Mitarbeiter werden freigestellt
Laut Mitteilung der Migros erhalten nun 150 Mitarbeitende von insgesamt 900 der Supermarkt AG in Zürich den blauen Brief. Damit nicht genug: Gegen 100 weitere Personen erhalten eine Änderungskündigung. Willigen sie nicht ein, sind auch sie ihren Job los. Diethelm: «Mir ist bewusst, dass eine Kündigung für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter belastend und schmerzhaft ist. Es trifft viele geschätzte und auch langjährige Kolleginnen und Kollegen». Wer eine Kündigung bekommt, ist ab dem 17. Juni freigestellt.
Für die Betroffenen gilt ein neuer Sozialplan, der per 1. Mai 2024 in Kraft trat. Dessen Verbesserungen werden von den beteiligten Sozialpartnern lobend hervorgehoben. Von sich aus «aus persönlichen Gründen» gekündigt hat Sandra Stöckli, die stellvertretende Leiterin der Supermarkt AG. «Ausserordentlich bedauerlich», lässt sich Diethelm zu dieser Personalie in der Mitteilung zitieren.
Unter dem Strich muss sich nun fast jeder fünfte Supermarkt-AG-Mitarbeiter einen neuen Job suchen. Laut früherer Ankündigung werden im laufenden Jahr Migros-weit 1500 Vollzeitstellen abgebaut. «Maximal, auch über alle Fachformate», präzisiert der orange Riese auf Nachfrage.
Essenslieferdienst eingestellt, Fachmärkte vor Verkauf
Im Rahmen der Fokussierung aufs Kerngeschäft stellt die Migros den Essenslieferdienst FoodNow per Ende Mai ein, der vor vier Jahren lanciert wurde. Hier betroffen: 28 Mitarbeitende.
Im Verlauf dieses Jahres kommt es zum Abgang Tausender weiterer Mitarbeitenden. Die nächste Hiobsbotschaft kommt Ende Juni. Blick weiss: Dann tritt die Migros mit den Käufern für eigene Firmen an die Öffentlichkeit, die nicht mehr zur Ausrichtung auf das Kerngeschäft passen. Das ist zum einen der Sportfachhändler SportX und zum anderen der Elektronikhändler Melectronics. Die betroffenen Angestellten wechseln zum neuen Besitzer, sofern dieser alle weiterbeschäftigt.
Die heutigen Melectronics-Verkaufsflächen in den 50 grösseren Supermarkt-Filialen der Migros werden stark reduziert. Und zwar auf ein «Basissortiment an Elektronikartikeln», wie Zahnpflege- und Küchengeräte, Kaffeemaschinen sowie Batterien und Druckerpatronen.
Die Verkäufe der Reisetochter Hotelplan und des Industriebetriebs Mibelle gehen erst im späteren zweiten Halbjahr über die Bühne. Noch zählt die Migros rund 99'000 Beschäftigte. Sind die vier Verkäufe durch, stehen insgesamt rund 8000 weniger Mitarbeiter auf der Lohnliste der Migros.
Weitere Abgänge sind absehbar: Denn die Bau- und Gartencenter Obi und Do it+Garden stehen auf dem Prüfstand. Ebenso die Möbelkette Micasa und der Velo-Händler Bike World. «Der Entscheid zu allen Fachmärkten liegt noch vor den Sommerferien vor», sagt ein Sprecher zu Blick. Migros-Chef Mario Irminger (59) lässt sich alle Optionen offen, wie er früher im Jahr zu Blick sagte. Es kann folglich auch zu weiteren Firmenverkäufen kommen.