Der Stress im Job kommt immer häufiger nicht von der Arbeit, sondern von Vorgesetzten und Kollegen. Das zeigt eine Umfrage des Bundesamts für Statistik. In erster Linie fühlen sich Menschen mit Migrationshintergrund schlecht behandelt.
Das Amt befragte rund 3000 Personen in der Schweiz. Fast jeder und jede Dritte gibt an, er oder sie sein in den letzten fünf Jahren diskriminiert worden. Davon sagen über 50 Prozent, sie würden bei Stellensuche oder im beruflichen Alltag ungleich behandelt. Die Betroffenen berichten in erster Linie von Ausgrenzung und Mobbing.
Auf die Frage nach dem Hintergrund solcher unerfreulichen Erlebnisse am Arbeitsplatz verweisen die Betroffenen auf ihre Nationalität, Schwierigkeiten mit der Sprache oder wegen ihres Akzents, oft auch auf einen ausländischen Namen.
Frauen fühlen sich häufig aufgrund ihres Geschlechts mies behandelt. Als weitere Gründe für Diskriminierung bei der Arbeit werden Alter, Körpergewicht, sexuelle Orientierung oder Hautfarbe genannt.
Fragen nach dem Intimleben
Claudia Stam von der Fachstelle Mobbing berichtet von einer Zunahme der Anfragen wegen Diskriminierung am Arbeitsplatz. In den meisten Fällen richten sich die Vorwürfe gegen Vorgesetzte. In den Gesprächen beklagen Ratsuchende laut Stam auffallend häufig eine Kombination aus Beleidigungen und Benachteiligungen: «Beispielsweise erleben einige ihre Chefs als rassistisch und sehen ihre Hautfarbe als Grund für unfaire Leistungsbewertungen.» Viele Frauen suchen auch deshalb Hilfe, weil sie sich bei der Beförderung übergangen fühlen, ohne dass ihnen etwas vorzuwerfen sei.
Doch auch Arbeitskolleginnen und -kollegen tragen laut Stam dazu bei, dass man sich im Betrieb unwohl fühlt. So habe ihr kürzlich ein Mann berichtet, er habe sich wegen seiner homosexuellen Orientierung Fragen zu Sexpraktiken anhören müssen.
Stam fordert mehr Investitionen in Inklusion: «Wenn Teams aus Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen bestehen, liefern sie bessere Resultate, das beweisen diverse Studien.»
Schlechtere Chancen für Migranten
Auch bei der Fachstelle für Rassismusbekämpfung heisst es, Meldungen über Diskriminierung in der Arbeitswelt hätten zugenommen. Die Fachstelle habe 2023 doppelt so oft bei Arbeitgebern intervenieren müssen als im Vorjahr. So beleidigte beispielsweise ein Kunde eine Frau wegen ihrer Herkunft und weigerte sich, von ihr bedient zu werden. Daraufhin gab der Vorgesetzte ihr die Schuld.
Gerade Migrantinnen und Migranten erleben laut der Rassismus-Fachstelle Mobbing am Arbeitsplatz, Benachteiligung in Bewerbungsverfahren und Diskriminierung beim Lohn. Die Folgen seien häufig höhere Arbeitslosigkeit, tieferes Einkommen und schlechtere Karrierechancen.
Burnouts und Kündigungen
Ob die Diskriminierung tatsächlich zugenommen hat, können die Verantwortlichen der Fachstellen nicht sagen. Die Häufung der Fälle könne mit einer erhöhten Sensibilität zusammenhängen, aber auch damit, dass Betroffene Diskriminierungen weniger oft schweigend hinnehmen.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft warnt, Diskriminierungserfahrungen seien alles andere als harmlos. Wer sich am Arbeitsplatz ausgegrenzt fühlt, leidet laut Seco mit doppelter bis dreifacher Wahrscheinlichkeit an emotionaler Erschöpfung oder körperlichen Beschwerden. Die Gesundheit könne bereits nach kurzer Zeit beeinträchtigt werden. Leistung und Jobzufriedenheit der Betroffenen sänken dann bis zu Fällen von Burnout oder Kündigung.
Das Seco sieht in erster Linie die Arbeitgeber in der Pflicht. Diskriminierung im Job hänge vor allem mit dem Management und der Unternehmenskultur von Unternehmen zusammen. «Eine stressreiche Arbeitsumgebung sowie Mängel in der Arbeitsorganisation und im Führungsverhalten können Mobbing direkt und indirekt fördern. Sie begünstigen ein unsoziales, destruktives und respektloses Verhalten.» Die Führung eines Betriebs habe grossen Einfluss darauf, wie dort miteinander umgegangen werde. Entscheidend sei eine Führungskultur, die eine konstruktive Zusammenarbeit fördere.
Ist das Homeoffice schuld?
Einige Fachleute vermuten, dass neue Arbeitsformen Diskriminierung verschärfen. Online sei es einfacher, hinter dem Rücken von Betroffenen zu lästern und sie auszuschliessen, sagt etwa die Fachspezialistin Diversity der Universität St. Gallen, Anna-Katrin Heydenreich. Zudem sei man diskriminierenden Vorgesetzten oder Kolleginnen und Kollegen in Einzelgesprächen eher ausgesetzt als vor Zeugen.
Auf der anderen Seite könne es im Homeoffice einfacher sein, auf individuelle Bedürfnisse etwa bei der Kinderbetreuung einzugehen, diskriminierenden Mitarbeitern aus dem Weg zu gehen oder auch ein Stigma zu verbergen. Es liege an Arbeitgebern, explizit klarzustellen, dass Diskriminierungen nicht toleriert werden.