Hurra, nach einer Woche ist es so weit: Die «MS Ever Given» ist freigelegt. Schon bald soll der Suezkanal wieder befahren werden. Es stauen sich bereits mehrere hundert Schiffe, die den Kanal passieren möchten. Wie lange geht es, bis die Normalität zurückkehrt?
«Es wird noch einige Wochen dauern», sagt André Auderset (61), Geschäftsführer der schweizerischen Vereinigung für Schifffahrt und Hafenwirtschaft (SVS). Die Schiffe stauen sich nämlich jetzt vor dem Kanal. Und erneut am Zielhafen wie etwa in Rotterdam. Dort gab es bereits vor der Suez-Blockade Probleme beim Wechsel vom See- zum Binnenschiff. «Dies wird nun verschärft, wenn eine ganze Armada von Seeschiffen auf einen Schlag dort eintrifft», so Auderset.
Kosten müssen selbst getragen werden
Zu den verspäteten Waren gehören unter anderem Kleider, Baumarktartikel, elektronische Teile, Spielzeuge oder Sportartikel. Rhenus Alpina sei schwer betroffen von der Situation. «Für solche Verspätungen hat Rhenus keine Rückversicherung. Falls es zu Zusatzkosten kommt, werden diese von unseren Kunden übernommen», sagt Claudia Bracher, Sprecherin von Rhenus Alpina, einem Logistikunternehmen mit Sitz in Basel.
Laut Auderset vom SVS sind im Normalfall Vorkommnisse an den Seeterminals finanziell abgedeckt: «Hier handelt es sich aber um einen Sonderfall. Schon angesichts der eher niedrigen Margen im Flusstransport ist es den Reedern nicht möglich, Sonderkosten selbst zu tragen – sie werden sie an die Verlader weitergeben müssen.» Sprich: Die Logistikunternehmen müssen die Kosten ihren Kunden anlasten, was wiederum zu einem Preisaufschlag führen kann.
Ein Teil der Schiffe haben inzwischen den alternativen Weg um das Kap der Guten Hoffnung herum gewählt. Jene Route dauert zehn Tage länger. Das Logistikunternehmen Kühne + Nagel mit Sitz in Schindellegi SZ hat auch zahlreiche Schiffe am Suezkanal. Ende letzter Woche warteten knapp vierzig Schiffe auf die Öffnung des Kanals. «Stand gestern Nachmittag wurden ungefähr 25 Containerschiffe über das Kap der Guten Hoffnung umgeleitet», heisst es auf Anfrage von BLICK. Die Schiffe treffen also in sieben bis neun Tagen ein.
Genügend Ware an Lager
Experten befürchten, dass die Teilentladung des Frachters bis zu drei Wochen dauern könnte. Im internationalen Frachtverkehr eine Ewigkeit. Die Auswirkungen auf Waren des Alltags sind gross. Betroffen sind vor allem Artikel wie Toilettenpapier, wie das «St. Galler Tagblatt» berichtet. Der Grund: Der dafür benötigte Rohstoff kommt fast nur aus Südamerika. Da werden Erinnerungen wahr an die erste Corona-Welle.
Und das hat weitreichende Folgen. «Wegen des Mangels an leeren Containern, die sich jetzt am Suezkanal stauen, sind unsere Lieferungen durcheinandergekommen», sagte der CEO des brasilianischen Unternehmens Suzano, Walter Schalka, gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg.
Haushaltsartikel betroffen
Doch nicht nur das WC-Papier kann knapp werden, wie während dem ersten Corona-Lockdown. «Fast jeder Haushaltsartikel wird von den entstehenden Verzögerungen betroffen sein», befürchtet Lars Jensen vom Beratungsunternehmen «Seaintelligence Consulting».
Konkret: Schon in vier Wochen könnte es die «ersten Sortimentslücken in den Supermärkten» geben, erwartet Willem van der Schalk vom Komitee deutscher Hafenspediteure. Dabei geht es um mehr als um WC-Papier. Auch um Kaffee, der primär aus Äthiopien kommt. Oder aus Vietnam und Indonesien.
Keine Engpässe bei Migros und Coop
Immerhin können sämtliche Ware weiterhin verkauft werden. «Durch den Suezkanal werden in erster Linie Produkte des Non-Food-Bereichs wie beispielsweise Elektrogeräte geliefert», so die Coop-Sprecherin. Momentan hat Coop allerdings genügend Waren an Lager. «Es kommt zu keinen Nachschubproblemen. Es hat genügend Ware in der Schweiz an Lager», heisst es auch bei der Migros: «Preiserhöhungen in den Läden konnten wir bisher allerdings vermeiden.»
Nahrungsmittel-Multi Nestlé gibt sich schon fast künstlich gelassen. Ein Sprecher sagt zu BLICK: «Wir beobachten die Situation vor Ort und die Anstrengungen, die unternommen werden, um das Schiff freizubekommen. Allfällige Massnahmen werden auf Grundlage der weiteren Entwicklung getroffen. Noch ist es aber zu früh, Aussagen über allfällige Auswirkungen zu machen.»