Mediziner Manuel Trachsel über Impfverweigerer
«Ethisch falsch, Ungeimpfte zu bestrafen, aber...»

Es läuft derzeit eine kontroverse Debatte über eine Ausweitung der Einschränkungen für Impfverweigerer. Soll man diesen die Behandlung auf den Intensivstationen verbieten können? Nein, sagt etwa Manuel Trachsel vom Universitätsspital Basel.
Publiziert: 28.08.2021 um 16:48 Uhr
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Aktualisiert: 28.08.2021 um 16:56 Uhr
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Es läuft derzeit eine kontroverse Debatte über eine Ausweitung der Einschränkungen für Impfverweigerer.
Foto: imago images/Jan Huebner

Wie lassen sich Impfskeptiker zum Corona-Piks bewegen? Wie weit kann eine Gesellschaft mit dem Druck auf Ungeimpfte gehen? In Deutschland will Bundeskanzlerin Angela Merkel (67) die 3G-Regel (Geimpft, Genesen, Getestet) auch in der Bahn durchsetzen. Hierzulande gibt es Vorschläge, Impfverweigerer auf den Intensivstationen nicht mehr zu behandeln oder sie selbst bezahlen zu lassen, wie die «NZZ» schreibt. Das hält etwa Medizinethiker Manuel Trachsel für bedenklich.

«Der Impfstatus darf keine Rolle spielen, wenn es um lebensnotwendige medizinische Massnahmen geht. Es wäre ethisch falsch, Ungeimpfte in den Spitäler zu bestrafen», sagt der Leiter der Klinischen Ethik am Universitätsspital Basel der Zeitung. Herkunft, Sprache, Kultur, Religion, Beruf, sozialer Status, politische Einstellung: «Das alles darf nicht relevant sein.» Darauf hätten sich die Intensivmediziner zu Recht geeinigt.

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Appell: «Bleibt zu Hause, macht nichts Riskantes»

Trotzdem mache es auch ihn in einem ersten Reflex hässig, wenn man sehe, wie sich Schweizer Intensivstationen mehrheitlich derzeit mit Ungeimpften füllten. Aber: «Die Ärztinnen und Ärzte müssen sich stets fragen, bei welchen Patienten – egal ob geimpft oder nicht – eine Behandlung dringlicher ist», sagt Trachsel. «Die kurzfristige Überlebenschance ist entscheidend.»

Trachsel: «Man kann nur, wie es der Bundesrat in der ersten Corona-Welle gemacht hat, an die Leute appellieren: Bleibt zu Hause, und macht nichts Riskantes, das euch ins Spital bringen könnte.»

Dass derzeit zahlreiche Spitäler bereits wieder geplante Eingriffe verschieben, hält Trachsel für ein «riesiges Problem», wie er im Gespräch mit der «NZZ» sagt. Das ist auch der Grund, warum er persönlich frustriert sei: «Dass aufgrund von unvernünftigen Entscheidungen eines Teils der Bevölkerung andere Menschen leiden oder sogar sterben müssen.»

Kosten selber zahlen geht nicht

Bei der moralischen Bewertung mache es schon einen Unterschied, «ob sich ein gut ausgebildeter Schweizer bewusst gegen eine Impfung entscheidet oder ob eine afghanische Asylbewerberin sich noch nicht hat impfen lassen, weil sie viel grössere Probleme hat als die Pandemie und vielleicht auch vor sprachlichen Barrieren steht.»

Unbrauchbar sei der Vorschlag, dass Ungeimpfte die Spitalkosten selbst zahlen müssten. Damit würde man sich wieder ganz grundsätzliche Fragen einhandeln: «Müsste dann jeder Raucher oder Übergewichtige die Lungenkrebs- oder Diabetesbehandlungen selber bezahlen?» In der Corona-Debatte könne die Ethik letztlich keine eindeutig richtige oder falsche Antwort geben. «Das muss eine demokratische Gesellschaft politisch aushandeln.» (uro)

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