Wer dieser Tage an der linken Zürichsee-Seite sein Feierabendbier am Seeufer trinkt, muss sich einen Pullover überziehen. Denn selbst bei gutem Wetter tut er es im Schatten. Bitter der Blick über den See: Das Ufer gegenüber gleisst in der Sonne.
Daher die Übernamen für die beiden Ufer: Goldküste für jenes mit der Abendsonne, Pfnüselküste für jenes, wo sie sich am Abend warm einpacken.
89 Prozent Preis-Plus
Seit jeher spiegelte sich das im Immobilienmarkt. Auf der einen Seite vor Jahrzehnten die Ulrich Willes (Meilen) oder C. G. Jungs (Küsnacht), später die Blochers (Herrliberg) oder Margarita Louis-Dreyfus (Zollikon). Auf der anderen Seite erst jene, die nur dort wohnten, weil sie mussten: die Arbeiter der Textilfärberei Weidmann in Thalwil oder der Tuchfabrik in Wädenswil. Dann je länger je mehr die Mittelschicht.
In den letzten Jahren ist das hässliche Entlein Pfnüselküste gar zum prächtigen Schwan herangewachsen. Und hat im neuen Immobilien-Report von ETH Zürich und dem Suchportal Comparis.ch die Goldküste in Sachen Kaufpreise sogar überholt. Laut diesem ist der Preis pro Quadratmeter Wohnung im Bezirk Horgen am linken Seeufer in den letzten 11 Jahren um 89 Prozent gestiegen und lag per 1. Juli bei 11'750 Franken. Das sind 500 Franken mehr als im Bezirk Meilen gegenüber. Nummer eins war und ist die Stadt Zürich mit 13'000 Franken pro Quadratmeter.
Nicht nur teurer, auch beliebter
«Die Goldküste war immer schon enorm teuer – nun ging es halt einfach nicht mehr viel teurer», sagt Donato Scognamiglio (48), CEO des Beratungsunternehmens Iazi. «Allerdings wurde dort in letzter Zeit auch zu viel gebaut.»
Anzeichen dafür: Die Leerwohnungsziffer, die im Bezirk Meilen mit 2,3 Prozent deutlich über dem Schweizer Schnitt von 1,6 Prozent liegt. Plötzlich hat die Goldküste den Pfnüsel. Noch deutlicher ist der Unterschied zur Leerwohnungsziffer des Bezirks Horgen von 0,7 Prozent. Oder anders: Das linke Zürichseeufer ist nicht nur teurer als das rechte, sondern auch beliebter.
Beat Ritschard (53), Geschäftsführer der Standortförderung Zimmerberg-Sihltal in Horgen, wundert sich darüber nicht: «Der Wirtschaftsmotor Zürich läuft und läuft. Das produziert Nachfrage nach Wohnraum an guter Lage.»
Jobs und Verkehrsanbindung
Das linke Seeufer habe gegenüber ihrem Gegenüber grosse Vorteile: «Bei 125'000 Einwohnern gibts im Bezirk 50'000 Arbeitsplätze.» Und das bei Welt-Firmen wie Lindt (Kilchberg), dem IBM-Forschungszentrum (Rüschlikon) oder dem Europa-Hauptsitz von Dow Chemical (Horgen).
Ritschard: «Das zieht gut ausgebildete Personen an. Sie können zudem in der Mittagspause mit ihren Kindern essen oder im Wald joggen gehen. Das ist Lebensqualität.»
Hinzu komme die Verkehrsanbindung: «Wir haben hier die Zuganbindung Richtung Innerschweiz und Chur, zudem noch die A3 Richtung Chur.» Bei diesen Vorteilen zieht man gerne einmal mehr einen Pullover an.