Vorne zu sitzen im Flieger, war immer schon ein Privileg. Nun gibts aber ein Wettrennen darum, wer sich im Premiumbereich die besten Sitze sichert: Kunden und Kundinnen, die für Freizeit und Ferien unterwegs sind, übertrumpfen dabei oft die klassischen Geschäftsreisenden. Die Leisure-Kundschaft gönnt sich gutes Essen, teuren Service und einen Sitzplatz, der sich zum Bett ausfahren lässt.
«Das Geschäft mit der Business Class läuft hervorragend», bestätigt Florian Dehne, Luftfahrtexperte bei der Beratungsfirma Roland Berger. «Es gibt seit einigen Jahren den Trend, dass besonders bei beliebten Feriendestinationen der Anteil der Business-Class-Passagiere recht hoch ist. Nach Corona hat sich dieser Trend noch verstärkt.»
Früher galt: Business-Kunden und -Kundinnen müssen sich entspannen während des Flugs, sie brauchen mehr Komfort, um ausgeruht zum Meeting zu erscheinen. Nun gilt: Die Leisure-Reisenden wollen das ebenso. Damit findet in der Business Class so etwas wie ein Kundschaftswechsel statt. Und ohnehin laufen in der Passagierluftfahrt die Geschäfte sehr gut. Die Airline-Chefs frohlocken. Das ist nicht nur so im grössten Aviatikmarkt – der USA –, sondern auch in anderen Teilen der Welt wie in Europa. Corona-Krise war gestern.
Der Trend zu luxuriösen Ferienflügen
Eigentlich könnten die Airlines die Bezeichnung Business Class streichen, da in der Business Class zum grossen Teil nicht mehr nur Menschen sitzen, die beruflich unterwegs sind. Wer sich also was leisten will beim Reisen, fliegt Business. Oder bucht sich sogar in die First hoch. Die First gibt es zwar nicht bei allen Airlines, das First-Geschäft läuft aber derzeit ebenfalls prächtig.
«Der Freizeit- und Geschäftsreiseverkehr vermischt sich immer mehr», sagt Dehne. «Das hat auch damit zu tun, dass die Tarifsysteme für Business-Class-Tickets deutlich flexibler geworden sind.»
Dieser Artikel wurde erstmals in der «Handelszeitung» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.handelszeitung.ch.
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Ursprünglich war es so: Die Airlines hofierten die Geschäftsreisenden, weil die besonders lukrativ sind. Es ist eine Klientel, die in der Regel teure Tickets kauft, oftmals sehr kurzfristig. Die Arbeitgeber, internationale Banken und Versicherungen zum Beispiel, bekommen zwar üppige Rabatte von den Airlines, buchen aber auch Flüge in sehr grosser Zahl für ihre Mitarbeitenden. Das lohnt sich für die Fluggesellschaften.
Dann kam die Zeit, in denen viele Firmen etwas genauer auf die Reiseausgaben achteten. So manche Führungskraft musste zähneknirschend nach hinten in die Holzklasse, denn gerade auf den kurzen Flügen liessen sich die Business-Ticket-Kosten kaum rechtfertigen.
Die Pandemie hat uns anschliessend gelehrt, dass es oft doch reicht, einen Videocall zu machen, statt zu fliegen. Sicher, niemand macht Geschäfte nur noch remote, aber die klassischen Eintagesgeschäftsreisen sind deutlich zurückgegangen. Die Airlines haben darauf reagiert, auf vielen typischen Business-Routen wurde die Frequenz reduziert.
Business- und Freizeitreisen vermischen sich
Überhaupt hat sich im Geschäftsreiseverkehr vieles gewandelt: Beliebt ist mittlerweile, Geschäftliches mit Freizeitreisen zu verbinden. Statt Dienstag bis Donnerstag zum Kunden zu jetten, wird heute die Reise zum Beispiel von Mittwoch bis Freitag gebucht und vor Ort ein verlängertes Weekend drangehängt – eventuell mit Partner und Familie.
Der Begriff «Bleisure Travel», das Kombinieren von Business und Leisure, hat Konjunktur. Manche Airline berichtet, dass der Umsatz mit der Bleisure-Kundschaft über dem liegt, was früher die klassischen Geschäftsreisenden einbrachten. So sortiert sich das Airline-Geschäft mit den Geschäftskunden nach Corona neu.
Berater Dehne argumentiert, dass die Business Class auch deshalb stärker nachgefragt werde, weil es eine Öffnung für neue Zielgruppen gebe. «Den Airlines fehlt aktuell immer noch ein grosser Teil des Geschäftsreiseverkehrs. Es betrage derzeit nur rund 60 Prozent dessen, was im Jahr 2019 üblich gewesen sei.
Dass die Freizeit- und Ferienreisenden generell eine starke Fraktion bilden, habe sich schon früher auf bestimmten Strecken beobachten lassen, so Dehne: «Das ist auf beliebten Strecken wie beispielsweise nach New York, Bangkok oder Johannesburg schon länger üblich», sagt Dehne. «Auf diesen Routen ist die Business Class in der Regel oftmals mehr mit Freizeitkundschaft als mit Geschäftsreisenden ausgelastet.»
Schlafkomfort auf der Langstrecke
Und schliesslich kommen die Vorteile der Business Class erst auf längeren Flügen zur Geltung. In Fliegern, die etwa in Europa oder bis nach Nordafrika eingesetzt werden, sind die Sitze in der Business Class nicht anders als die in der Economy Class. «Man sitzt lediglich vorne, hat meist einen freien Mittelsitz und Catering plus diverse Vorteile am Flughafen wie mehr Freigepäck oder die Fast-Track-Sicherheitskontrolle», sagt Alexander Koenig, Gründer der Vielfliegerberatung First Class & More. «Bei Europa-Flügen ist also die Frage: Wie viel sind einem die Vorteile wert?»
Auf der Langstrecke hingegen gibt es laut Koenig bei den meisten Airlines einen Business-Class-Sitz, der sich in ein vollständig flaches Bett verwandeln lässt. Zudem sei das Catering deutlich besser. «Gerade auf Nachtflügen dürften die meisten Passagiere den erhöhten Schlafkomfort schätzen, während auf kürzeren Tagflügen viele darauf verzichten würden und vielleicht nur die Premium Economy Class buchen, die ein Plus an Komfort zur Economy Class bietet.»
Kritikpunkte wie die Tatsache, dass die Business Class in Sachen Umweltfreundlichkeit natürlich gegenüber der Eco viel schlechter abschneidet, lässt viele zahlungskräftige Kundinnen und Kunden dann aber wohl doch eher kalt. Und die First-Kundschaft sowieso.
Die Airlines rüsten ihre Business Class auf
Doch wie lange wird die Business so gefragt bleiben? «Der Trend, dass die Business Class gut läuft, sollte noch mindestens fünf Jahre anhalten, derweil wird das Reisen auf jeden Fall generell teurer werden», sagt Florian Dehne. «Erhöhte Vorgaben zur Beimischung von nachhaltigem Flugzeugtreibstoff sowie steigende Umweltabgaben wirken sich hierbei auf den Preis aus.»
Was auf jeden Fall zu sehen ist: Die Airlines rüsten weiter auf für die Business-Klasse. Es gibt einen hohen Wettbewerbsdruck: «Der Trend geht in der Business Class klar in Richtung Suite und mehr Privatsphäre», sagt Dehne. Das setzt besonders einige etablierte Airlines unter Druck, die eher längere Produktzyklen haben und nun daran sind, ihre Business Class massiv umzubauen.
Während die Lufthansa ihre neue Business Class wohl schon bald einführt, müssen sich Swiss-Reisende noch bis zum Jahr 2025 gedulden. Dann sollen die Passagiere zahlreiche Zusatzoptionen bei der Business Class buchen können, etwa ein sogenannter Privacy Seat am Fenster, der den grösstmöglichen Abstand zum Gang aufweisen soll. Oder ein extra langes Bett mit 2,20 Meter Länge statt der bisherigen gut 2 Meter. Wie bei der Lufthansa sind insgesamt sieben verschiedene Sitztypen in der Business geplant.
Die neue Business Class bei der Swiss, die Teil eines komplett neuen Kabinenkonzeptes ist, wird zuerst in Maschinen vom Typ Airbus A330-300 eingebaut werden, später dann auch in Langstreckenfliegern vom Typ Boeing 777-300ER. Die neu bestellten Airbusse A350-900 sollen dann bereits mit der neuen Kabinenausstattung ausgeliefert werden, wie die Swiss wissen lässt.
Lohnen sich die hohen Investitionen?
Airline-Managerinnen und -Manager hoffen, dass ihre Wette bei den Investitionen in Sachen Business Class aufgeht: Wenn diese Sitzplätze für ein Vielfaches der Economy-Preise verkauft werden können, liegt es auf der Hand, dass Fluggesellschaften wie Lufthansa, Qantas und Etihad extra breite Betten und UHD-Fernseher in ihre Flugzeuge einbauen.
Wenn sich aber der Luxusboom verlangsamt und sich die hohen Nach-Corona-Reiseausgaben wieder deutlich reduzieren, dann haben sich die hohen Ausgaben der Fluggesellschaften nicht gerechnet. Zudem könnten auch Klimaüberlegungen bei den Reisenden wieder in den Vordergrund treten, was für den Business-Class-Boom ebenfalls ein Problem werden würde.
Die teuren Business-Class-Sitze dann mal eben wieder ausbauen – das geht nicht so leicht.