In meiner Anfangszeit als Ladendetektivin arbeitete ich im Lebensmittelbereich. Da kam es vor, dass vielleicht mal jemand ein Brötli nicht bezahlt hat, einfach weil er oder sie Hunger hatte. Heute ist das ganz anders. Vom Ärmsten bis zum Reichsten – alle packen ein. Die denken sich: Ich kaufe so oft hier, da kann ich auch mal was mitgehen lassen. Oder sie sind einfach geizig.
Und dann gibt es natürlich auch Kinder und Jugendliche, die als Mutprobe klauen oder wegen des Gruppendrucks. Ich hatte einmal einen Schüler, der von anderen zum Stehlen genötigt wurde. Das ganze Schulhaus inklusive des Lehrers wusste davon. Niemand unternahm etwas, weil der Bub aus Angst die Anstifter nicht verpfeifen wollte. Dass Erwachsene das laufen lassen, kann ich nicht nachvollziehen.
Manche Ladendiebe sind ziemlich unbeholfen, klauen direkt unter der Kamera oder neben mir. Viele sind aber auch Profis. Sie sind bandenmässig organisiert und verdienen so ihren Lebensunterhalt. Ich arbeite in verschiedenen grossen Warenhäusern. Dort haben wir es immer öfter mit Profidieben zu tun. Sie kommen nicht selten als Familie getarnt ins Warenhaus. Teilweise tragen sie Kleidung, unter der sie vieles verstecken können und die mit speziellem Material präpariert ist, das bei den Detektoren nicht anschlägt.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
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Meist sind die einen dafür zuständig, die Waren zu entsichern. Sie haben Werkzeug dabei. Andere packen ein, wieder andere passen auf, dass sie nicht entdeckt werden. Mit der Zeit kennt man die Rollen. Mir fallen Menschen sofort auf, wenn sie nicht so recht ins Ambiente passen, andere beobachten oder Blicke austauschen. Als Detektiv oder Detektivin geht es dann vor allem darum, selber nicht aufzufliegen. Ein Profidieb merkt sofort, wenn er beobachtet wird.
«Ja, das war wohl Zauberei»
Wenn ich jemanden auf frischer Tat ertappe, warte ich, bis die Person den Kassenbereich passiert hat. Wenn sie das Geschäft verlassen hat, spreche ich sie draussen an und bitte sie, mitzukommen in einen separaten Raum. Wenn einer sich widersetzt, rufe ich die Polizei. Wir dürfen niemanden festhalten oder durchsuchen.
Die Ertappten reagieren ganz unterschiedlich. Manche geben vor, keine Ahnung zu haben, wie das Diebesgut in ihre Tasche gekommen ist. «Hä, das war vorher noch nicht da drin», sagen sie ganz unschuldig. «Ja, das war wohl Zauberei», erwidere ich dann. Andere geben sofort alles zu und entschuldigen sich.
Ich habe zum Glück noch nie Gewalt erlebt. Ich stelle aber auch nicht jeden allein. Im Zweifelsfall hole ich mir Unterstützung. Eigenschutz geht vor.
Es kann auch passieren, dass jemand zu Unrecht angehalten wird. Zum Beispiel wenn eine Kundin oder ein Kunde an einem Ort etwas aus einem Gestell nimmt und es an einem anderen Ort wieder ablegt. Da kann es leicht zu falschen Verdächtigungen kommen. Das ist für alle Beteiligten sehr unangenehm, lässt sich aber nicht vermeiden.
Ein Job mit Action, Power und Sinn
Ich habe vor 20 Jahren diesen Beruf gewählt, weil für mich damals nur stundenweise Einsätze im Geschäft möglich waren. Eine Kollegin hat mich darauf gebracht. Zuvor hatte ich beim Rettungsdienst gearbeitet. Ich brauche Action und Power und einen Job, der Sinn ergibt. Das ist hier der Fall. Es befriedigt meinen Gerechtigkeitssinn. Das Beobachten, das Erkennen, das macht mir einfach Freude.
Und dann hört man natürlich viele Geschichten. Ich erinnere mich an ein Heimkind, ein 17-jähriges Mädchen, das geklaut hatte. Wir redeten sehr lange. Am Ende umarmte sie mich und sagte mir, sie habe kein so gutes Gespräch mehr gehabt, seit ihre Schwester sich vor zwei Jahren das Leben genommen hatte. Das ist mir sehr nahegegangen. Ich habe auch schon Briefe erhalten von Dieben, die sich bedankten, dass ich sie anständig behandelt habe. Ich habe grundsätzlich kein Mitleid mit Dieben. Aber ich vergesse nie, dass ich einen Menschen vor mir habe.
Aufgezeichnet von Conny Schmid