Kündigungswelle bei der Credit Suisse
Die Angst um den Bonus hält einige zurück

Bei der CS rennen fast alle davon – die Kunden ebenso wie viele Mitarbeitende. Einige dagegen wollen ausharren – damit der Bonus nicht flöten geht.
Publiziert: 25.05.2023 um 12:51 Uhr
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Viele Mitarbeitende der CS bewerben sich bei anderen Banken.
Foto: EQ Images

Die Grossbank Credit Suisse hat nicht nur unter erheblichen Mittelabflüssen gelitten. Sie ist auch mit einer Abwanderungswelle von Mitarbeitenden konfrontiert. Trotz der Unsicherheiten haben sich jedoch einige Angestellte entschlossen, bei der Absturz-Bank zu bleiben, die gerade von der UBS übernommen wird.

«Der Markt wird von Lebensläufen von CS-Mitarbeitenden überschwemmt», sagt ein Bankenkenner zur Nachrichtenagentur AWP. «Diejenigen, die können, gehen. Aber einige Führungskräfte in Schlüsselpositionen ziehen es vor zu bleiben, weil sie wissen, dass die CS sie braucht.» Allerdings sei die Angst, nicht zu wissen, was der nächste Tag bringen wird, durchaus vorhanden.

Wer geht, muss Bonus zurückzahlen

L. M. (Name geändert) arbeitet als Führungskraft bei der Credit Suisse. Sie ist nicht auf der Suche nach einer anderen Stelle – zumindest nicht im Moment. «Wenn ich jetzt gehen würde, würde ich einen Grossteil meines Bonus für 2022 verlieren», sagt die Leiterin eines internationalen Teams zu AWP.

Bei Erhalt ihres Bonus verpflichten sich die Mitarbeiter der Credit Suisse, drei Jahre lang bei der Bank zu bleiben. Ansonsten müssen sie den gesamten erhaltenen Betrag zurückzahlen. «In den USA sind abwerbende Banken bereit, den verlorenen Bonus zu zahlen», sagte L.M. In der Schweiz sei diese Praxis aber weniger üblich.

«Ausserdem kann ich die Positionen meiner Mitarbeiter besser verteidigen als jeder andere, wenn ich bleibe», sagt L. M., die direkt am laufenden Integrationsprozess beteiligt ist. «Wie die meisten meiner Kollegen halte ich die Fusion nicht für die beste Lösung, aber ich bin überzeugt, dass sie Chancen bieten kann.»

Grosses Misstrauen

L. M. stellt fest, dass aufgrund der Ungewissheit darüber, welche Stellen bei der Fusion wegfallen werden, unter den Mitarbeitenden der CS ein «sehr wettbewerbsorientiertes» Klima herrsche. «Es werden ziemlich viele Informationen zurückgehalte, jeder will sich im besten Licht präsentieren.»

Auch A. W. (Name geändert) zieht es vor, konkrete Ankündigungen zum Stellenabbau abzuwarten, bevor er sich anderswo bewirbt. «Nach der Ankündigung der Übernahme gab es viele Unsicherheiten, und wir wussten nicht, ob wir die Arbeit an den neuen Projekten einstellen sollten.»

Mittlerweile habe sich die Situation aber etwas gebessert, sagt A. W. «Jetzt haben wir grünes Licht für die Weiterentwicklung der neuen Projekte und sind auf der Suche nach neuen Mitarbeitern.» In anderen Abteilungen sehe es aber anders aus: Gerade bei der Vermögensverwaltung seien «deutlich mehr» Mitarbeitende von Bord gegangen.

Flucht zu Privatbanken

Die Höhe der Abgangswelle lässt sich nur schwer beziffern. Einen Fingerzeig geben aber die regelmässig eintreffenden Meldungen anderer Banken, wonach sie einzelne Mitarbeitende oder gar ganze Teams der Credit Suisse eingestellt hätten.

Von den rund 50 Kundenberatern, die etwa die Zürcher Privatbank EFG im ersten Quartal 2023 rekrutiert hat, stammten 30 bis 40 Prozent von der Credit Suisse. «Es werden noch mehr kommen», prophezeite VR-Präsident Alexander Classen in einem Interview mit der Zeitung «Le Temps».

Kellerher attackiert Investmentbanker

Der Vermögensverwalter Julius Bär gab einen indirekten Hinweis: Die Zahl der «Relationship Manager» wurde zuletzt um rund 40 erhöht, «teilweise begünstigt» durch die Turbulenzen in der Branche.

Dabei will die UBS doch vor allem die Investmentbank der Credit Suisse zurechtstutzen. Diese sei, wie UBS-Chairman Colm Kelleher unlängst auf einer WSJ-Veranstaltung in London sagte, «ausser Kontrolle» geraten.

Sicher ist: Die «Shotgun-Wedding» von Credit Suisse und UBS schafft enorme Doppelspurigkeiten und wird viele Jobs kosten. Da sich die UBS-Spitze aus verständlichen Gründen noch nicht über die Höhe des Stellenabbaus geäussert hat, schiessen entsprechend die Spekulationen ins Kraut.

Spekulationen um Stellenabbau

Ende 2022 zählten die beiden Banken zusammen in Vollzeitstellen gerechnet insgesamt 123'000 Mitarbeitende. In der Schweiz stehen bei der UBS 21'000 Angestellte auf der Lohnliste, bei der Credit Suisse rund 16'000.

Die «Sonntagszeitung» warf Anfang April als Erste eine Zahl in den Ring: 20 bis 30 Prozent der Arbeitsplätze würden gestrichen. Dies wären weltweit 25'000 bis 36'000 Jobs. Die jüngste Meldung kommt von Inside Paradeplatz: Laut dem Finanzportal wird die UBS allein in der Schweiz 6700 Stellen abbauen. Gemäss einem dort zitierten Insider soll von der grossen traditionsreichen CS nicht viel mehr als die Online-Bank CSX übrig bleiben. Der Rest würde in die UBS integriert.

Die CS-Mitarbeitenden, die auf Informationen zu ihrer Zukunft bei der neuen Grossbank warten, müssen sich noch etwas gedulden. Zwar will die UBS die Übernahme in den kommenden Wochen abschliessen. Die vollständige Integration der beiden Kreditinstitute könnte aber drei bis vier Jahre dauern. (SDA/koh)

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