Krypto-Anleger brauchen in diesem Jahr Nerven
Digitalgeld-Branche gerät nach Crash ins Wanken

Der Wertverlust der Krypto-Leitwährung Bitcoin und Turbulenzen im Bereich der dezentralen Finanzanwendungen haben die Branche in starke Bedrängnis gebracht.
Publiziert: 18.07.2022 um 16:36 Uhr
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Der Bitcoin ist das bekannteste Kryptogeld der Welt.
Foto: Keystone

In Kryptowährungen investierte Anleger brauchten in diesem Jahr bisher starke Nerven. Die hiesige Kryptobranche zeigt sich dennoch weiterhin zuversichtlich und hofft auf eine nachhaltige Regulierungswelle.

Dezentrale Finanzlösungen, kurz «DeFi» genannt, hatten im vergangenen Jahr einen regelrechten Boom erlebt. Diese Anwendungen ermöglichen es den Benutzern unter anderem, auf dezentralen Plattformen Kryptowährungen als Sicherheiten für Kredite zu hinterlegen oder damit Zinserträge zu generieren – ohne dabei auf einen Vermittler angewiesen zu sein.

Leuchtturm bricht ein

Den Höhepunkt des DeFi-Booms wurde im November 2021 erreicht. Damals waren laut dem Datenportal Defillama Vermögenswerte von über 240 Milliarden Dollar in solchen Anwendungen investiert. Mittlerweile ist dieser «Total Value Locked» (TVL) aber wieder um rund zwei Drittel auf rund 76 Milliarden Dollar geschrumpft.

Ein wesentlicher Grund für diesen Einbruch war der Untergang des algorithmischen Stablecoins UST und der damit im Zusammenhang stehenden Kryptowährung Luna. Diese erreichte zum Höhepunkt eine Marktkapitalisierung von rund 40 Milliarden Dollar. Vor den Augen der Kryptogemeinde brach das «Leuchtturmprojekt» der Branche aber innert kürzester Zeit zusammen.

Laut der Kryptobank Seba hatte der Absturz des Stablecoins «dramatische Auswirkungen» auf den DeFi-Sektor. «Sein Fall löste Schockwellen in der gesamten Branche aus», schrieb die Zuger Bank in einem Bericht. Zurückgeführt werden die Verwerfungen unter anderem auf eine «falsche Anreizstruktur.»

Liquidationskaskaden

Auf den Untergang des Terra-Luna-Projekts, das eng mit vielen anderen Anwendungen verwoben war, folgten Liquidationskaskaden über den ganzen Sektor hinweg. So wurde auch der hochkapitalisierte Hedge-Fonds Three Arrows Capital (3AC), der laut dem Blockchain-Daten-Spezialisten Nansen Vermögen im Umfang von 10 Milliarden US-Dollar verwaltete, in so arge Schieflage gebracht, dass vergangene Woche ein Konkursverfahren vor einem Gericht in New York eröffnet wurde.

Wie in der klassischen Finanzwelt liehen sich die Unternehmen der Branche gegenseitig Kapital, wobei die Transparenz diesbezüglich beschränkt war. Neben 3AC geriet mit Celsius auch eine weitere Branchengrösse ins Taumeln. Celsius ermöglichte als zentralisierter Finanzanbieter («CeFi») Anlegern einen Einstieg in die dezentrale Finanzwelt und versprach dabei horrende Renditen.

Jüngstes Beispiel: Der Krypto-Lending-Anbieter Voyager Digital stoppte vor einer Woche den Handel, Einzahlungen und Abhebungen und meldete mittlerweile ebenfalls Insolvenz an. Laut eigenen Angaben hält Voyager Kryptowerte im Umfang von rund 1,3 Milliarden Dollar. Die Ansprüche gegenüber 3AC beziffert das Unternehmen auf über 650 Millionen Dollar.

Schweizer Kryptobranche kaum betroffen

Die Schweizer Kryptobranche blieb bislang von den Verwerfungen weitgehend verschont, obwohl viele «kryptoaffine» Finanzanbieter auf den DeFi-Zug aufgestiegen waren. So lancierten etwa auch die auf digitale Vermögenswerte spezialisierte Bank Sygnum sowie der Kryptowährungshändler Bitcoin Suisse noch im April diverse Anlageprodukte aus dem DeFi-Bereich.

Bitcoin Suisse sei in die aktuellen Verwerfungen nicht verwickelt, betonte denn auch Bitcoin Suisse-CEO Dirk Klee jüngst an einer Medienorientierung. An einen rasche Erholung glaubt aber auch Klee nicht: «Wir sehen derzeit einen Taucher, der unter Umständen länger anhalten könnte». Auch der Kryptomarkt sei «nicht immun» gegenüber den derzeitigen makroökonomischen Dynamiken wie etwa hohe Inflation und Zinserhöhungen.

Noch nicht reif

Ernüchtert zeigt sich auch die arrivierte Schweizer Privatbank Julius Bär. Der Vermögensverwalter hatte in den letzten Jahren als «Krypto-Pionier» der klassischen Schweizer Finanzwelt in Bezug auf die Adaption der neuen «Finanzwelt» ordentlich Gas gegeben. Das Tempo dürfte nun angesichts der jüngsten Marktturbulenzen etwas gedrosselt werden.

So räumte Julius-Bär-CEO Philipp Rickenbacher kürzlich ein, dass «viele Anwendungen noch nicht reif sind und wir möglicherweise momentan an den Kryptomärkten das Platzen einer Blase beobachten.» Analog zum Platzen der Dotcom-Blase zu Beginn des Jahrtausends könnte dies aber auch den Weg für ganz neue Anwendungen ebnen. Und gerade der DeFi-Bereich hat laut Rickenbacher das Potenzial, den Finanzsektor in den kommenden zehn Jahren zu transformieren.

Konsistente Regulierung gefordert

Trotz den jüngsten Verwerfungen bleiben die hiesigen Anhänger der Blockchain-Technologie aber von der Zukunft des Sektors überzeugt. So bezeichnet etwa Martin Burgherr, Chief Client Officer von Sygnum, eine wohl anstehenden Regulierung des Marktes als «positive Entwicklung für die Branche als Ganzes».

«Konsistente regulatorische Rahmenbedingungen werden die Voraussetzungen für eine stärkere Akzeptanz durch institutionelle Anleger schaffen», prognostiziert der Leiter des Kundengeschäfts. Der jüngste Crash und die Probleme, mit denen mehrere Plattformen und Fonds konfrontiert waren, sei eher als «natürliche Entwicklung» hin zu einem stärkeren Markt zu sehen. «Das technologische Potenzial von DeFi bleibt unverändert», gibt sich Burgherr sicher. (SDA)

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