Kritik an Lindt & Sprüngli
Deutsche machen unsere Schoggi schlecht

Ist Lindt & Sprüngli gar nicht so edel, wie uns die Werbung suggeriert? Oder sucht ein deutsches TV-Magazin einfach zwanghaft Schlechtes am Schweizer Nationalheiligtum? Blick untersucht den Fall.
Publiziert: 04.09.2023 um 19:19 Uhr
|
Aktualisiert: 07.09.2023 um 13:54 Uhr
1/5
Weltberühmt: Das «Home of Chocolate» der «Lindt Chocolate Competence Foundation» auf dem Areal der Lindt & Sprüngli in Kilchberg ZH.
Foto: LINDT & SPRUENGLI
RMS_Portrait_AUTOR_293.JPG
Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

Schokolade ist so eng mit der Schweiz verbunden wie der Begriff der Qualität. Doch nun fährt ein grosser deutscher Sender schweres Geschütz auf und meint: Gar nicht so toll!

Die Konsumenten-Sendung «Marktcheck» im deutschen Sender SWR fühlt grossen Unternehmen auf den Zahn. Dies auch grenzüberschreitend: Vor wenigen Tagen geht das Marktcheck-Drehteam auf ein Schweizer «Nationalheiligtum» los, den Schokoladenhersteller Lindt & Sprüngli aus Kilchberg ZH.

Das Volk mag sie...

Man merkt schnell: Da wird krampfhaft nach Negativem gesucht. Die ersten zehn Sendeminuten sind einer Geschmacksprobe gewidmet. In Stuttgart probieren Volksfest-Besucher verschiedene unkenntlich gemachte Schokoladen. Die vergleichsweise teure Lindt Vollmilch-Schoggi von Lindt muss gegen Billig-Konkurrenz von Lidl und Rewe sowie die im mittleren Preissegment angesiedelten Marken Ritter Sport und Milka antreten. Siehe da: Die Schweizer Edel-Schoggi landet auf dem zweiten Platz, knapp hinter Milka.

Bei einem Test zwischen Schokohasen ohne Verpackung erkennen 9 von 10 Probanden den originalen Lindt-Hasen. Der Lindt-Markenschutz zieht!

... die Experten weniger

Doch diverse Schokolade-Expertinnen und -Experten kritisieren parallel dazu munter drauflos. Eine Behauptung: Die Zutaten bei Lindt seien bei vielen Produkten nicht hochwertiger als bei anderen Industrieschokoladen, die zum Teil deutlich günstiger sind. Ihnen zufolge müsse Schokolade nur aus Kakao, Milchpulver, Zucker und Kakaobutter bestehen. Dass Lindt noch Soja-Lecithin (für die Fliessfähigkeit) oder Gerstenmalzextrakt (als Geschmacksverstärker) nutzt, wird als «nicht notwendig» taxiert. Schlimm ist es freilich nicht.

Als Nächstes werden die Preise kritisiert. Je nach Verpackung seien die Preisunterschiede markant. Für die berühmten Lindor-Kugeln gibt es eine Flut unterschiedlicher Packungen. Bei denen der Preis, heruntergebrochen auf 100 Gramm Schokoladen-Inhalt, ganz unterschiedlich ausfällt. Was jedoch nicht wirklich überrascht.

Und die berühmten «Chocolatiers» aus der Werbung? Die «existieren tatsächlich», allerdings nur zur Show oder fürs Tüfteln an neuen Trends wie veganer oder zuckerfreier Schokolade. «Aber die Produktion erfolgt ganz anders», so das TV-Magazin lapidar.

Irreführung der Konsumenten?

Kritik gibt es auch im Bereich Marketing. Da wird hinterfragt, was es mit dem Begriff «Alpen-Schokolade» auf sich hat. Der Begriff ist nicht geschützt. «Der Hersteller bestimmt, was er unter Alpen versteht – und das deckt sich nicht zwingend mit dem, was Konsumenten erwarten», sagt eine deutsche Konsumentenschützerin.

Darüber hinaus wird die Lindt-Schoggi im vorliegenden Fall in Aachen (Deutschland) hergestellt. Sollte das Milchpulver aus der Schweiz nach Aachen geliefert werden, wäre das ökologischer Unsinn, meint die Konsumentenschützerin. Ob dem so ist, wird aber nicht abschliessend geklärt. Zudem ist Lindt bei Weitem nicht der einzige Schokoladenhersteller, der zum Marketing-Trick mit der Bezeichnung «Alpen» greift.

«Gewichtsangaben versteckt»

Dann wird noch kritisiert, dass alle herkömmlichen Schokoladen ihre Preise klar kenntlich machen. Lindt dagegen hat eigene Verkaufsregale und gibt nur knapp sichtbare «unverbindliche Preisempfehlungen» auf der Verpackung preis. Gewichtsangaben würden am Fuss der Schokolade «versteckt», wo sie hinter der Goldleiste im Lindt-Verkaufsregal nicht sichtbar sind. Der Vorwurf: Da wird der Konsument absichtlich verwirrt. Allerdings nur jene, die nicht genau hinschauen: Die Infos sind vorhanden.

Zu guter Letzt wird moniert, dass Lindt ein eigenes Fairness-Label hat. Und etwa in Ghana Projekte unterstützt. Dem hält ein Experte entgegen, dass vor Ort trotzdem Armut herrscht. Und man die Bauern besser am Gewinn teilhaben lassen sollte. Allerdings räumt er ein, dass «systemische Änderungen statt Projekte» nötig sind. Eine Kritik, die sich an die ganze Schokoladenindustrie richtet.

Kritik besser kontern

Schade ist, dass zwar eine Reportage mit Beiträgen aus Kilchberg ZH und einer Plantage in Ghana gezeigt wird, sich jedoch von Lindt niemand vor die Kamera wagt. Auf Kritikpunkte wird nur schriftlich reagiert. Die Einblender können die TV-Macher so in beliebigen Kontext stellen. Damit hätte Lindt die bemühte Kritik besser kontern können.

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.