Luan F.* ist einer von zahlreichen Kosovo-Rückkehrern, die sich auf den Aufruf von Blick gemeldet haben. Die Leserreporter schildern die Zustände im Land, die sich gegen Ende des Sommers zusehends verschlimmert haben. Der Kosovo wurde zum Corona-Hotspot für den Balkan – und gewissermassen auch für die Schweiz.
«Wir mussten eine Woche leiden. Meine Frau und ich hatten Corona. Es tat überall weh! Mittlerweile sind wir in der Schweiz zurück. Mein Schwager liegt aber immer noch in Pristina im Spital, benötigt 24 Stunden und sieben Tage die Woche Sauerstoff», sagt F. im Gespräch mit Blick.
Kurz vor den Sommerferien hob die kosovarische Regierung fast alle Corona-Massnahmen auf. Man wollte nicht noch einmal auf das wichtige Geschäft mit den Besuchern verzichten. Am Flughafen von Pristina herrschte diesen Sommer so viel Betrieb wie noch nie. Allein im Juli landeten 446’340 Passagiere in Pristina – doppelt so viele wie in den Jahren vor Corona.
Die Kosovo-Reisenden, viele davon aus der Schweiz, genossen den Sommer in ihrer zweiten Heimat. Der Nachholbedarf war gross: Weil eineinhalb Jahre lang keine Hochzeiten stattfinden durften, verwandelte sich das Land zur Festhütte. Eine Trauung jagte die nächste, in den Nachtclubs von Pristina wurden wilde Partys gefeiert.
300 Hochzeitsgäste – niemand trug Maske
«Es sind sehr viele Leute aus dem Ausland in den Kosovo gekommen», erzählt Luan F, der zwei Monate in seiner Heimat verbrachte. «Hochzeit hier, Hochzeit da, die Strassen waren voll!»
Die Aussagen decken sich mit Erfahrungen von anderen Blick-Leserinnen und Lesern. Hygienemassnahmen sind im Land über den Sommer hinweg grösstenteils ignoriert worden. Arjeta L.* flog für die Hochzeit einer Freundin nach Pristina. «300 Gäste waren dabei, sehr viele davon aus der Schweiz. Ich habe keine einzige Person gesehen, die eine Maske getragen hat. Und von Abstand müssen wir gar nicht ersten reden.»
Doch nicht nur an ausgelassenen Partys, auch im Alltag wurde auf Masken verzichtet. «Weder in Restaurants noch in Supermärkten wurden Masken getragen. Es war das totale Chaos», sagt Bekim Gashi (46). Er verbrachte knapp zwei Wochen mit seiner Tochter und seiner Mutter in der Kleinstadt Klina im Nordwesten des Landes. «Wir haben uns vor sämtlichen Anlässen ferngehalten», sagt er.
«Ich fuhr mehrmals an grossen Hochzeitsanlässen vorbei, die teilweise auf Restaurantterrassen abgehalten wurden», erzählt Gashi. «Aus sicherer Entfernung konnte ich beobachten, dass absolut niemand eine Maske trug. Nicht einmal das Personal!»
«Kosovos Regierung ist egoistisch»
Auch Agon K.* hat wie Gashi auf Partys und Hochzeiten verzichtet. «Ich habe freiwillig auf Ausgang und Menschenmengen verzichtet. Einladungen für Trauungen habe ich dankend ausgeschlagen», sagt er. K. verbrachte einen Monat in seiner Heimat. Er konnte tagtäglich mitverfolgen, wie sich die Lage verschlechtert hatte.
«Ich habe mich nicht mit Corona angesteckt, weil ich mich aber auch wirklich bemüht habe», sagt er. «Meine Familie und ich haben die Regeln der Schweiz, die uns seit Anfang der Pandemie eingetrichtert worden sind, konsequent umgesetzt.»
Verantwortlich für das Corona-Desaster im Kosovo macht K. die Regierung. Den Politikern wirft er Geldgier vor. «Man hat wegen dem Tourismus eine grosse Katastrophe in Kauf genommen. Im eigenen Land und in den anderen europäischen Ländern, wie auch der Schweiz. Einfach unprofessionell und egoistisch», bilanziert K.
Fakt ist: Die Rega fliegt im Dauereinsatz in den Kosovo und hat seit Anfang Monat bereits 21 Rückholaktionen von Doppelbürgern, die schwer an Covid erkrankt sind, durchgeführt. Und: Die Rückkehrerinnen und Rückkehrer brachten das Virus teilweise mit nach Hause und füllen laut der Corona-Taskforce des Bundes nun die hiesigen Spitäler.
* Name der Redaktion bekannt