Die Aktionäre der Credit Suisse haben dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung einen Denkzettel verpasst und die Décharge für das Geschäftsjahr 2020 verweigert. Diese war an der Generalversammlung des vorigen Jahres ausgeklammert worden, dies unter dem Eindruck der Debakel um den Hedgefonds Archegos und um die mit der insolventen Greensill Capital betriebenen Lieferketten-Finanzierungsfonds.
Umsonst: Die Generalversammlung war aber auch in diesem Jahr nicht dazu bereit, die Entlastung zu erteilen. CS-Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann (63) nahm die Verweigerung der Décharge «mit Bedauern» zur Kenntnis. Der Verwaltungsrat werde nun über das weitere Vorgehen beraten.
«Das kam nicht völlig unerwartet», kommentiert Vontobel-Analyst Andreas Venditti (49) gegenüber Blick. «Verschiedene Aktionäre haben sich schon vor der Generalversammlung dahingehend zu Wort gemeldet.» Die CS-Führung hätte mit dem Décharge rechnen müssen.
Zu den kritischen Aktionären gehörten etwa die Vereinigung Ethos sowie die einflussreichen angelsächsischen Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis. Sie begründeten dies mit den massiven Problemen im Risiko- und Kontrollbereich. Bei einer Entlastung könnten Verwaltungsrat und Management nicht mehr dafür verantwortlich gemacht werden.
Keine Sonderprüfung zu «Suisse Secrets»
Im Gegensatz zur Entlastung für das Geschäftsjahr 2020 nahmen die Aktionäre den Antrag zur Entlastung für 2021 mit einem Ja-Stimmen-Anteil von 77,5 Prozent an. Explizit ausgeklammert von der Entlastung waren allerdings auch für 2021 die Themen mit Bezug zu den «Greensill-Fonds». Auch ISS und Glass Lewis hatten sich in diesem Punkt hinter den Verwaltungsrat gestellt: 2021 sei es zu «Personalauffrischungen» und zu Fortschritten bezüglich der Risikokontrolle gekommen.
Einen Antrag auf eine Sonderprüfung rund um das Greensill-Debakel und zu den medialen Enthüllungen der «Suisse Secrets» lehnten die Aktionäre mit klaren Mehrheiten ab – knapp 89 Prozent stimmten dagegen. Eingereicht hatte den Antrag die Anlagestiftung Ethos.
Präsident Lehmann hatte sich gegen den Antrag gewehrt und darauf verwiesen, dass eine solche Prüfung hohe Kosten und Mehrfachaufwände verursache. Die Grossbank habe zudem einen Fragenkatalog von Ethos zu der Angelegenheit «in gutem Glauben beantwortet», betonte er an der Veranstaltung.
Der CS-Präsident konnte sich zudem über eine hohe Zustimmung für seine Person freuen: 95,3 Prozent der Aktionäre wählten ihn. Lehmann hatte das Präsidium bei der CS im Januar 2022 übernommen, nachdem sein Vorgänger António Horta-Osório nach nur gut acht Monaten wegen Corona-Verstössen zurücktrat. Lehmann sitzt erst seit vergangenem Oktober im CS-Verwaltungsrat.
Auch alle anderen erneut angetreten oder neu kandidierenden Verwaltungsräte schafften die Wahl meist deutlich. Zustimmungsraten von mehr als 80 Prozent gab es auch zu den Vergütungen des Bankmanagements, auch wenn einzelne Aktionäre in schriftlich eingereichten Voten die Boni-Verteilung angesichts der hohen Verluste kritisierten.
«Veränderungen müssen an der Spitze beginnen»
Glücklos blieb ein weiterer Aktionärsantrag von Ethos und weiteren Gruppen betreffend Klimastrategie. Der Antrag verlangte, dass die Grossbank sich in ihren Statuten zum Pariser Klimaabkommen bekennen muss. Zudem wurden darin detailliertere Angaben gefordert, wie die CS ihre Exponierung in fossilen Energien reduzieren will. 77 Prozent der Aktionäre lehnten den Antrag ab.
Lehmann wie auch CS-CEO Thomas Gottstein zeigten sich vor den Aktionären überzeugt, dass die schwer angeschlagene Bank nun auf dem richtigen Weg sei. Nicht zuletzt würden die Geschäftsleitung und das Führungsteam nach der Pannenserie nachhaltig umgestaltet und gezielt gestärkt. «Veränderungen müssen an der Spitze beginnen», betonte er.
Die Bank werde sich künftig noch verstärkt auf die Kunden fokussieren, versprach der Präsident. Sie setze aber gleichzeitig ein «noch systematischeres und noch präsenteres Risikomanagement und Risikomonitoring durch». «Alle in unserer Bank müssen wissen und spüren, dass bei Risiken Höhe und Breite nicht frei sind.»
«Die Bank ist in einem Formtief»
Risikokultur heisse aber nicht primär Repression und Verbote, sondern «Klarheit, Motivation und Überzeugtheit», sagte Lehmann. Gleichzeitig wolle die Bank auch eine «Kultur der Offenheit» erreichen, in der sich alle einbrächten. «Wir brauchen eine Kultur, die Widerspruch zulässt, um Fehler zu vermeiden und daraus zu lernen.»
«Ja, die Bank ist in einem Formtief und wir brauchen fundamentale Veränderungen», sagte Lehmann. Anderes sei aber auch «positiv, ermutigend, zukunftsfest»: Die Bank habe eine starke Kundenbasis, sie sei in vielen Bereichen führend und verfüge über erstklassige Talente und eine starke Kapitalbasis. «Wir haben einen klaren Plan, um die Bank wieder zum erwarteten Erfolg und zu profitablem Wachstum zu führen», versicherte Lehmann.
Die Credit Suisse erlebt seit über einem Jahr eine Serie von Pleiten und Pannen. So hatte sie im vergangenen Jahr wegen des Zusammenbruchs des Hedgefonds Archegos einen Milliardenverlust erlitten. Hinzu kam die Liquidierung der mit Greensill Capital betriebenen Lieferketten-Finanzierungsfonds, bei denen Investoren weiter Verluste in Milliardenhöhe drohen. Ins Jahr 2022 ist die Bank wegen hoher Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten erneut mit einem hohen Quartalsverlust gestartet. (pbe/SDA)