Auf einen Blick
- Weil der Schnee fehlt, geht Skigebieten das Geld aus
- Viele Lifte und Seilbahnen sind technisch fit - und werden trotzdem abgebrochen
- 20 Skilehrer verlieren kurz vor der Saison ihren Job
Kurz vor Start der Wintersaison hat Wintersport-Profi Reto Gurtner (69) der Ski-Nation noch einmal so richtig eingeheizt. Tagelang dominierte er mit seiner provokativen Aussage, dass die Tageskarte bald schon 200 oder 300 Franken kosten wird, die Schlagzeilen. Der Chef der Weissen Arena Flims-Laax geht davon aus, dass sich die heutigen Preise in den nächsten zehn Jahren verdoppeln oder gar verdreifachen. Für die Erhöhung der Tarife führt er die Teuerung ins Feld. Aber auch eine Verknappung des Angebots. Der Ansturm auf die Skigebiete, die auch in Zukunft schneesicher sind, wird laut dem Branchenkenner zunehmen.
Heisst: Das Skigebietssterben verteuert den Skiplausch auf der Piste. Ein Blick über die Grenzen zeigt, dass Gurtner in diesem Punkt durchaus recht haben könnte. In Frankreich etwa gehen ganze Skigebiete zu, nicht wie in der Schweiz da und dort einmal ein alter Skilift. Letztes Beispiel: Das Skiressort Alpe du Grand Serre in der Gemeinde La Morte, 150 Kilometer südwestlich von Genf gelegen.
Die Bahnen wären gut im Schuss
Wenige Wochen vor dem ersten Skitag der Saison hat das Skigebiet den Betrieb für immer eingestellt, wie der französische Sender TF1 TF1 berichtet. Es liegt auf 1400 Metern über Meer in der Region Auvergne-Rhône-Alpes. Die Bahnen fahren bis auf 2180 Meter hoch. Der erste Skilift nahm 1938 seinen Betrieb auf. Zuletzt waren es elf Skilifte und drei Sessellifte mit 55 Pistenkilometern. Grossen Renovationsbedarf gibt es nicht, die Bahnen sind im Schuss, die Pistenfahrzeuge gewartet. Und doch bleiben die Skiliftbügel diese Saison in der Talstation.
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Die ganze Gegend muss sich nun neu orientieren. 20 Skilehrer verlieren ihren Job. Der Skivermieter im Dorf, der den Betrieb mit seiner Frau zusammen führt, verliert seine Existenzgrundlage. Schon vor zwei Monaten hat er für 15'000 Euro neue Mietausrüstungen gekauft, auf denen er jetzt sitzenbleibt. Wer bereits eine Saisonkarte erstanden hat, guckt in die Röhre. Auch die Besitzer der 700 Ferienwohnungen sind vor den Kopf gestossen. Sogar die Bäuerin, die ihren Geissenkäse bisher im Ort an die Touristen verkauft hat, macht sich Sorgen. Sie werde sie künftig wohl auf Märkten in der Region anbieten müssen.
71,3 Prozent für eine Schliessung
Doch die Alpe du Grand Serre ist kein Einzelfall. Auch das Skigebiet Le Grand Puy stellt den Betrieb ein – zu wenig Schnee! Das auf 1370 bis 1800 Meter Seehöhe gelegene in den Skiressort in den Alpes de Haute Provence hat 24 Pistenkilometer. Weil es immer wärmer wird, blieben die Abfahrten zuletzt meist grün und rissen ein grosses Loch ins Budget.
In den letzten zehn Jahren gingen die Umsätze um 60 Prozent zurück. 350'000 Euro pumpte die 1300-Einwohner-Gemeinde Seyne zuletzt jährlich ins Skigebiet. Weitere Investitionen wollten die Stimmberechtigten nicht. Sie haben mit 71,3 Prozent der Stimmen dem Ende des Wintersportbetriebes zugestimmt. Die fünf Lifte werden abgebrochen und verkauft.
Auch das Skigebiet Métabief im Jura leidet unter der Klimaerwärmung. Ein Drittel der Pisten wird geschlossen. Der Aufschrei in der Region ist gross. Zu viele Jobs hängen am Skigebiet. Doch das Skigebiet auf einer Höhe von 923 bis 1419 Metern über Meer ist schlicht zu tief gelegen. Die Aussicht auf einen durchgehenden Winterbetrieb ist zu klein und die Energiepreise zu hoch, als dass sich weitere Investitionen in die Pistenbeschneiung lohnen würden. Die Gemeinde will nun den Sommerbetrieb stärken, um irgendwie zu überleben.
Das Aus in den Berchtesgadener Alpen
In den letzten 50 Jahren wurden in Frankreich bereits 180 unrentable Skigebiete geschlossen. Nicht viel besser präsentiert sich die Lage in Deutschland. Dort sorgt die Schliessung der Anlagen am Jenner am Königsseee, einem 1874 Meter hohen Berg in den Berchtesgadener Alpen, für Aufregung. Anfang 2024 wurde bekannt, dass es nicht weiter geht mit Wintersport. Auch hier: Die Anlagen waren auf dem neusten Stand, erst vor kurzem wurden noch Millionen in deren Modernisierung gesteckt. Nun geben die Betreiber auf, weil schlicht der Schnee fehlt – als Erste in den bayrischen Alpen. Sie dürfen wohl nicht die Letzten sein.