Auf einen Blick
- Neues Airbus-Modell mit grosser Reichweite ermöglicht neue Strecken
- Flugzeug ist aber laut Experte keine Bedrohung für bestehende Airlines und Drehkreuze
- Flugpreise könnten für die Passagiere vorübergehend sinken
Ein neues Flugzeug von Airbus soll die Karten in der Luftfahrt neu mischen. Seit wenigen Tagen ist der erste Airbus A321XLR bei der spanischen Airline Iberia im Einsatz. «XLR« steht für «Xtra Long Range», auf Deutsch «besonders grosse Reichweite».
Das Revolutionäre am Flieger: «Der A321XLR – eigentlich ein Kurzstreckenflugzeug – bringt auf Grund der grossen Reichweite von bis zu 8700 km neue Chancen», sagt Experte Peter Wild (56), der an der ETH Zürich zum Thema Luftfahrt lehrt.
Als Mitglied der A320-Familie ist der neue Airbus ein kleines Flugzeug mit nur einem Gang und Platz für durchschnittlich 160 Passagiere, je nach Kabinenlayout. Damit werden neue Flugstrecken möglich, für die ein Grossraumjet wie zum Beispiel der Airbus A350 mit Platz für 300 bis 400 Passagiere zu gross ist. Bisher wurden auf Langstreckenflügen nur grosse Flieger eingesetzt.
Neue Verbindungen nach Nordamerika
Dank seiner Reichweite ist der neue Airbus vor allem für Verbindungen über den Atlantik zwischen Europa und Nordamerika attraktiv. Bei Iberia verkehrt er beispielsweise zwischen Madrid und Boston.
Seit der Vorstellung 2019 erhielt Airbus schon 550 Bestellungen von 25 Airlines für das Flugzeug. Die Swiss gehört nicht dazu. Was bedeutet das für die Schweizer Passagiere und den Flughafen Zürich als Drehkreuz der Swiss?
«Grosse Flugzeuge haben tiefere Kosten»
Die bestehenden Airlines und Drehkreuzflughäfen wie Zürich müssten sich wegen des neuen Flugzeugs keine Sorgen machen, sagt Wild. «Grosse Flugzeuge haben wesentlich tiefere Kosten pro Passagier.» Solange die bestehenden Airlines ihre grösseren Flieger füllen können, seien sie immer wirtschaftlicher unterwegs und könnten auch die Preise senken, so Wild. Wenn eine kleinere Fluggesellschaft mit dem A321XLR eine etablierte Airline wie die Swiss angreifen würde, dann könne diese sofort mit Preisabschlägen reagieren. «Die bestehenden Airlines werden nicht warten, bis eine neue Airline ihren Platz gefunden hat, sondern sie werden gleich von Beginn weg attackieren», sagt Wild.
Aus Kundensicht kann der neue Airbus-Flieger aber durchaus Vorteile mit sich bringen. Gibt es neue Verbindungen, dann ist das gut für das Portemonnaie der Passagiere: «Wenn eine neue Direktverbindung entsteht, so muss diese attraktiv gemacht werden. Daher werden anfänglich tiefere Preise für diese spezifischen Routen entstehen», sagt Wild. Lange anhalten werde dieser Effekt aber nicht.
Keine neue Konkurrenz für Zürich
Was aber bedeutet der neue Flieger für die Vormachtstellung des Flughafens Zürich? «Die neuen Airlines mit A321XLR werden eher Punkt-zu-Punkt operieren und ohne ein grosses Netzwerk. Das heisst, sie brauchen ein genügend grosses Einzugsgebiet für ihre Kundschaft, um die Flugzeuge zu füllen», so Wild. Deshalb sei es auch unwahrscheinlich, dass Basel oder Genf wegen des Flugzeugs zu einer Konkurrenz für Zürich werden. Ein Projekt mit mehr Direktflügen ab Basel habe vor einigen Jahren nicht genug Kapital gefunden. «Solche Investitionen sind sehr risikoreich», sagt Wild.
Gleichzeitig bietet die Airbus-Neuheit grösseren Hubs neue Möglichkeiten – etwa dem Flughafen Zürich. «Der Airbus A321XLR ermöglicht die direkte Anbindung von Langstrecken-Destinationen, deren Märkte bisher für eine Direktverbindung zu klein waren», schreibt der Flughafen auf Anfrage. Welche Strecken neu ab Zürich dazukommen könnten, ist aber noch nicht klar: «Für den Flughafen Zürich kann zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Einschätzung abgegeben werden, wo und in welchem Umfang der A321XLR zum Einsatz kommen wird.»