Auf einen Blick
- Fünf Personen vor Gericht wegen Verkaufs gefälschter Markenprodukte
- Richter: Ohne Gutachten kein Beweis für Fälschungen
Vier Männer und eine Frau, zwischen 22 und 35 Jahre alt. Sie hätten gefälschte Ware als angebliche Markenprodukte verkauft, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. 2021 hatte die Polizei unzählige Schutzhüllen für Mobiltelefone und anderes Zubehör sichergestellt. Die Delikte heissen Warenfälschung, Markenrechtsverletzung und Vergehen gegen das Bundesgesetz gegen unlauteren Wettbewerb.
Die fünf Beschuldigten stehen zum ersten Mal vor Gericht. Sie kennen einander, sie haben als Filialleiter oder Verkäufer in verschiedenen Filialen der gleichen Firma gearbeitet.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
Sie plaudern, bis die Verhandlung am Bezirksgericht Zürich Mitte November 2024 losgeht. Anspannung liegt in der Luft.
Originale aus China?
Als Ersten befragt der Richter den Inhaber und Geschäftsführer jener Firma, deren Namen alle zehn Shops tragen. Er hat als Einziger einen Strafverteidiger dabei.
Der Staatsanwalt musste nicht erscheinen, die bekannten Marken haben keine Vertreterin geschickt. Er habe immer nur Originalware bestellt, sagt der Mann Mitte 30.
Und die Filialleiter und -leiterinnen seien auch dazu verpflichtet gewesen. Aber im Vertrag stehe, sie müssten bei einem bestimmten chinesischen Shop bestellen, fragt der Richter.
Dort könne man keine Fälschungen bestellen, sagt der Mann, «schliesslich sind wir hier in der Schweiz». «Aber der Hersteller ist doch in China?», erwidert der Richter. Es sei für ihn selbstverständlich gewesen, dass alles original sei, sagt der Beschuldigte.
Dann sind die anderen an der Reihe. Der Richter erinnert daran, dass sie die Aussage verweigern dürfen – stellen müsse er seine Fragen trotzdem. Ob er nun Aussagen machen wolle, fragt der Richter den nächsten Beschuldigten. Nein, antwortet der.
Gelächter im Gerichtssaal
Doch auf die Frage, was er jetzt arbeite, holt der junge Mann aus: Er führe die Filiale immer noch, auf eigene Rechnung. «Jetzt haben Sie aber etwas gesagt», stellt der Richter fest. «Ja, aber das ist, wie wenn Sie mich fragen, wie es mir geht – dann antworte ich doch auch», sagt der Mann.
«Und, wie geht es Ihnen?» – «Gut, danke, und Ihnen?» Gelächter im Gerichtssaal. Bei den anderen läuft es ähnlich ab. Alle beteuern, nie Fälschungen bestellt zu haben und sagen sonst nicht viel.
Die Beschuldigten können sich auch zur beantragten Strafe äussern. Beim Inhaber der Firma ist es eine bedingte Freiheitsstrafe von sieben Monaten, bei den anderen Geldstrafen zwischen 100 und 180 Tagessätzen, alle bis auf eine bedingt.
«Was sagen Sie dazu?», fragt der Richter den einen. «Ich mache keine Aussage», sagt er, wie auf die meisten anderen Fragen. «Dazu sollten Sie aber schon etwas sagen – fühlen Sie sich denn schuldig oder unschuldig?» – «Unschuldig.»
Beweis fehlt
Der Verteidiger rügt, wie Polizei und Staatsanwaltschaft vorgegangen sind. Sie haben die Schutzhüllen in den Shops gekauft, ohne sich als Polizisten auszugeben. Da diese verdeckte Ermittlung nicht bewilligt war, seien die Beweise nicht verwertbar.
Dann haben sie die Produkte direkt den Herstellern vorgelegt. «Das sind Fälschungen», gaben die meisten zur Antwort. Doch das sei kein Beweis, sondern eine Behauptung einer involvierten Partei, moniert der Anwalt.
Die Staatsanwaltschaft hätte ein unabhängiges Gutachten machen lassen müssen. Er verlangt, dass sein Klient freigesprochen wird.
Der Richter sieht es gleich: Ohne Gutachten ist nicht bewiesen, dass die Telefonhüllen gefälscht sind. Die eingezogenen Gegenstände bekommen die Leute wieder zurück. «Überlegen Sie gut, was Sie damit machen», sagt der Richter.
Hinweis: Dieser Artikel wurde erstmals am 15. Nov. 2024 publiziert.