Kanton Thurgau knallhart
Grenzgänger nicht zur Impfung zugelassen

Der Kanton Thurgau räumt der eigenen Bevölkerung Priorität beim Impfen ein. Das Nachsehen haben die Grenzgänger. Sie müssen sich gedulden.
Publiziert: 14.05.2021 um 20:01 Uhr
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Ein Piks gegen Corona: Die Impfung soll die Pandemie stoppen.
Foto: keystone-sda.ch
Marc Iseli

Über 300'000 Menschen leben im Ausland und arbeiten in der Schweiz. Sie passieren fast täglich die Grenze und halten in Randregionen die Wirtschaft am Laufen. Bei der Impfung stehen sie aber auf dem Abstellgleis, wie das Beispiel des Kantons Thurgau zeigt.

Der Ostschweizer Kanton fokussiert sich beim Impfen auf die eigene Bevölkerung. Ausserkantonale und Grenzgänger erhalten keine Spritze. Mit einer Ausnahme: Wer im Gesundheitswesen des Kantons arbeitet, kann sich impfen lassen.

Bei den Betroffenen sorgt dies für Unverständnis. Der «Südkurier» aus Konstanz berichtet heute von Dirk Lehmann, einem Deutschen, der seit 15 Jahren im Thurgau arbeitet. Er hatte in Weinfelden TG den Termin für seine erste Impfung gegen Corona erhalten. Der Termin wurde aber kurzfristig gestrichen. Ersatzlos.

Abmeldung aus heiterem Himmel

«Das ist skandalös und diskriminierend», sagt Lehmann. Er versteht die Welt nicht mehr. Lehmann ist in der Schweiz versichert, bei der Sympany. Aber er hat keine Chance, sich hier in den nächsten Wochen gegen Corona zu impfen.

Gleich liegt der Fall bei Boris Tölzel (50), einem deutschen Unternehmer, der mit seiner Firma 15 Leute in der Schweiz beschäftigt. Neun sind Grenzgänger, er selbst eingeschlossen, wie er zu «Blick» sagt. Und keiner dieser Grenzgänger kann sich in der Schweiz impfen lassen.

Tölzel ist bei Sympany versichert – wie Lehmann. Er hat sich beim Kanton Thurgau für die Impfung registriert. Zunächst lief alles problemlos. Aber dann kam eine SMS. «Wir bestätigen ihre Abmeldung», hiess es darin. «Der zuletzt per SMS empfangene Link ist nicht mehr gültig.»

Schotten dicht

Tölzel konnte es kaum glauben. Die Nachricht kam aus heiterem Himmel – und ging an alle Grenzgänger. Keine Termine für Ausserkantonale. Der Thurgau zeigte sich in dieser Hinsicht knallhart. Schotten dicht.

Dabei haben Tölzel und seine Mitarbeiter direkten Kundenkontakt. Sie kümmern sich unter anderem um die Telekom-Infrastruktur bei den Schweizer Ablegern der Drogerie-Kette Müller. Wichtiger noch: Zum Kundenstamm gehören auch diverse Spitäler, darunter das Spital Zollikerberg und das See-Spital Horgen, beide im Kanton Zürich.

Home Office ist keine Option. Tölzel und seine Angestellten müssen auf Montage und Installation. Die Kunden brauchen Support an vorderster Front. Es handelt sich um kritische Infrastrukturdienstleistungen, die nicht ausfallen dürfen. Aber Zugang zur Impfung: Das gibt es nicht.

«Rechtswidrig und beschämend»

«Ich halte das Vorgehen für rechtswidrig und beschämend», sagt Tölzel. «Es ist ein Unding, dass wir in der Schweiz arbeiten, Steuern bezahlen und auch krankenversichert sind, wir aber bei der wichtigen Impfung einfach aussortiert werden.»

Immerhin hat Tölzel in der Zwischenzeit eine Alternative gefunden. Eine Hausärztin in Deutschland wird ihn und seine Angestellten schon am kommenden Montag impfen. Pikant: Die deutsche Ärztin wird die Spritze auch einem Schweizer mit Wohnsitz im Thurgau setzen, der bei der Firma von Tölzel angestellt ist. Trotz der Thurgauer Impf-Klatsche.

Die Kosten für die Impfung des Schweizers übernimmt Tölzel selbst. Das sind 66 Euro pro Spritze. «So können wir weiter für die Schweizer Wirtschaft tätig sein, ohne eine Gefahr für unsere Kunden darzustellen.»

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