Auf einen Blick
Seine Preissenkung hat Fleisch am Knochen. Als Aldi-Suisse-Chef Jérôme Meyer (44) vergangene Woche die Preise fürs Frischfleisch – Label- und Biofleisch inklusive – stutzte, läuteten bei Konkurrenten und Fleischproduzenten die Alarmglocken. «So weit haben wir uns beim Fleisch noch nie aus dem Fenster gelehnt», sagt Meyer.
Wider Erwarten applaudierten Konsumentenschutz, IP-Suisse-Bauern und die Biobranche. Denn der Discounter verzichtet auf eine eigene Marge. «Wir haben keine Lieferantenpreise gedrückt», versichert Meyer, der am Montag ein Dutzend Fleischlieferanten zu einem Treffen an den Hauptsitz geladen hatte. Deren grosse Sorge: Gilt Meyers Versprechen auch längerfristig?
Blick: Herr Meyer, wie ist die Stimmung bei Ihren Schweizer Fleischlieferanten?
Jérôme Meyer: Mit unseren Preissenkungen im Frischfleischsortiment haben wir am Markt für Aufsehen gesorgt. Deshalb war es uns ein Anliegen, bei einem persönlichen Gespräch das Vertrauen zu stärken und noch mal in aller Deutlichkeit zu betonen, dass die dauerhaft reduzierten Fleischpreise keinerlei Auswirkung auf die Produzentenpreise haben. Wir bezahlen die Preissenkungen vollständig aus der eigenen Tasche.
Der Preisabschlag zeigt auch, wie viel Marge in den Ladenpreisen steckt, die den Bauern nicht zugutekommt?
Ich möchte noch mal deutlich festhalten: Unsere Lieferanten erhalten für ihre Produkte denselben Preis wie bisher, und das bleibt auch so. Trotz steigender Erzeugerpreise ist es uns ein Anliegen, den Verkaufspreis für die Konsumentinnen und Konsumenten möglichst tief zu halten. Dank laufender Optimierungen unserer Prozesse können wir Preisvorteile bei Frischfleisch direkt an unsere Kundschaft weitergeben.
Erstaunlicherweise applaudieren IP-Suisse und die Biobranche Ihnen als Discounter. Warum?
Wir haben ein langfristiges Ziel, den Anteil an Fleisch in IP-Suisse- und Bioqualität im Sortiment weiter auszubauen. Weil wir Frischfleisch mit höherem Tierwohlstandard auch für das kleine Portemonnaie erschwinglich machen, rechnen wir mit einer höheren Nachfrage für diese Produkte, deren Verkauf wiederum die Schweizer Landwirtschaft unterstützt. Ausserdem haben Nachhaltigkeitsaspekte einen Einfluss auf langfristige Kaufentscheidungen. Wenn Konsumenten nachhaltige Produkte gekauft und diese sich aus ihrer Sicht bewährt haben, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass sie auch künftig auf nachhaltige Produkte zurückgreifen werden.
Doppelbürger Jérôme Meyer (44) ist seit 1. Oktober 2020 Länderchef von Aldi Suisse. Sein ganzes Berufsleben verbrachte er beim Discounter. Heute zählt das Unternehmen 242 Filialen schweizweit, es unterhält drei Verteilzentren und beschäftigt über 4000 Mitarbeitende. Geschäftszahlen hält das Unternehmen unter dem Deckel. «Was wir in der Schweiz an Gewinn erwirtschaften, bleibt im Land», versichert Meyer. Der Schweiz-Franzose wohnt unter der Woche in Wil SG, um näher am Aldi-Hauptsitz in Schwarzenbach SG zu sein. Die Wochenenden verbringt er in Freiburg bei seiner Frau und den vier Kindern.
Doppelbürger Jérôme Meyer (44) ist seit 1. Oktober 2020 Länderchef von Aldi Suisse. Sein ganzes Berufsleben verbrachte er beim Discounter. Heute zählt das Unternehmen 242 Filialen schweizweit, es unterhält drei Verteilzentren und beschäftigt über 4000 Mitarbeitende. Geschäftszahlen hält das Unternehmen unter dem Deckel. «Was wir in der Schweiz an Gewinn erwirtschaften, bleibt im Land», versichert Meyer. Der Schweiz-Franzose wohnt unter der Woche in Wil SG, um näher am Aldi-Hauptsitz in Schwarzenbach SG zu sein. Die Wochenenden verbringt er in Freiburg bei seiner Frau und den vier Kindern.
Warum senken Sie die Preise gerade jetzt?
Erstens wollen wir ein Zeichen setzen. Die Inflation der vergangenen Jahre, gepaart mit der Erhöhung der Mieten und der Krankenkassenprämien, lasten nachhaltig auf die Kaufkraft in der Schweiz. Zweitens soll unsere Kundschaft nicht mehr limitierten Preisaktionen beim Fleisch hinterherrennen müssen. Und drittens muss sie nun nicht mehr nervenaufreibende Einkaufsfahrten ins Ausland auf sich nehmen.
Wird der Einkaufstourismus wieder zu einem Problem?
Die Einkaufsfahrten ins Ausland haben im laufenden Jahr wieder deutlich angezogen. Das sehen wir auch an den eigenen Kundenauswertungen der grenznahen Aldi-Filialen in Frankreich, Deutschland und Österreich. Dabei macht Frischfleisch regelmässig einen grossen Anteil am Warenkorb der Einkaufstouristen aus.
So selbstlos ist die Preissenkung also nicht?
Wir sehen es lieber, wenn Schweizerinnen und Schweizer in unseren Filialen einkaufen, statt jenseits der Grenze. Es ist nachhaltiger, die Produkte bei uns zu kaufen, die zudem von Schweizer Lieferanten stammen und die mit den in der Schweiz bestehenden hohen Tierwohlstandards produziert werden. Es gibt zudem Menschen in der Schweiz, die noch nie einen Aldi betreten haben und die wir so in unsere Filialen bringen können. Übrigens dürfte es beim reinen Fleischeinkauf nicht bleiben, und der Einkaufswagen wird mit anderen Produkten des täglichen Bedarfs gefüllt.
Was sagen Sie zum Vorwurf, mit der Fleischverbilligung ein falsches Zeichen zu setzen?
Mit der Preissenkung wollen wir den Schweizer Wirtschaftsstandort im Hinblick auf den Einkaufstourismus stärken und Neukundschaft gewinnen. Wir diktieren den Kundinnen und Kunden mit Aktionen nicht vor, was sie kaufen sollen. Denn qualitative Lebensmittel sollen für alle Menschen leistbar sein.
Wenn Sie ans Klima denken, können Sie da reinen Gewissens den Fleischkonsum mit Discountpreisen fürs Fleisch anheizen?
Wir sehen es nicht als unsere Aufgabe, die Konsumenten zu erziehen. Mit unserem Frischfleischsortiment kommen wir dem Kundenbedürfnis nach Qualitätsfleisch zu günstigen Preisen nach und dämmen den Einkaufstourismus ein. Seit Jahren entwickeln wir zudem unser Angebot an pflanzenbasierten Produkten weiter und setzen alles daran, bei diesen günstiger als bei den Fleischpreisen zu bleiben.