Mittwoch kurz nach Mittag. Ein Mann steigt in Winterthur in die S11 nach Zürich-Stadelhofen. 21 Minuten dauert die Fahrt. Zeit, die der 29-Jährige – nennen wir ihn Gabriel Tobler – zum Arbeiten nutzen will. Weil er in der 2. Klasse keinen Sitzplatz findet, öffnet er die SBB-App und löst einen Klassenwechsel. Vier Franken für Platz und Ruhe, das ist es ihm wert.
Kaum ist der Laptop aufgeklappt, erscheint ein Kontrolleur. Der Klassenwechsel sei ungültig, sagt er. Gabriel Tobler ist verwirrt: «Ich upgrade regelmässig auf die 1. Klasse, das war nie ein Problem.» In der App wurde er nicht auf Einschränkungen hingewiesen, und auch die SBB-Website verspricht: «Sie können immer spontan entscheiden, ob Sie in der 1. Klasse reisen möchten.»
Im Gespräch mit dem Kontrolleur stellt sich heraus: Upgraden darf nur, wer im richtigen Zug sitzt. Im Intercity, wo Tobler meist arbeitet, ist der Wechsel kein Problem. Wohl aber in der S-Bahn.
Tobler sollte 90 Franken Busse zahlen
Weshalb der Unterschied? «Grundsätzlich müssen Reisende vor Abfahrt des Zuges immer einen gültigen Fahrausweis für die entsprechende Klasse dabeihaben», erklärt SBB-Sprecherin Luana Quinter. Das gelte auch für den Klassenwechsel.
Mit einer Ausnahme: Wer in einem begleiteten Fernverkehrszug unterwegs ist, kann das Upgrade unterwegs lösen. Dazu gehören der Intercity (IC), EuroCity (EC) und andere Fernzüge. Die Unterscheidung komme nicht von den SBB, sondern habe mit nationalen Bestimmungen zu tun.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
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Zuerst soll Gabriel Tobler 90 Franken Busse bezahlen. Absurd, findet er: «Das ist so viel, als hätte ich gar kein Billett gekauft – dabei hatte ich sogar zwei!» Der Kontrolleur zeigt schliesslich Nachsicht. 75 Franken seien okay, da er einen «teilgültigen Ausweis» habe. Mediensprecherin Luana Quinter bestätigt, das sei das übliche Vorgehen.
Die Website wird geändert
Damit gibt sich Tobler nicht zufrieden. Nach der Fahrt beschwert er sich mündlich und schriftlich – vergebens. Erst als er ein Telefonat mit dem Beobachter erwähnt, versprechen die SBB, seinen Fall noch einmal zu prüfen. Jetzt wird die Busse erlassen. «Aus Kulanzgründen», wie Luana Quinter schreibt. Einen Anspruch auf Kulanz gebe es aber nicht: «Die SBB prüfen jeden Einzelfall individuell und berücksichtigen dabei die Gleichbehandlung aller Reisenden.»
Gabriel Tobler ist froh, muss er nicht bezahlen. Die Erklärung der SBB leuchtet ihm aber wenig ein: «Meist merkt man erst im Zug, dass alle Sitze besetzt sind. Es müsste doch im Interesse der SBB sein, die 2. Klasse zu entlasten?» Dazu äussert sich das Bahnunternehmen zwar nicht, dafür entschuldigt die Mediensprecherin sich für die Aussage auf der Website. «Immer spontan entscheiden» sei zu wenig präzise, eine Anpassung bereits veranlasst.