Hier können Normalos noch ein Haus kaufen
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Irgendwo im Nirgendwo
Hier können Normalos noch ein Haus kaufen

Immo-Preise explodieren, Angebote für Wohneigentum werden knapper: Wer günstig ein Haus kaufen will, muss lange suchen – draussen an der Peripherie.
Publiziert: 25.07.2021 um 00:45 Uhr
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Aktualisiert: 26.07.2021 um 08:29 Uhr
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Corona befeuert den Traum vom Eigenheim.
Foto: www.villa-am-see.ch
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Danny Schlumpf

Corona befeuert den Traum vom Eigenheim. Doch die Nachfrage ist riesengross, das Angebot minimal, weshalb die Immo-Preise immer weiter steigen – seit 2020 um mehr als sechs Prozent.

Die Folgen sind paradox: «Dank rekordtiefer Zinsen war Wohneigentum nie günstiger als heute», sagt Donato Scognamiglio (51), CEO der Immobilienberatungsfirma IAZI. «Aber immer weniger Schweizer können es sich leisten. Vor allem für junge Familien ohne Vermögen ist der Zug abgefahren.»

Medianlohn reicht nicht aus

Die Einkommen dieser Gruppe stagnieren, während die Immobilienpreise in zehn Jahren fünfmal so stark stiegen wie die Löhne. Der Medianlohn, also der mittlere Lohn pro Jahr, liegt bei 78'000 Franken. Das ist nicht nur für eine Villa mit Seeblick zu wenig: Will eine Familie um ein Häuschen im Wert von 650 '000 Franken mitbieten, muss sie mindestens 100'000 Franken verdienen. Und 100'000 Franken Vermögen plus 30'000 Franken Pensionskassen-Guthaben mitbringen.

Das geht jedoch nur bis zu einer Maximalbelehnung von 80 Prozent und einem kalkulatorischen Zinssatz von höchstens 4,5 Prozent. Rechnet man Zinsen, Amortisation, Unterhalts- und Nebenkosten zusammen, landet diese Musterfamilie bei jährlichen Kosten von rund 35'000 Franken – was gerade noch als tragbar gilt. Denn der Lohn sollte dreimal so hoch sein wie die Kosten.

Angebot an Häusern sinkt

Allerdings ist diese Rechnung reine Theorie: Den kalkulatorischen Zinssatz verwenden Finanzinstitute zur Berechnung der Tragbarkeit für den Fall, dass die Zinsen wieder steigen. Sie tun das bloss schon länger nicht mehr, weshalb die effektiven Hypozinsen aktuell bei rund 1 Prozent liegen. Die tatsächlichen Kosten für ein 650'000-Franken-Haus betragen daher nur 17'500 Franken – was mit dem Medianlohn von 78'000 Franken problemlos zu stemmen wäre. «Wer einmal im Klub drin ist, gehört zu den Glücklichen», sagt IAZI-Chef Scognamiglio. «Nur schafft es da fast keiner mehr rein.»

Der Grund: Das Angebot an günstigen Häusern schrumpft fast täglich. Im Kanton Zürich gibt es kein einziges Objekt in der Preisklasse von 650'000 Franken, auch in Genf, Zug oder Schwyz suchen Interessenten vergeblich. Wer ein solches Haus will, muss immer weiter raus an die Peripherie: Besonders die Kantone Jura, Wallis und Tessin bieten noch solche Immobilien an. Sie stehen etwa in Boncourt JU, Martigny VS oder Blenio TI.

Erhöhte Tragbarkeit?

Wer dennoch in die Zentren strebt, muss mehr verdienen und besitzen als früher. Dort bekommt er es sehr schnell mit dem durchschnittlichen Schweizer Hauspreis zu tun, der mittlerweile bei einer knappen Million liegt. Das kann sich nur eine Familie leisten, die 165'000 Franken verdient, 120'000 Franken Vermögen und ein Pensionskassen-Guthaben von 90'000 Franken besitzt. Allerdings: «Hohe Immobilienpreise und stagnierende Einkommen haben dazu geführt, dass heute über 40 Prozent der Käufer die Standard-Tragbarkeit überschreiten», sagt Stefan Heitmann (43), CEO des Hypothekar- und Immobilienspezialisten Moneypark.

Deshalb sei der Kauf eines solchen Hauses auch mit einem Lohn von 130'000 Franken denkbar, sagt Heitmann – obwohl die Tragbarkeit in diesem Fall nicht bei 33 Prozent, sondern bei 42 Prozent liegt. «Es ist keineswegs ausgeschlossen, einen Anbieter zu finden, der das Vorhaben mit einer erhöhten Tragbarkeit finanzieren würde.»

Trotz allem: Hauskauf lohnt sich

Aber wie auch immer eine Familie ihre Rechnung macht: Auch in der Preisklasse bis zu 950'000 Franken werden die Angebote immer rarer. Die Proptech-Firma Pricehubble hat sich für SonntagsBlick in der Umgebung von Zürich umgesehen: In einem Radius von 25 Kilometern um den Zürcher Hauptbahnhof stehen aktuell nur noch 52 Objekte im Wert von höchstens 950'000 Franken zum Verkauf, 33 davon im Kanton Aargau.

Trotzdem lohne sich die Suche, sagt Stefan Heitmann: «Eine Familie, die in Dübendorf ZH eine 4,5-Zimmer-Wohnung mit 99 Quadratmeter Fläche bewohnt, bezahlt 2380 Franken Nettomiete pro Monat. Wenn sie eine vergleichbare Wohnung in Killwangen AG kauft, liegen ihre effektiven Zinskosten bei 555 Franken.» Angesichts steigender Preise lasse sich sogar noch mehr rausholen: «Bei einer Wertsteigerung bringt die Immobilie bei einem späteren Verkauf zusätzliches Eigenkapital ein», sagt Heitmann.

Und wie steht es ums Wohnen im Zentrum? Für eine Immobilie mit 140 Quadratmeter Fläche braucht es heute in Bern ein Einkommen von 228'000 Franken, in Zürich sind es 420'000 und in Genf 480'000 Franken. Spätestens da ist auch für gut verdienende Normalos Schluss.

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