Bei der Fahrt durchs Zürcher Kemptthal drang früher ein Duftgemisch aus Brühwürfeln, Saucen und Suppenwürzen durchs offene Autofenster. Der Duft kam vom alten Maggi-Industrieareal. Seit wenigen Jahren erlebt das Areal mit eigenem Bahnhof eine Renaissance unter dem Namen The Valley. Markante Düfte wabern keine mehr ins Fahrzeuginnere, obwohl das Areal in seinen Backsteingebäuden immer noch Nahrungsmittelhersteller beherbergt. Mitten drin: Planted Foods. Slogan: «Der neue Standard für pflanzenbasiertes Fleisch».
In den Kühlregalen der Supermärkte finden sich immer öfter deren Produkte, von «Planted Chicken» über «Planted Bratwurst» bis «Planted Schnitzel». Die vegetarischen Fleischalternativen werden auf Erbsenbasis produziert. Im Online-Shop der Firma gibt es hippe Hoodies und T-Shirts für die wachsende Planted-Community. Hier in Kemptthal seien keinesfalls «Vegi-Freaks» am Werk, sondern seriöse Jungunternehmer, betonen Judith Wemmer (33) und Pascal Bieri (37) beim Blick-Besuch. Beide gehören zu den Gründungsmitgliedern der Firma, die seit drei Jahren auf die Ernährungswende baut. Sprich: weniger Fleischkonsum, mehr pflanzliche Fleischalternativen.
Das Vegi-Fleisch gibts auch in der Kronenhalle
Diverse Investoren haben bei der ETH-Lebensmitteltechnikerin und dem HSG-Absolventen bereits angebissen: 150 Millionen Franken steckten diese bislang in die Firma. Dabei scheint die Lust auf Fleischalternativen zuletzt abgenommen zu haben. Der US-Riese Beyond Meat oder die deutsche Firma Veganz stürzten an der Börse ab. Wars das mit der Ernährungswende?
«Auf keinen Fall», sind sich Wemmer und Bieri einig. «Wir verzeichnen immer noch Wachstum im fast dreistelligen Bereich.» Wobei die Hälfte der Planted-Produkte von Privatpersonen gekauft werden, die andere Hälfte von der Gastronomie. Zu Letzterer zählen nicht nur Vegi-Restaurants wie das Hiltl, sondern auch die Kette Brezelkönig, die noble Kronenhalle in Zürich oder diverse Kebab-Imbissbuden. «Der Kebabstand Anytime in Zürich macht schon 20 Prozent der Verkäufe mit unserem Planted-Kebab», erzählt Bieri. Er räumt aber ein, dass Planted in Städten eher offene Türen einrennt als auf dem Land.
Selber erlaubt er sich nur noch «ganz selten» Fleisch, Wemmer ist Vegetarierin. Planted-Mitarbeitende müssen nicht Vegi sein. Aber in der modernen Firmenkantine im historischen Gebäude in Kemptthal gibt es nur fleischlose Produkte.
Neuer Vertriebs-Coup in Grossbritannien
Um in die Haushalte zu kommen, setzt die Firma schweizweit auf 2700 Verkaufsstellen – darunter Coop-Supermärkte oder die Dorfladenkette Volg. Europaweit gibt es 6000 Verkaufspunkte, neben dem Heimmarkt Schweiz primär in den Nachbarländern. Soeben wurde in Grossbritannien eine neue Vertriebspartnerschaft mit dem Retail-Giganten Tesco angekündigt. Dazu erfolgte am 3. Oktober die Lancierung eines neuen Produkts in den Regalen der Schweizer Grossverteiler: «Planted Duck».
Im Visier sind nicht primär Veganer, deren Bevölkerungsanteil geschätzt nur zwei bis drei Prozent ausmacht. Sondern «Flexitarier»: Personen, die sich überwiegend vegetarisch ernähren, aber auch gelegentlich Fleisch essen. Zu diesen gehören laut Bieri rund 40 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer. Diese wollen er und seine Mitstreiter abholen.
Der Biss muss stimmen
Zentral sind dabei Qualität und Geschmack. Alle Produkte basieren auf wenigen Zutaten wie Gelberbsen, Hafer, Wasser oder Rapsöl. Auf chemische Zusatzstoffe verzichtet Planted. Wie kommt der Hühnergeschmack ins Vegi-Poulet? «Wir achten darauf, dass die Textur und Bissfestigkeit dem fleischlichen Vorbild entspricht», erklärt Wemmer. Mit Gewürzen und Kräutern wird nachgeholfen.
Bei der tierischen Bezeichnung gehe es darum, die Verwendung des Planted-Produkts in der Küche verständlich zu machen. Darum wehrt sich Planted auch bis vor Bundesgericht dafür, seine Produkte eben «Chicken» oder «Kebab» nennen zu dürfen.
Blick testet in der Showküche vor Ort den fleischlosen Kebab sowie eine neue Hühnerbrust. Der vegetarische Kebab trifft den Geschmack des Originals gut, die Hühnerbrust ist kaum als Poulet identifizierbar – aber ganz okay.
Das Unternehmen sieht sich auf Erfolgskurs: «Wir haben einen sehr hohen Anteil an Wiederkäufern, also an regelmässigen Konsumenten unserer Produkte», versichert Wemmer. «Was die Produkte anbelangt, so sind wir profitabel», ergänzt Bieri. «In absehbarer Zeit» soll die Firma als Ganzes schwarze Zahlen schreiben. Wie tief das Startup aktuell noch in roten Zahlen steckt, wird nicht bekannt gegeben.
Der Fokus liegt auf der weiteren Optimierung des pflanzenbasierten Fleisches. Von den 170 Mitarbeitenden in der Schweiz – weltweit sind es über 200 – sind 65 in der Forschungsabteilung beschäftigt. Sie experimentieren nicht nur mit Pflanzen und Produktionsmethoden, sondern auch mit Pilzen und Bakterien. Schon bald soll eine Alternative für rotes Fleisch bereitstehen. Angst vor Konkurrenz haben die Jungunternehmer nur insofern, als zu viele «schlechte» Produkte in den Verkauf gelangen und so Fleischersatzprodukte in Verruf bringen.
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Dazu sei Planted preislich konkurrenzfähig. «Im Regal sind wir in der Schweiz günstiger als Biofleisch», sagt Bieri. Doch Wemmer weiss: «Langfristig müssen wir günstiger als Fleisch sein.»
So baut Planted die Produktion in Kemptthal weiter aus und stellt dort inzwischen täglich 12 bis 15 Tonnen Fleischersatz her. Lediglich für die Wurstvariante greift man auf einen Partner in Süddeutschland zurück. 70 Prozent der Erzeugnisse exportiert Planted ins Ausland. Um eine Export-Ikone wie Lindt oder Nespresso zu werden, braucht es noch ein Weilchen.