Hat es in einer Zimtschnecke tatsächlich Schnecken? Hat es im Hotdog Hundefleisch? Natürlich nicht. Hat es aber im «vegan chicken» Poulet?
Über Letzteres wird die höchste gerichtliche Instanz der Schweiz, das Bundesgericht, befinden müssen. Es geht um die Frage, ob ein Nahrungsmittelproduzent Tierartenbezeichnungen für vegane Produkte verwenden darf. Im konkreten Fall geht es darum, ob der auf «pflanzenbasiertes Fleisch» spezialisierte Nahrungsmittelproduzent Planted aus Kempttal ZH die Namen einzelner Produktlinien ändern muss. Produktnamen wie «planted.chicken» verstossen möglicherweise gegen Gesetze. Oder eben auch nicht.
Unklare Gesetzeslage
Die Gesetze sind offenbar nicht genau genug definiert, um die Frage abschliessend zu klären. Am Ursprung steht eine Beanstandung des kantonalen Labors Zürich. Dieses hielt Planted dazu an, gewisse Produktnamen zu ändern – jene mit Tiernamen. Nach misslungener Einsprache und einem abgewiesenen Rekurs erhielt Planted im November 2022 vom Zürcher Verwaltungsgericht Recht. Weil mit 93 Prozent die grosse Mehrheit der Konsumenten bemerken, dass beispielsweise «planted.chicken» ein fleischloses Produkt ist, könne nicht von einer «Täuschungswirkung» gesprochen werden.
Damit war der Fall aber nicht abgeschlossen: Kurz darauf reichte das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) beim Bundesgericht Beschwerde gegen den Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts ein. Auf Nachfrage von Blick erklärt EDI-Sprecherin Sarah Camenisch, dass das EDI die lebensmittelrechtlichen Vorschriften über den Täuschungsschutz anders interpretiere als das Verwaltungsgericht.
Das EDI orientiert sich dabei an der Haltung des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), die in einem Schreiben festgehalten ist. Demnach sollen «sämtliche Angaben über Lebensmittel den Tatsachen entsprechen» und dürfen nicht irreführend sein. Im selben Informationsschreiben steht aber auch: «Begriffe, die zwar traditionell mit Lebensmitteln tierischer Herkunft in Verbindung gebracht werden (...), aber weder umschriebene Sachbezeichnungen sind noch auf die tierische Herkunft des Lebensmittels verweisen, (...) sind bei vegetarischen oder veganen Alternativen zu tierischen Produkten zulässig, wenn eindeutig auf die pflanzliche Herkunft des Produkts hingewiesen wird.» Das heisst: Man darf zwar von veganem Schnitzel oder veganer Wurst sprechen, nicht aber von veganem Poulet oder veganem Schwein.
Haarspalterei und Amtsschimmel
Für Planted ist das Haarspalterei. Deren Community stimmt in diese Argumentation ein und nennt zahlreiche weitere Beispiele, die dieser Argumentation widersprechen: Katzenzungen, Fleischvögel, Colafrösche oder Goldhasen müssten demnach auch umbenannt werden.
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Aber warum hält Planted so dezidiert an einer tierischen Bezeichnung für Fleischersatzprodukte fest? «Um den Übergang zu einer nachhaltigeren Ernährung voranzutreiben, ist es wichtig, dass Konsumentinnen und Konsumenten genau wissen, wie sie neue Produkte wie das unsere verwenden und in ihren Alltag integrieren können – dazu dienen die Tierbeschreibungen», erklärt Vicky Kummer, Sprecherin von Planted. Letztlich gehe es darum, dass die Gesellschaft in der Lage ist, das Lebensmittelsystem umzustellen. Ihre Folgerung: Wenn ihre Firma den Wandel aufgrund verständlicher Produktbezeichnungen nicht vorantreiben darf, stehe dies auch nicht in Einklang mit der strategischen Agenda der Schweiz zur Senkung der Treibhausgasemissionen.
Die Kempttaler Firma geht davon aus, dass das EDI «von Fleischlobbyisten und anderen Interessengruppen beeinflusst» ist, die den Status quo bewahren wollen. Ob es tatsächlich Personen gab, die aufgrund der Bezeichnung «Planted Chicken» glaubten, echtes Poulet zu kaufen, beantwortet das EDI nicht. Es verweist auf die Kantone, die für Beschwerden und den Vollzug des Lebensmittelrechts zuständig sind.
Das Bundesgericht wird sich in den kommenden Monaten mit dem Fall befassen. Planted macht derweil unbeirrt weiter: Soeben lancierte man ein neues Produkt namens «planted.chicken Green Paprika & Lime by Tim Raue».