WEF-Abschluss: «Stolz, was wir in einer Woche erreicht haben»
WEF-Präsident Borge Brende (58) bedankt sich bei den Anwesenden im Kongresszentrum für ihre aktive Teilnahme am WEF. «Es gibt keine Unternehmen oder Länder, die isoliert von globalen Schocks sind», sagt der frühere norwegische Minister.
«Wir hatten 350 Staatsoberhäuper und Minister hier. Wir haben einen neuen Geist der Solidarität geschaffen. Wir führen damit unsere Tradition fort, einen Raum für Diplomatie zu bieten», so Brende. Er erwähnt dabei insbesondere den Ukraine-Krieg und die Friedenskonferenz, die vor dem WEF in Davos stattgefunden hat.
Dann listet Brende Erfolge des WEF auf. Gespräche, die stattgefunden haben, Abkommen, die geschlossen wurden. «Technologie und KI stand ganz oben auf der Agenda. Die Teilnehmenden arbeiten darauf hin, eine verantwortungsvolle Entwicklung von KI sicherzustellen», sagt Brende etwa.
«Ich bin wirklich stolz darauf, was wir in Davos in nur einer Woche erreicht haben», schliesst er seine minutenlange Auflistung ab. «Jetzt geht es darum, diesen Fortschritt im kommenden Jahr zu skalieren. Damit wir, wenn wir uns in einem Jahr wieder treffen, messbare Verbesserungen in den Bereichen Sicherheit, Umwelt und Wirtschaftswachstum gemacht haben.»
Die Davos-Woche sei zwar sehr lohnenswert gewesen – «aber jetzt freuen wir uns alle darauf, nicht mehr jeden Morgen um 05.30 Uhr aufzustehen», schliesst Brende seine Rede ab. Die WEF-Teilnehmenden verschieben sich nun fürs Abschiedsmittagessen auf die Schatzalp.
WEF-Abschlussrede um 12 Uhr
Nach fünf Tagen neigt sich das WEF am Freitagmittag dem Ende zu: WEF-Präsident Borge Brende (58) hält um 12 Uhr eine kurze Abschlussrede. Danach verschieben sich die WEF-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer auf die Schatzalp, wo der traditionelle «Farewell Lunch» stattfindet. Das Wetter spielt allerdings nicht mit: Statt Sonnenschein und schönem Ausblick erwartet die Teilnehmenden auf der Schatzalp Schneegestöber.
Lagarde über Trump: «Die beste Verteidigung ist Attacke»
Europa blickt besorgt über den Atlantik: Eine Wiederwahl des früheren US-Präsidenten Donald Trump (77) erscheint wahrscheinlicher als noch vor wenigen Monaten angenommen. Christine Lagarde (68), Direktorin der Europäischen Zentralbank (EZB) gibt sich am traditionellen WEF-Panel zum globalen Wirtschaftsausblick kämpferisch. «Die beste Verteidigung ist Attacke», sagt sie mit Blick auf eine mögliche Trump-Wiederwahl. «Um attackieren zu können, müssen wir zu Hause stark sein und unseren gemeinsamen europäischen Markt stärken.»
Der deutsche Finanzminister Christian Lindner (45) stimmt ihr zu. «Wir müssen unsere Hausaufgaben machen, das wäre die beste Vorbereitung für eine mögliche zweite Amtszeit Trumps: ein attraktiver Partner auf Augenniveau sein. Unsere Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Dann werden wir eine gute Partnerschaft mit den USA haben. Egal, wer die USA führt.»
Was heute noch in Davos läuft
Bye, bye, Davos! Heute Mittag geht die 54. Ausgabe des WEFs bereits zu Ende. Bis WEF-Präsident Borge Brende am Mittag seine Abschlussrede hält, hat es auf der WEF-Agenda noch einige spannende Programmpunkte. Zum Beispiel ein Panel zu den zwei grössten Volkswirtschaften der Welt, China und die USA sowie eine Veranstaltung zu den globalen Risiken im laufenden Jahr. Nach der Abschlussrede gegen 13 Uhr verschieben sich die geladenen Gäste traditionell auf die Schatzalp. Dort findet der sogenannte «Farewell Lunch» statt.
Strafanzeigen gegen Isaac Herzog
Bei der Berner Kantonspolizei sind am Dienstag an die Bundesanwaltschaft adressierte Strafanzeigen gegen den israelischen Staatspräsidenten Isaac Herzog, der am Donnerstag am WEF auftrat, eingegangen. Die Strafanzeigen würden nun gemäss dem üblichen Vorgehen geprüft, teilte die Bundesanwaltschaft auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit. Man stehe in Kontakt mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), um die Frage der Immunität der betreffenden Person zu prüfen, hiess es weiter. Worauf genau die Strafanzeigen lauten, beantwortete die Bundesanwaltschaft auf Anfrage nicht. (SDA)
Das WEF bleibt das Treffen der Reichsten und Schönsten
Das WEF war auch dieses Jahr das Treffen der Reichen und Schönen. Nicht nur Multimilliardäre wie Bill Gates (68) zeigten sich in Davos, sondern auch die einstmals schönste Frau der Welt. Die Israelin Linor Abargil (43) wurde 1998 zur Miss World gekrönt. Der Grund für ihre Reise nach Davos war aber wenig glamourös, wie sie «Blick» im Hotel Seehof erzählte: «Ich bin hier, um auf die zunehmende sexuelle Gewalt gegen Frauen weltweit aufmerksam zu machen. Dieses Problem braucht unsere volle Aufmerksamkeit. Die vielen starken Frauen, die ich in Davos getroffen habe, machen mir Mut.»
Wie gelingt Nachhaltigkeit in der Modeindustrie?
Die Bekleidungsindustrie ist verantwortlich für 10 Prozent der globalen CO₂-Emissionen und für 20 Prozent der industriellen Abwasserverschmutzung. 85 Prozent aller Textilien wandern jedes Jahr in den Müll. «Wir sind das Gegenteil von Fast Fashion», hält Patrice Lauvet, CEO der Bekleidungsmarke Ralph Lauren an einem WEF-Panel über Nachhaltigkeit in der Bekleidungsindustrie dagegen. «Wir stehen für Qualität und Zeitlosigkeit. Ich will, dass die Kundschaft unsere Kleider heute kauft und in 30 Jahren noch trägt.»
Margaret Zhang, Chefredaktorin der Vogue China, argumentiert: «Fast Fashion sorgt auch dafür, dass jede und jeder sich durch Mode ausdrücken kann, auch wenn man sich keine Luxusprodukte leisten kann.» Allerdings würden die Konsumenten durch Fast Fashion schon im frühen Alter falsch konditioniert. «Selbst wenn sie sich dann einmal Luxusprodukte leisten können, bleiben sie im alten Muster: kaufen, entsorgen.» Fakt bleibt: Wir alle tragen im Schnitt nur 20 Prozent der Kleider, die wir im Schrank haben.
Über die Zukunft des Schneesports
An einem Panel zum Thema alpine Volkswirtschaften und dem Einfluss des Klimawandels auf diese hat sich Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann heute für das Wegkommen von fossilen Energien starkgemacht. Zwar habe man schon einiges geschafft. Doch um das Pariser Klimaziel zu erreichen – ein Temperaturanstieg um maximal 1,5, allerhöchstens aber 2 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter – reiche das nicht. «Wir sind noch nicht gut genug», sagt er. Konkrete Massnahmen werden am Panel kaum angesprochen, Lehmann betont insbesondere, dass es eine klare Führung brauche. Ob das die Politik ist oder sein Verband, lässt er offen.
Monica Medina, CEO der US-Naturschutzorganisation Wildlife Conservation Society, streicht am Anlass die aus ihrer Sicht wichtige Rolle von Skifahrern und anderen Schneesportlern hervor. Ihnen könne es besser als Politikern gelingen, Aufmerksamkeit auf die Folgen des Klimawandels in den Berggebieten zu lenken, glaubt sie.
Thomas Jordan: «Es braucht robuste geldpolitische Entscheidungen»
Nationalbank-Präsident Thomas Jordan (60) hatte heute seinen einzigen Auftritt am WEF – an einem Panel über die Zukunft der Geldpolitik. Seine Botschaft: Es braucht auch für die Notenbanken eine Art Risikomanagement, das mit verschiedenen wirtschaftlichen Szenarien arbeitet. Denn das sei das wichtigste für die Geldpolitik. «Es braucht robuste geldpolitische Entscheidungen», so Jordan.
Denn das stärkt die Glaubwürdigkeit jeder Notenbank, wenn ihre Entscheidung nicht beim nächsten wirtschaftlichen Gegenwind schon wieder umfällt. Deshalb gilt es auch, für einen gewissen Zeitraum mit keiner oder geringer Inflation zu leben: «Das ist nicht so schlimm», so Jordan.
Zur Einordnung: Das Ziel der SNB für Preisstabilität liegt bei einer Teuerung von weniger als zwei Prozent. Aktuell sinkt die Inflation mittelfristig wieder. Die Notenbank will verhindern, dass wir in eine Deflation laufen.
Als es um die Frage ging, ob Notenbanken sich auch um den Klimawandel kümmern sollten, sagte Jordan, dazu fehlten der SNB die Instrumente: «Wichtig für uns ist ein eng definiertes Mandat zur Aufrechterhaltung der Preisstabilität.»
Amherd zieht WEF-Bilanz: «Engagement der Schweiz ist gefragt»
«Ich ziehe eine positive Bilanz vom diesjährigen WEF», sagt Bundespräsidentin Viola Amherd. Die Verteidigungsministerin hat in den vergangenen Tagen zahlreiche bilaterale Gespräche geführt, unter anderem mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, Uno-Generalsekretär Antonio Guterres und diversen Regierungsmitgliedern und Staatsoberhäuptern verschiedener Staaten.
«Die Gespräche zeigten, dass das Engagement, die Verlässlichkeit und die Neutralität der Schweiz bei der Konfliktlösung gefragt sind», so Amherd. Die Schweiz habe die Möglichkeit, zur Lösungsfindung beizutragen und Vertrauen wieder aufzubauen. Angesichts der geopolitischen Lage sei das «dringend notwendig».
Die Situation im Nahen Osten war laut Amherd in allen Gesprächen Thema. Während der Schweiz vergangenes Jahr heftige Kritik entgegenblies wegen ihrer Position im Ukraine-Krieg, habe sie dieses Mal eine «sehr positive und konstruktive Stimmung» der Schweiz gegenüber wahrgenommen, so Amherd auf Nachfrage von Blick. «Es wurde explizit in allen Gesprächen anerkannt, was die Schweiz in der Ukraine leistet, auch im humanitären Bereich.»
Amherd sagt, sie habe zudem jedes Gespräch genutzt, um für den geplanten Friedensgipfel für die Ukraine zu werben.
Auch die Beziehungen zur EU waren ein Fokus der Schweiz am diesjährigen WEF. Auf die Frage, ob man eine Charmeoffensive gegenüber der EU gestartet habe, meinte Amherd lächelnd: «Da müssen sie die Gesprächspartner fragen, wie der Charme angekommen ist.»
Am Montag beginnt am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos GR das grosse Schaulaufen der Mächtigen und Reichen. Mit dem Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (45) gelingt den WEF-Organisatoren ein Coup. Selenski reist heuer höchstpersönlich in die Bündner Berge. Dies, nachdem er sich in den Vorjahren jeweils per Videoschaltung an die versammelte Weltelite gewandt hatte.
Sein Ziel bleibt das gleiche: um Unterstützung für die Ukraine weibeln. Letztes Jahr war seine Ehefrau Olena Selenska (45) in Davos aufgetreten – auch damals begleitet von hohen Sicherheitsvorkehrungen und viel Geheimniskrämerei, um die ukrainische Delegation nicht zu gefährden.
Für Selenski ist es der erste Besuch in der Schweiz seit Ausbruch des Angriffskriegs durch Russland. Allerdings nicht sein erster Besuch überhaupt: Bereits 2020 nahm er am WEF teil – dies allerdings noch vor Kriegsausbruch. Vor dem WEF stattet Selenski dem Bundesrat in Bern einen Besuch ab.
Hochkaräter aus China, mickrige US-Delegation
Neben Selenski reisen rund 60 weitere Staatsoberhäupter zum Weltwirtschaftsforum nach Davos. Das ist ein neuer Rekord: In der letztjährigen Ausgabe waren 52 Staats- und Regierungschefs der Einladung von WEF-Gründer Klaus Schwab (85) gefolgt. Unter den diesjährigen Gästen der obersten politischen Liga ist unter anderem der neu gewählte argentinische Präsident Javier Milei (53). Er ist erst seit Mitte Dezember im Amt und macht mit seiner ultra-libertären Wirtschaftspolitik sowie aufsehenerregenden Auftritten – etwa mit Kettensäge im Wahlkampf – von sich reden.
Auch der chinesische Premierminister Li Qiang (64) steht auf der Gästeliste, wie bereits spekuliert worden war. Damit reist China mit der höchstrangigen Delegation seit 2017 an, als der chinesische Präsident Xi Jinping (70) am WEF teilgenommen hatte.
Weniger hochkarätig besetzt ist derweil die US-amerikanische Delegation: Zwar bestätigten die Organisatoren die Teilnahme von US-Aussenminister Antony Blinken (61) und des Nationalen Sicherheitsberaters Jake Sullivan (47). Aber weder US-Präsident Joe Biden (81) noch seine Vizepräsidentin Kamala Harris (59) kommen in die Bündner Berge.
Nahostkonflikt sorgt für Aufsehen
Mit Spannung erwartet wird der Besuch von Staats- und Regierungschefs aus dem Nahen Osten: So nehmen unter anderem der israelische Präsident Isaac Herzog (63), der libanesische Ministerpräsident Najib Mikati (68), der irakische Premierminister Mohammed Shyaa Al Sudani (54), der jordanische Premierminister Bisher Hani Al Khasawneh (54) und der iranische Aussenminister Hossein Amir-Abdollahian (59) teil.
Auch aus Europa kann sich die Liste von Staatsoberhäuptern sehen lassen, allen voran der französische Präsident Emmanuel Macron (46) sowie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (65). Nicht auf der Teilnehmerliste steht hingegen der deutsche Kanzler Olaf Scholz (65). Für die Schweiz führt Bundespräsidentin Viola Amherd (61) die WEF-Delegation an.
ChatGPT-Erfinder Sam Altman ist dabei
Neben der Politik-Chefetage ist auch die Wirtschafts-Elite am WEF stark vertreten: Mehr als 800 CEOs aus sämtlichen Wirtschaftsbereichen nehmen gemäss Angaben der Organisatoren an der diesjährigen Ausgabe teil. So hat gemäss Programm unter anderem der ChatGPT-Erfinder Sam Altman (38) einen Auftritt an einem Panel. Gesamthaft rechnet das WEF mit 2800 Teilnehmenden aus 120 Ländern.
Das WEF steht in diesem Jahr unter dem Thema «Rebuilding Trust». Es geht am Forum unter anderem um die geopolitischen Herausforderungen mit den Kriegen im Nahen Osten und der Ukraine. Daneben steht die Künstliche Intelligenz und die durch sie erwarteten Umwälzungen im Arbeitsmarkt im Fokus. Ebenso, wie in den Vorjahren, der Klimaschutz und die Geschlechtergleichstellung. Das WEF beginnt am Montag, 15. Januar und dauert bis am Freitag, 19. Januar.