Immer mehr Hierarchie
Es gibt viel zu viele Chefs!

In den vergangenen 30 Jahren ist die Anzahl Führungskräfte deutlich schneller gewachsen als jene der Arbeitskräfte. Das mag für die Arbeitnehmenden schön sein. Für bessere Effizienz in den Unternehmen sorgt das nicht.
Publiziert: 25.06.2023 um 17:08 Uhr
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Bereits 400'000 von insgesamt fünf Millionen Arbeitnehmern in der Schweiz bekleiden eine Führungsposition.
Foto: imago
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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

Hast auch du Gefühl, dass inzwischen fast alle Arbeitnehmenden irgendwelche flotten Jobtitel als «Head of irgendwas» tragen? Du täuschst dich nicht.

Laut einer neuen Studie des Gottlieb-Duttweiler-Instituts (GDI) gibt es heute in der Schweiz etwa dreimal so viele Führungskräfte wie Anfang der 90er-Jahre. Das Total der Erwerbstätigen nahm in der gleichen Zeit aber nur um 25 Prozent zu, wie die «NZZ am Sonntag» berichtet.

Zu viel Bürokratie?

Wie kann es sein, dass sich das Mengenverhältnis zwischen Chefs und herkömmlichen Angestellten so unterschiedlich entwickelt? Studienautor Jakub Samochowiec vom GDI fragt sich, ob es all die zusätzlichen Führungskräfte tatsächlich braucht: «Manche leisten zweifellos wertvolle Koordinations- und Motivationsarbeit. Doch viele dieser Vorgesetzten sorgen ebenso für unnötigen Mehraufwand, der an den Untergebenen hängenbleibt.»

Der Personalexperte und frühere Swissair-Personalchef Matthias Mölleney sieht das Problem im Aufbau von Hierarchien. So komme es häufig vor, dass verdienstvolle Mitarbeitende zur Belohnung eine Kaderposition erhalten – obwohl dies aus fachlicher Sicht gar nicht nötig wäre.

Glänzende Titel, wenig Vertrauen

Neue Themen werden stets auch zur Chefsache erklärt. Da gibt es dann den Chief Compliance Officer, den Chief Information Officer und sogar Chief Happiness Officers. Wer Planungsaufgaben erledigt, ist nicht mehr einfach nur Planer, sondern Head of Strategy.

Tausend vom GDI befragte Angestellte in der Deutschschweiz sehen darin nicht viel Sinn: Ein Drittel sagt, man könnte mit weniger Führungskräften effizienter arbeiten. Gar 40 Prozent sind der Meinung, dass das Management Dinge entscheide, die sie als direkt Betroffene besser beurteilen könnten.

Aber Chefs müssen nun mal ihre hierarchisch höhere Stellung rechtfertigen. Laut Samochowiec strebt ein Chef danach, «möglichst viele Entscheidungen an sich zu reissen – auch bei Dossiers, in denen er wenig kompetent ist und die er besser seinem Team übertragen würde».

Arbeitspsychologin Nicole Kopp stellt fest, dass «das Management den eigenen Angestellten zu wenig Vertrauen entgegenbringt». Daraus entstehe der Reflex, jede Entscheidung automatisch nach oben zu delegieren.

Chefs als Auslaufmodell

Das Festhalten an starren Rangordnungen passe ausserdem schlecht zum rasanten Wandel in der Wirtschaft, findet Nicole Kopp. «Wer in unserer komplexen Welt Erfolg haben will, sollte nicht auf die allwissende Führungsperson setzen, sondern auf selbstorganisierte Teams, die ihre Projekte eigenständig realisieren können.»

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