Was ist nur bei Manor los? Ehemalige Angestellte von der Manor-Filiale in Lausanne seien zwischen 2020 und 2023 von ihrem Manager schikaniert worden, wie zwei Ex-Mitarbeitende im Blick erzählten. Dokumente stützen ihre Behauptungen und zeigen, dass die Vorgesetzten von dem Mobbing wussten. Pikant: Trotz eines langwierigen Prozesses sind in der Folge keine Massnahmen gegen den Manager ergriffen worden.
Jetzt folgt der nächste Fall: Bei Blick haben sich seit Veröffentlichung des Artikels elf weitere Angestellte gemeldet – alle arbeiten in der Manor-Filiale in Genf, die insgesamt 100 Mitarbeitende beschäftigt. Die Vorwürfe sind erschreckend: «Mobbing», «Misshandlung», «unterlassene Hilfeleistung», «Vergeltungsmassnahmen bei Krankschreibungen oder Meinungsverschiedenheiten», «Drohungen», «Druck», «Verletzung der persönlichen Integrität».
«Wir halten es nicht mehr aus, wir gehen durch die Hölle», klagt eine Mitarbeiterin am Telefon gegenüber Blick. In der Genfer Manor-Filiale würden sie und ihre Kollegen unter den Wutausbrüchen einer als «cholerisch» beschriebenen Vorgesetzten, S.M.*, leiden.
Immer wieder Erniedrigungen
Die Angestellten erwähnen immer wieder «Vergeltungsmassnahmen» und abwertende Kommentare nach Krankschreibungen, die sie als «erniedrigend» bezeichnen. Das alles geht schon sehr lange so, wie C.S.*, eine Verkäuferin in diesem Team, sagt. «Seit fast zehn Jahren.» Ihr Alltag sei der Horror. C.S. möchte «aus Angst vor Repressalien» anonym bleiben.
Blick konnte mehrere Dokumente zum Fall einsehen. In sechs Schreiben wird darauf hingewiesen, dass die Managerin mehrmals «bestimmte ärztliche Anordnungen nicht an die Zentrale von Manor weitergeleitet» habe. Warum? S.M. war laut einem der Schreiben der Ansicht, «dass diese nicht den tatsächlichen Grund für die Abwesenheit am Arbeitsplatz widerspiegelten».
Im Arbeitsalltag soll S.M. ihrem Team regelmässig mit dem Rauswurf gedroht haben, wie C.S. berichtet. In einem Brief, der Blick vorliegt, steht, dass S.M. «ein Foto vom Erbrochenen einer Mitarbeiterin» gefordert habe, um zu belegen, dass diese krank sei und im Bett liege.
«Fang an, dich zu schminken, damit du jemanden findest!»
Eine weitere Angestellte des Verkaufsriesen, die sich selbst als «am Boden zerstört» wegen dieser «Mobbing»-Situation beschreibt, berichtet von sehr herabsetzenden Methoden, die das Selbstwertgefühl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beeinträchtigt hätten.
Als Beispiel führt sie einen Dialog zwischen S.M. und einer erkrankten Kollegin an, die über eine Magen-Darm-Grippe klagte. «Das ist gut, so wirst du Gewicht verlieren», soll sie ihr geantwortet haben. Zu einem alleinstehenden Teammitglied habe sie zudem gesagt: «Fang an, dich zu schminken, damit du jemanden findest.»
Ein mysteriöser Whistleblower
Doch was hat die Angestellten dazu bewogen, nach über zehn Jahren genau jetzt aktiv zu werden? Die Idee sei schon vor fast einem Jahr aufgekommen, erzählt C.S. Damals hatte ein mysteriöser Whistleblower in den Gängen von Manor Genf ein Schreiben hinterlassen. Unterschrieben war das Blatt von einem «anonymen Arbeitnehmer in Not». Es weist auf das schlechte Verhalten der Verantwortlichen des Kaufhauses hin. Blick liegt das Dokument vor.
«Respektlosigkeit», «unangemessene Äusserungen», «psychologischer Druck auf die Angestellten» – die Vorwürfe, die in diesem Schreiben mit dem Titel «Notruf» aufgeführt werden, sind zahlreich. Das Ziel des Whistleblowers: Die Mitarbeitenden sollen zusammenhalten und «inakzeptable» Handlungen melden.
Wer hinter der Aktion steckt, ist bis heute unklar. Die Kopien wurden an nicht videoüberwachten Orten verteilt und von der Geschäftsleitung schnell wieder entfernt. Der Aufruf habe jedoch Früchte getragen, da er die Beschäftigten davon überzeugt habe, sich zu organisieren, so ein Insider.
«Wir zittern um unsere Jobs», sagt C.S. Ihr Team schätze die Arbeit und benötige das Geld: «Aber die Angestellten sind am Ende ihrer Kräfte.» Auch für die Kunden sei die Situation bedauerlich, weil der Kundenservice darunter leide.
Ein Problem der Vetternwirtschaft
Doch warum reagiert die Manor-Zentrale bislang nicht? S.M. soll über eine hochrangige Unterstützung innerhalb von Manor Genf verfügen, wie vier Insider Blick berichten. Die Managerin soll eine besondere Nähe zu ihrem Direktor haben. Sie würden regelmässig zu Eishockeyspielen gehen und jeden Tag gemeinsam in einem Restaurant essen.
Die Personalabteilung der Genfer Einrichtung soll die Situation gut kennen. Den vier Insidern zufolge waren ihnen jedoch die Hände gebunden. «Wenn wir uns an die Personalabteilung wenden, wird uns gesagt, dass sie über alles Bescheid wissen, aber nichts tun können, weil unsere Vorgesetzte von der Geschäftsleitung geschützt wird», wie es in einem Brief an Blick heisst.
Die Beschäftigten sind nun aber fest entschlossen, nicht länger tatenlos zuzusehen. Das Team wird von einer Gewerkschaft betreut. C.S. berichtet, dass etwa 30 Beschäftigte die zuvor erwähnten Vorfälle auf der unabhängigen Plattform «Integrity24» gemeldet haben. Die Akte sei am 4. Mai an die Personalabteilung von Manor in Basel gegangen, wie es das Verfahren dieser Plattform vorsieht.
«Wir behandeln alle unsere Mitarbeiter gleich».
Kann Manor bestätigen, dass das Unternehmen Zeugenaussagen von mehreren Angestellten erhalten hat, die sich über das Verhalten der Vorgesetzten beschweren? Wenn ja, wurden Massnahmen ergriffen, um die vorgebrachten Fakten zu überprüfen und das Wohlergehen der Angestellten zu gewährleisten? Manor beruft sich auf Blick-Anfrage auf das Datenschutzgesetz. Das Kaufhaus erklärt über seinen Sprecher, dass es «keine Form von Belästigung duldet».
Manor bestreitet auch jegliche Vorzugsbehandlung. «Wir behandeln unser gesamtes Personal gleich», sagt eine Sprecherin. «Wir nehmen das Wohlbefinden unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr ernst, was sich insbesondere in unserem Verhaltenskodex, unseren Werten und den zahlreichen Kommunikationskanälen widerspiegelt, die es allen ermöglichen, sich jederzeit zu äussern und Feedback zu geben. Auf Wunsch auch anonym – insbesondere über eine neutrale Plattform und einen ausgelagerten Dienst.» All diese Rückmeldungen würden berücksichtigt und objektiv analysiert – geeignete Massnahmen würden ergriffen, verspricht das Kaufhaus weiter.
*Namen geändert