Es ist das wohl bekannteste Warenhaus der Schweiz, der Jelmoli an der Zürcher Bahnhofstrasse. Nicht mehr lange. Ende 2024 wird der Prachtsbau geschlossen. Und zwei Jahre lang umgebaut. Im Parterre und Untergeschoss wird es weiter Läden geben. In den oberen drei Stöcken Büros. Kosten des Umbaus: 100 Millionen Franken. 850 Stellen verschwinden: 550 Jelmoli-Angestellte sowie 300 Mitarbeitende von eingemieteten Marken.
Der ehemalige Vorteil der Warenhäuser war ihre grosse Produktvielfalt. Das Aufkommen des E-Commerce hat diesen zunichtegemacht. Ein weiteres Problem ist die direkte Kundenansprache durch viele Markenunternehmen. Dafür eröffnen diese «Monolabel-Stores» unter eigener Marke direkt an gut frequentierten Strassen. Das zwingt Warenhäuser, einerseits digital präsenter zu sein und andererseits in ihre stationären Stärken zu investieren.
Kannibalisiert das Geschäft
Ein Wandel, den die Warenhäuser nach Ansicht von Michael Dressen (49), Experte für Immobilien im Detailhandel beim Immobilien-Beratungsunternehmen CBRE, nicht genügend forciert haben: «Die eigenen Vorteile wurden jahrelang nur halbherzig ausgespielt.» Statt das Kundenerlebnis konsequent zu verstärken, setzten viele Warenhäuser auf das «Shop-in-Shop»-Konzept, bei dem fremde Marken Verkaufsfläche mieten und unabhängig operieren. Das mag zwar gute Mieterträge einbringen, kannibalisiert laut Dressen aber das eigene Geschäft.
Dagmar Jenni (54), Direktorin des Branchenverbands Swiss Retail Federation, ergänzt: «Für Warenhäuser mit grossen Flächen ist es mit dem heutigen Konsumverhalten sehr herausfordernd, profitabel zu arbeiten.» Schon tiefe einstellige Frequenz- und Umsatzrückgänge genügten, um Warenhäuser unter Druck zu setzen.
Zinswende macht Jelmoli den Garaus
Die wenigen verbliebenen Jelmoli-Filialen machten 2021 noch einen Umsatz von 119,5 Millionen Franken. Unter dem Strich resultierte wohl ein Verlust, so Branchenkenner. Die Immobilie an der Bahnhofstrasse gehört der Swiss Prime Site (SPS), die parallel auch Betreiberin von Jelmoli ist.
Die stete Zunahme des Immobilienwerts in den letzten Jahren vermochte wohl die operativen Verluste zu decken. Jetzt, mit der Zinswende, sinken die Immobilienwerte. Da konnte SPS die Verluste nicht länger tatenlos hinnehmen.
Jelmoli versuchte zwar seit längerem, stärker im Luxusmarkt Fuss zu fassen. Dort können Warenhäuser noch attraktiv sein, wie Jenni festhält. Dieser Schritt war laut Dressen eigentlich richtig, aber chancenlos: «Die Globus-Eigentümer Central und Signa können den Luxus-Markenpartnern ein globales Warenhaus-Netz bieten. Jelmoli bot mit dem einen Flaggschiff diese Skalierungsmöglichkeit nicht.»
Letzteres dürfte dazu beigetragen haben, dass Globus an der Bahnhofstrasse überlebt, während Jelmoli und Manor verschwinden.
Was folgt als nächstes?
In welche Richtung verändert sich das Retailgeschäft in Innenstädten? «Tendenziell sehen wir kleinerflächige Formate, wo das Beraten und die Kundenbindung verstärkt im Zentrum sind», sagt Dagmar Jenni. Dressen sieht das ähnlich: «Bisher waren die Warenhäuser ‹nach innen ausgerichtet›, versuchten den Kunden im Haus zu halten. Künftig wird alles offener sein.» Dass die Warenhausfläche reduziert wird und teils Büros weichen muss, sieht er nicht als Problem: «Das bringt auch neue regelmässige Konsumenten in die Innenstadt.»
Beatrice Tschanz (78), wohlbekannt als Swissair-Sprecherin, sieht das anders. Von 1991 bis 1995 war sie bei Jelmoli Werbe- und Marketingleiterin. «Das Aus tut weh!», sagt sie. Die emotionale Beziehung zum Warenhaus sei in all den Jahren immer bestehen geblieben.
«Shop-in-Shop-Konzept ist gescheitert»
«Der stationäre Handel sorgt für Leben», so Tschanz. «Wenn ein traditionsreiches Haus nach dem anderen schliesst, verarmen die Innenstädte. Wenn es nur noch Banken und Büros gibt, dann ist die City tot!» Es habe immer viele Kundinnen und Kunden im Warenhaus gehabt. Tschanz vermutet: «Das Shop-in-Shop-Konzept ist gescheitert.» Tschanz liegt vor allem eine lebenswerte Stadt am Herzen. «Ich muss nicht bei Dior und Chanel shoppen.»