Carola Staubli (58) aus Gebenstorf AG ist verzweifelt. Sie lebt trotz schwerer Erkrankung selbständig, bezieht keine IV und keine Sozialleistungen. Doch nun verliert sie nach 18 Jahren Treue zur Firma ihren Job. Fühlt sich nutzlos. Und wird wohl trotz aller Bemühungen Sozialhilfe beziehen müssen.
«Ich will meinen Lebensunterhalt selber bestreiten – aber daraus wird wohl nichts mehr», sagt sie resigniert.
Eine lange Krankengeschichte
Ursprünglich arbeitet Staubli im Gastgewerbe, verliert jedoch 1999 wegen schwerwiegenden Rückenproblemen ihren Job. Ihr IV-Antrag wird abgelehnt, doch darf sie sich auf IV-Kosten umschulen. Sie erlangt so in Baden AG mit 40 Jahren ein Bürofachdiplom und kann darauf ein Praktikum in einer grossen Computerfirma im Kanton Zürich absolvieren. Dort wird sie 2006 fix mit Stundenlohn-Vertrag aufgenommen, für 20 Stunden pro Woche.
Die Arbeit gefällt ihr, das Firmenumfeld wird zu einer zweiten Familie. Ende 2015 folgt aber ein neuer gesundheitlicher Rückschlag: Bei Staubli wird ein Lungenemphysem diagnostiziert. Dadurch leidet sie auch an COPD, einer Verengung der Atemwege. Sie kann nur noch mit Atemgeräten leben. Ein Teil ihrer rechten Lunge muss 2018 operativ entfernt werden. Sie muss mit 17 Prozent ihres ursprünglichen Lungenvolumens durchkommen.
Drei Wochen nach der OP sitzt sie wieder am Arbeitsplatz. «Ich lasse mich nicht krankschreiben», sagt sie. Im Job wird sie gebraucht und geschätzt, hat sozialen Umgang. Ansonsten kann sie nämlich nur zu Hause sein. In ihrer 3,5-Zimmer-Wohnung stehen zwei grosse Sauerstofftanks, dank eines 7 Meter langen Schlauchs kann sie sich frei bewegen. Sobald sie aus dem Haus geht, muss sie einen tragbaren Tank mitführen, der für rund acht Stunden reicht. Mit dem Auto schafft sie es so zum Job und zurück. Viel mehr liegt nicht drin.
Laut Jean-Philippe Spinas (54) vom Personalberatungsunternehmen Kienbaum Switzerland gibt es im Fall von Claudia Staubli geringe Chancen für eine Wiederbeschäftigung. Entscheidend sei weniger das Alter oder die Krankheitsgeschichte, sondern das beschränkte Pensum und das Fehlen spezieller Aus- und Weiterbildungen. «Unternehmen sind nicht da, um Arbeitsstellen zu schaffen oder zu erhalten, aber sie sollten alle Mitarbeitenden stets marktfähig halten», so Spinas. Sprich: Geförderte Weiterbildung und Spezialisierung hilft Mitarbeitenden dabei, im Bedarfsfall neue Stellen zu finden.
Laut Spinas seien Schweizer Unternehmen in der Regel aber sozialer als solche aus den Nachbarländern. «Hier werden ältere oder kranke Mitarbeitende eher mitgezogen». Eine juristische Grundlage dafür gibt es aber nicht. Wenn also Dienste und Funktionen ins Ausland verlagert werden – wie bei Staublis Computerfirma –, können langjährige, verdiente Mitarbeitende plötzlich auf der Strasse stehen.
Zahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft bestätigen Spinas. In der OECD gehöre die Schweiz zu den Ländern mit vergleichsweise hoher Arbeitsmarktbeteiligung bei den 55- bis 64-Jährigen. 74 Prozent von ihnen sind erwerbstätig. Wer in dieser Alterskategorie nicht arbeitet, tut dies in 30 Prozent der Fälle wegen Invalidität oder vorübergehender Arbeitsunfähigkeit. 27 Prozent sind frühzeitig, 17 Prozent ordentlich pensioniert. Der Rest nennt «persönliche Gründe» oder fehlende Chancen für die Nicht-Erwerbstätigkeit.
Laut Jean-Philippe Spinas (54) vom Personalberatungsunternehmen Kienbaum Switzerland gibt es im Fall von Claudia Staubli geringe Chancen für eine Wiederbeschäftigung. Entscheidend sei weniger das Alter oder die Krankheitsgeschichte, sondern das beschränkte Pensum und das Fehlen spezieller Aus- und Weiterbildungen. «Unternehmen sind nicht da, um Arbeitsstellen zu schaffen oder zu erhalten, aber sie sollten alle Mitarbeitenden stets marktfähig halten», so Spinas. Sprich: Geförderte Weiterbildung und Spezialisierung hilft Mitarbeitenden dabei, im Bedarfsfall neue Stellen zu finden.
Laut Spinas seien Schweizer Unternehmen in der Regel aber sozialer als solche aus den Nachbarländern. «Hier werden ältere oder kranke Mitarbeitende eher mitgezogen». Eine juristische Grundlage dafür gibt es aber nicht. Wenn also Dienste und Funktionen ins Ausland verlagert werden – wie bei Staublis Computerfirma –, können langjährige, verdiente Mitarbeitende plötzlich auf der Strasse stehen.
Zahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft bestätigen Spinas. In der OECD gehöre die Schweiz zu den Ländern mit vergleichsweise hoher Arbeitsmarktbeteiligung bei den 55- bis 64-Jährigen. 74 Prozent von ihnen sind erwerbstätig. Wer in dieser Alterskategorie nicht arbeitet, tut dies in 30 Prozent der Fälle wegen Invalidität oder vorübergehender Arbeitsunfähigkeit. 27 Prozent sind frühzeitig, 17 Prozent ordentlich pensioniert. Der Rest nennt «persönliche Gründe» oder fehlende Chancen für die Nicht-Erwerbstätigkeit.
Die Computerfirma unterstützt sie. So sehr, dass die Firma gar eine Auszeichnung gewinnt. Diese erhalten Arbeitgeber, die sich vorbildlich für die berufliche Integration engagieren.
Die Steuerung aus dem Ausland ändert alles
2022 kommt es zur internen Umstrukturierung. Die meisten administrativen Stellen in der Firma sind nun unter Kontrolle des Konzernablegers in Deutschland. Auf die «Internationalisierung» folgt bald die Rosskur: Die Firma baut ab.
Die im Juli ausgesprochene Entlassung per November trifft Staubli wie ein Schlag. «Seitdem geht es mir viel schlechter», klagt sie. Sie wird regelrecht aus der Bahn geworfen. Vorerst ist sie krankgeschrieben bis Ende August. Nimmt Antidepressiva.
Sie will sich nicht über den Arbeitgeber beklagen. Sondern aufzeigen, wie es Menschen mit chronischen Gesundheitsproblemen schwer haben, in der Arbeitswelt zu bestehen. Sie weiss, dass Firmen Menschen wie sie nicht «aus Mitleid» beschäftigen können. Doch so wird sie den Steuerzahlern auf der Tasche liegen.
Die Arbeitslosenkasse und die Lungenliga machen ihr zwar Hoffnung, dass sie ein weiteres Mal eine Integration in die Arbeitswelt schaffen kann. Doch Staubli macht sich keine Illusionen: «Ich bin aus Sicht von Arbeitgebern ein Risikofaktor.» Mit ihrer Krankheitsgeschichte und ihrem Alter sei eine Rückkehr ins Arbeitsleben kaum realistisch.
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Wie weiter?
Staubli hat schon 2021 eine Teil-IV beantragt, lehnt jedoch selber ab, nachdem man ihr eine komplette IV nahegelegt hat. Nun wartet sie ab, ob das RAV sie als «nicht vermittlungsfähig» einstuft und sie dann eine neuerliche IV-Anmeldung startet.
Mit jedem Tag ohne Job werden Moral und Gesundheit schlechter. Trost spenden nur ihre Katzen – und die kleine Hoffnung, dass es noch Unternehmen gibt, die Menschen wie ihr eine Chance geben.