«Ich habe gar kein Leben mehr»
Zürcher Beizer hört erschöpft auf – 17 Angestellte verlieren Job

Für Robin und Cristiana Leutwiler platzt der Traum vom eigenen Restaurant. Sie schliessen nach sechs Jahren den Steinerhof in Urdorf ZH. Familienleben und 14-Stunden-Schichten liessen sich nicht mehr unter einen Hut bringen.
Publiziert: 25.01.2025 um 10:39 Uhr
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Aktualisiert: 09:26 Uhr
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Robin Leutwiler wirtet nur noch bis Ende Februar im Steinerhof in Urdorf ZH.
Foto: PD

Auf einen Blick

  • Wirtepaar schliesst Steinerhof in Urdorf ZH wegen Fachkräftemangel und Erschöpfung
  • Robin Leutwiler arbeitete oft 14 Stunden täglich in der Küche
  • 17 Angestellte müssen sich eine neue Beschäftigung suchen
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Patrik BergerRedaktor Wirtschaft

Das Restaurant Steinerhof in Urdorf ZH ist eine klassische Dorfbeiz. Handwerker stärken sich mit dem Znünihit für 9.90 Franken – sie trinken ein Rivella und essen Schweinswürstli mit Brot. Zum Zmittag gibts als Menu 1 einen Spätzli-Gemüse-Gratin an Käserahmsauce für 19.90 Franken. Abends kehren Vereine auf eine Stange ein. Kurz, man trifft sich im imposanten Bau mit dem ausladenden Giebeldach.

Damit ist Ende Februar Schluss. Das Wirtepaar Cristiana und Robin Leutwiler hört nach sechs Jahren auf, wie die «Limmattaler Zeitung» berichtet. Die beiden sind ausgelaugt. Weil sie über Jahre zu wenig qualifiziertes Personal gefunden haben, mussten sie immer wieder selbst in die Hosen. «An manchen Tagen stehe ich vierzehn Stunden in der Küche, weil ich niemanden habe, der mich ersetzen könnte», begründet der Geschäftsführer des Steinerhofs seinen Entscheid im Gespräch mit Blick. Um 23 Uhr schliesst er das Restaurant zwar ab. Feierabend hat er dann aber noch lange nicht. «Oft erledige ich noch bis um 1 Uhr Büroarbeiten, weil ich sonst nicht dazukomme», sagt er. Das geht an die Substanz.

Keine Zeit mehr für Frau und Kinder

Leutwiler erkennt, dass er an seine Grenzen kommt. Und führt einen zweiten Ruhetag ein. Das bringt aber nur wenig. «Ich kam an einen Punkt, an dem ich merkte: Ich habe gar kein Leben mehr, ich bin nur noch im ‹Steinerhof›. Ich habe zwei Kinder und eine Frau, habe aber keine Zeit mehr für sie. Ich kann mir nicht mal mehr Zeit für die Familie, Freunde, Geburtstage oder Hochzeiten nehmen», sagt Robin Leutwiler. Das sind eindrückliche Worte eines Gastroprofis. Schon sein Urgrossvater, seine Grosseltern, sein Vater und sein Onkel betrieben das Restaurant Frohsinn in Urdorf. Diese Tradition wollte er fortführen.

Im November wurde den beiden Beizern dann klar, dass sie handeln müssen. «Er hatte Schmerzen, wollte aber nicht zum Arzt gehen, weil er nicht im Restaurant fehlen wollte und konnte», sagt Cristiana Leutwiler, die den Service leitet. «Irgendwann sagte ich zu ihm, dass es so nicht mehr weitergehen kann», erinnert sie sich.

«Wir wurden immer wieder enttäuscht»

Als Hauptgrund für das traurige Ende ihres Gastro-Traums führen die beiden den Fachkräftemangel an. «Von drei Vorstellungsgesprächen scheitern zwei in den ersten fünf Minuten», führt Leutwiler aus. Die Zimmerstunde sei für viele ein Grund, den Job nicht anzunehmen. Immer weniger seien auch bereit, am Wochenende die Kochschürze anzuziehen. «Es gibt auch Leute, die sich bewerben, und dann einfach nicht zum Gespräch erscheinen», weiss Cristiana Leutwiler. Ihr Gatte pflichtet ihr bei: «Wir hatten in den sechs Jahren so viele Tiefschläge und wurden immer wieder enttäuscht.»

17 Angestellte müssen sich eine neue Beschäftigung suchen. Wie es mit dem Steinerhof weitergeht, ist nicht klar. «Ich will hier sauber abschliessen und dann zwei, drei Monate einfach zu Hause sein. Ich will einfach mal durchatmen, geniessen und meinen Platz in der Familie finden», sagt Robin Leutwiler. Vom Job als Koch habe er vorderhand genug. Er schliesst aber nichts aus, denn: «Kochen ist meine Leidenschaft, mein Stolz, mein Beruf.»

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