Seit bald zwei Jahren kämpfen wir mit der Pandemie und Homeoffice gehört inzwischen zu unserem Alltag. Noch nie waren so viele Menschen in Quarantäne und Isolation, aktuell fast 200'000, die effektive Zahl dürfte wohl noch höher sein.
Studien zeigen, dass Homeoffice die Pandemie überdauern wird. Doch wer zu Hause fürs Büro eingerichtet ist, greift eher mal zum Computer und beantwortet ausserhalb der Arbeitszeiten ein E-Mail, brütet abends noch über einem Strategiepapier oder arbeitet, ohne den Chef zu informieren, auch wenn das Kind krank daneben auf dem Sofa liegt. Ist das rechtlich überhaupt in Ordnung? Und werden wir in Zukunft einfach noch mehr arbeiten?
Homeoffice wird in den arbeitsrechtlichen Bestimmungen des Obligationenrechts nicht explizit erwähnt. An der rechtlichen Situation hat sich wegen und mit Corona aber nichts geändert. Es brauche darum auch keine Änderung der Gesetze und Regeln, sagt Serge Gnos (49) von der Gewerkschaft Unia, «aber wir müssen die bestehenden durchsetzen».
Die Erwartungshaltung habe sich mit der Möglichkeit von Homeoffice verändert. Es dürfe in Zukunft einfach nicht in die falsche Richtung gehen. Die ständige Erreichbarkeit habe schon vor Corona zu einem erhöhten Stresslevel und damit verbunden zu vermehrten psychischen Erkrankungen geführt, so Gnos.
Mit Homeoffice werde es in Zukunft noch wichtiger, sich abzugrenzen. «Dafür braucht es Abmachungen und eine klare Kommunikation zwischen den Parteien», sagt auch Arbeitsrechtlerin Isabelle Wildhaber (48) von der Uni St. Gallen. Man müsse sich abgrenzen dürfen, auch mal nicht erreichbar sein. «Die Entwicklung zur kompletten Entgrenzung sehe ich als problematisch und ungesund», so Wildhaber. Wer die Regeln kennt, muss auch in Zukunft keine Angst haben, noch mehr arbeiten zu müssen. Blick beantwortet ein paar drängende Fragen rund ums Homeoffice heute und in Zukunft.
Ich habe Corona, muss ich trotzdem arbeiten?
Wer eine Infektion hat – dazu gehört auch Corona –, ist nicht per se arbeitsunfähig. «Krank ist man erst, wenn man wegen dieser Infektion tatsächlich nicht arbeiten kann, weil man zum Beispiel Fieber oder Schmerzen hat, extrem müde oder einfach geschwächt ist», sagt Nicole Vögeli Galli (53), Anwältin und Dozentin für Arbeitsrecht an der ZHAW.
Auch bei der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) heisst es: «Eine virale Infektion, die symptomarm verläuft, muss nicht zur Arbeitsunfähigkeit führen. Die gesundheitliche Beeinträchtigung ist vom Arzt individuell zu beurteilen.» Die meisten Firmen verlangen nach drei Tagen ein Arztzeugnis. Hingegen kann ein Arbeitnehmer, der wegen Erkältung oder Kopfweh eine schlaflose Nacht hinter sich hat, auch im Homeoffice den Chef anrufen und ihm erklären, dass er heute nicht arbeiten kann.
Ich bin eine arbeitstätige Mutter und mein Kind ist krank. Muss ich im Homeoffice trotzdem arbeiten?
Wer zu Hause ein krankes Kind betreut, muss auch im Homeoffice nicht arbeiten. An der rechtlichen Situation hat sich wegen und mit Corona nichts geändert. Den Eltern stehen dafür maximal drei Tage zur Verfügung, bis dann sollte eine Lösung gefunden werden.
Ich erhole mich von einem Unfall oder einer Operation. Muss ich auch mit einem lädierten Knie im Homeoffice arbeiten?
Mit Homeoffice ist man heute nach einer Knieoperation vielleicht weniger lang arbeitsunfähig. Früher war der Arbeitsweg für den Arbeitnehmer über längere Zeit oft nicht zumutbar. «Dieser gehört zur Beurteilung der Gesundheitseinschränkung. Homeoffice ist ein Aspekt, der mit in die ärztliche Beurteilung einfliesst», erklärt die FMH. Der Uhrmacher aber, der seine Werkstätte unter Umständen auch zu Hause hat, wird so lange arbeitsunfähig sein, bis sein Finger wieder voll belastbar ist. «Wichtig sind immer die individuelle Arbeitssituation und der einzelne Fall», sagt Vögeli Galli.
Die Schule schliesst. Darf ich zu Hause bleiben und zu meinem Kind schauen?
«Diese Frage ist umstritten und bis jetzt nicht abschliessend geregelt», sagt Isabelle Wildhaber, die zum Arbeitsrecht in Pandemiezeiten publiziert hat. Wer im Homeoffice arbeitet, kann mit grösseren Kindern durchaus noch arbeiten, das konzentrierte Arbeiten ist unter Umständen etwas schwieriger. Wer aber einen Frontjob macht, kann nicht einfach Homeoffice machen. Im Frühling 2020 schrieb Wildhaber dazu: «Einzelne Firmen suchen nach eigenen Lösungen, etwa indem sie zusätzliche Ferientage zur Kinderbetreuung gewähren oder Care-Verpflichtungen als Arbeitszeit anrechnen. Und es bleibt die Möglichkeit einer Erwerbsausfallentschädigung, die in der neuen Covid-19-Verordnung geregelt ist. Sie unterstützt Eltern mit Kindern unter 12 Jahren, Eltern mit Minderjährigen, die einen Intensivpflegezuschlag erhalten, und Eltern mit Kindern bis zum vollendeten 20. Altersjahr, wenn diese eine Sonderschule besuchen.»
Ich arbeite auf dem Bau und muss in Quarantäne, weil mein Arbeitskollege positiv getestet wurde. Werde ich trotzdem bezahlt?
Ja, in diesem Fall handelt es sich um einen Annahmeverzug. Der Bauarbeiter würde seine Arbeit ja anbieten, aber er darf nicht, weil er in Quarantäne muss. «Und er kann ja nicht einfach zu Hause sein Bad umbauen, nur damit er irgendetwas arbeitet», erklärt Serge Gnos. Der Arbeitgeber ist zur Lohnzahlung verpflichtet, obwohl der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringt.
Kann ich nachts arbeiten, wenn die Kinder schlafen und ich Ruhe habe?
Von der Idee Homeoffice herrsche oft eine falsche Vorstellung, sagt Wildhaber. Arbeitnehmer hätten manchmal das Gefühl, sie könnten arbeiten, wann immer sie wollen. Doch: «Die Arbeitszeitvorgaben gelten auch im Homeoffice.» Wenn der Arbeitgeber zum Beispiel merkt, dass ein Mitarbeiter ständig um 2 Uhr früh E-Mails verschickt, dann muss dem Einhalt geboten werden.
Die Pandemie hat Homeoffice buchstäblich salonfähig gemacht. Und der Trend zum Büro in der guten Stube dürfte Corona überdauern, wie eine Studie der OECD zeigt. Laut dieser ist der Anteil der Menschen im Homeoffice in den meisten Ländern der Staatengemeinschaft deutlich in die Höhe geschnellt. Insgesamt hat sich der durchschnittliche Homeoffice-Anteil in den 20 untersuchten OECD-Staaten seit Beginn der Pandemie mehr als verdreifacht. Am offensten gegenüber Homeoffice sind die Unternehmen in Polen, Spanien und Österreich eingestellt. Die Schweiz rangiert laut der OECD-Studie im Mittelfeld.
Die Marktforscher des Online-Stellenportals Indeed, welches die Studie in Zusammenarbeit mit der OECD erstellte, haben für Blick exklusiv berufstätige Personen in der Schweiz befragt. Die Resultate sind für die Deutschschweiz repräsentativ. 75 Prozent der Befragten befürworten die Homeoffice-Pflicht. Jobbereiche mit dem höchsten Anteil «Heimarbeit» sind: Software-Entwicklung, IT-Support, Marketing, Kundendienst und Bankwesen. Der Trend zu mehr Jobausschreibungen mit Homeoffice-Möglichkeit sei auch in der Schweiz ungebrochen: «Für viele Unternehmen ist Homeoffice inzwischen mehr als eine Pflichtübung.» Ulrich Rotzinger
Die Pandemie hat Homeoffice buchstäblich salonfähig gemacht. Und der Trend zum Büro in der guten Stube dürfte Corona überdauern, wie eine Studie der OECD zeigt. Laut dieser ist der Anteil der Menschen im Homeoffice in den meisten Ländern der Staatengemeinschaft deutlich in die Höhe geschnellt. Insgesamt hat sich der durchschnittliche Homeoffice-Anteil in den 20 untersuchten OECD-Staaten seit Beginn der Pandemie mehr als verdreifacht. Am offensten gegenüber Homeoffice sind die Unternehmen in Polen, Spanien und Österreich eingestellt. Die Schweiz rangiert laut der OECD-Studie im Mittelfeld.
Die Marktforscher des Online-Stellenportals Indeed, welches die Studie in Zusammenarbeit mit der OECD erstellte, haben für Blick exklusiv berufstätige Personen in der Schweiz befragt. Die Resultate sind für die Deutschschweiz repräsentativ. 75 Prozent der Befragten befürworten die Homeoffice-Pflicht. Jobbereiche mit dem höchsten Anteil «Heimarbeit» sind: Software-Entwicklung, IT-Support, Marketing, Kundendienst und Bankwesen. Der Trend zu mehr Jobausschreibungen mit Homeoffice-Möglichkeit sei auch in der Schweiz ungebrochen: «Für viele Unternehmen ist Homeoffice inzwischen mehr als eine Pflichtübung.» Ulrich Rotzinger
Ich arbeite im Detailhandel, in der Fabrik oder auf dem Bau. Meine Tochter hat Corona und ich muss deshalb in Quarantäne. Bekomme ich weiterhin Lohn?
Wenn Sie nicht im Homeoffice arbeiten können, haben Sie Anspruch auf Erwerbsersatz. Fällt die Quarantäne in die Ferien, können die Ferientage nachgeholt werden. Das sei unter Umständen aber umstritten und eine Einzelfallbetrachtung erforderlich, erklärt Wildhaber.
Beim Erwerbsersatz herrscht auch in anderen Fällen keine Einigkeit unter Juristen und einen Gerichtsentscheid diesbezüglich gibt es noch nicht. Denn, sagt Vögeli Galli, der Arbeitnehmer werde in diesem Fall ja von den bundesrätlichen Vorschriften daran gehindert, seinen Job auszuüben. Diese Vorschriften, erlassen wegen der Pandemie, seien nicht das Risiko der Arbeitgeber und man könne ihnen die Lohnfortzahlung nicht anlasten.
Meine Firma macht Betriebsferien und ich werde in der Zeit positiv auf Corona getestet. Bekomme ich diese Ferientage zurück?
Dies hängt davon ab, ob man arbeitsunfähig ist. Wenn ja, ist es wie jede andere Arbeitsunfähigkeit während der Ferien zu behandeln. Wird der Erholungszweck eingeschränkt, hat man Anspruch auf diese Tage. Ferien bedeuten Befreiung von der Arbeitsleistung. Es besteht kein Anspruch auf bestimmte Unternehmungen, Reisen usw. Liegt trotz Infektion keine Einschränkung bei der Erholung vor, weil keine Arbeitsunfähigkeit gegeben ist, könnte deshalb argumentiert werden, die Ferien gälten als bezogen – erholen kann man sich auch zu Hause. Ein Gegenargument wäre, dass eine Infektion an sich eine von Arbeitgebenden zu bezahlende Arbeitsverhinderung darstellt und daher nicht als Ferienbezug gewertet werden kann. «Letztlich wird dies von den Gerichten abschliessend zu beantworten sein», sagt Vögeli Galli.
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