Für Anleger war der Donnerstag ein schwarzer Tag: Mit dem SMI hat der grösste Schweizer Index 2,51 Prozent eingebüsst. Der deutsche DAX rasselte gar um 3,28 Prozent runter. Und auch in den USA erlebten die wichtigsten Indizes gestern eine heftige Talfahrt. Der Dow Jones sank um 2,25 Prozent, der US-Techkonzern-Index Nasdaq gar um 3,37 Prozent. Die Aktienmärkte preisen die künftige Entwicklung eigentlich ein, wurden gestern von den harten Zinsschritten der grossen Zentralbanken aber dennoch auf dem falschen Fuss erwischt. Heute Freitag sind die Zeichen tiefrot. Die japanische Börse schliesst im Minus, der Schweizer Leitindex startet mit Verlusten.
Blick liefert die wichtigsten Antworten zu den Börsentauchern.
Warum haben die Märkte auf die Zinserhöhungen so stark reagiert?
Die Anleger haben aufgrund der rückläufigen Inflation in den USA oder der EU erwartet, dass die Banken bei den Zinserhöhungen vom Gaspedal gehen. Das ist gestern zwar geschehen. So hat die US-Notenbank Fed die Zinsen «nur» um 0,5 Prozentpunkte erhöht, nachdem sie zuvor viermal 0,75 Prozentpunkte draufgepackt hatte. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) und die Schweizerische Nationalbank (SNB) haben gestern bei den Zinserhöhungen das Tempo bei den Zinsschritten reduziert. Einige Analysten hatten jedoch erwartet, dass beispielsweise die SNB die Zinsen statt um 0,5 nur noch um 0,25 Prozentpunkte erhöht.
Sind die Zinserhöhungen allein für den Börseneinbruch verantwortlich?
Nein. Was die Märkte noch viel mehr beunruhigt hat: EZB, Fed und SNB haben angekündigt, im Kampf gegen die Inflation auch künftig rigoros einzuschreiten. Dabei haben alle Zentralbanken bereits weitere harte Zinsschritte in Aussicht gestellt. Die Anleger hatten hingegen auf eine Entwarnung an der Inflationsfront gehofft – oder gar auf die Ankündigung, dass keine weiteren Zinserhöhungen mehr geplant sind.
Warum geben die Zentralbanken im Kampf gegen die Inflation noch keine Entwarnung?
Die Inflation ist zwar praktisch überall rückläufig. So sank sie in den USA im November von 7,7 auf neu 7,1 Prozent. Auch in der EU hat sie sich von 10,6 auf 10 Prozent abgeschwächt und in der Schweiz steht sie im November nach wie vor bei vergleichsweise milden 3 Prozent. Im langjährigen Vergleich sind die Inflationsraten jedoch nach wie vor extrem hoch und weit über den Zielraten der Zentralbanken.
Ist die Trendwende bei den Teuerungsraten wirklich noch nicht geschafft?
Nach Einschätzung der Zentralbanken ist dieses Ziel noch nicht erreicht. Zu gross wären die Unsicherheiten im Markt. Einerseits könnte eine weitere Eskalation im Ukraine-Krieg im Frühjahr die Weltwirtschaft erneut vor Probleme stellen. Der Krieg und die Pandemiebekämpfung in China hängen wie ein Damoklesschwert über den internationalen Lieferketten. Zudem bleiben auch die Energiepreise ein Pulverfass, besonders für Europa. Die europäischen Länder werden ihren Energiebedarf im nächsten Jahr ohne Öl und Gas aus Russland stemmen müssen. Der Kampf um die fossilen Energieträger aus anderen Herkunftsländern könnte die Preise erneut in die Höhe treiben und die Inflation einmal mehr befeuern.
Welche Aktien gehören zu den grössten Verlierern?
In der Schweiz erlebten gleich mehrere Industrie-Titel deutliche Kurseinbrüche: Der Hörgerätehersteller Sonova büsste um 5,4 Prozent ein, der Halbleiterhersteller AMS Osram gar 7,3 Prozent. Auch die Aktie des Chemie- und Pharmakonzerns Lonza sank um 3,5 Prozent ab, was aber unter anderem auf Medienberichte über eine Kostenexplosion bei der Sanierung der Giftmülldeponie Gamsenried VS zurückgeführt wird. Deutliche Einbussen erlebten auch Firmen aus dem Bausektor wie Sika (–4 Prozent) oder Holcim (–3,6 Prozent). In den USA war der Donnerstag besonders für die Techkonzerne ein rabenschwarzer Tag. Meta tauchte um 4,5 Prozent, der Streamingdienst Netflix gar um 8,6 Prozent.